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„2011 gehen vollelektrische Fahrzeuge in Serie“

J. Grotendorst von Continental und M. Carus vom Nova-Institut sehen rasante Entwicklung bei E-Mobilen
„2011 gehen vollelektrische Fahrzeuge in Serie“

Der „Elektro-Mobil Kongress“ greift das Trendthema Nummer 1 im Automobilbau auf. Was noch in diesem Jahr an technischen Neuheiten zu erwarten ist, verrät Referent Jörg Grotendorst von der Continental AG. Und Michael Carus vom Nova-Institut erläutert die mit der Elektromobilität verbundenen Chancen.

Herr Carus, warum veranstaltet das Nova-Institut den Elektro-Mobil-Kongress?

Carus: Im Bereich von Biowerkstoffen und Biokraftstoffen sind wir eines der führenden Institute und haben somit engen Kontakt zur Automobilindustrie. Über die Jahre zeigte sich, dass Biowerkstoffe eine ökologisch sehr interessante Option sind, Biokraftstoffe dagegen eine eher fragliche. So war es ein konsequenter Schritt, den Biokraftstoffen den Rücken zu kehren und sich mehr mit dem Elektroantrieb zu beschäftigen.
Welche Vorteile sprechen für künftig elektrisch angetriebene Fahrzeuge?
Carus: Elektromobilität ist weit mehr als eine neue Antriebstechnologie. Die Autos werden in wenigen Jahren anders als heute aussehen, die Zulieferindustrie sich neu ausrichten und strukturieren. Das Elektroauto löst eine Innovationswelle aus und bietet die Chance, vieles neu zu denken und zu größerer Nachhaltigkeit hin auszurichten.
Ist die Energieeffizienz wirklich besser als bei Verbrennungsmotoren, wenn die Stromgewinnung mit betrachtet wird?
Carus: Deutlich besser! Wir haben zum Beispiel den Flächenbedarf von Biodiesel aus Raps mit dem von Fotovoltaik-Freiflächenanlagen verglichen, um den Energiebedarf für Elektroantriebe zu decken. Es zeigte sich: Um dieselbe Energie am Fahrzeug-Rad zu bekommen, benötige ich bei Biodiesel die 180fache Fläche. Wie gesagt, Elektroantrieb und Erneuerbare Energien spielen in einer anderen Liga als bisherige Lösungen.
Soll das Auto primär mit regenerativ gewonnenem Strom gespeist werden, zum Beispiel mit Windenergie?
Carus: Das wäre die beste Option. Selbst bei einem Marktanteil für Elektroautos von über 50 Prozent läge der zusätzliche Strombedarf unter 10 Prozent. Er könnte mit erneuerbaren Energien leicht gedeckt werden. E-Auto-Tanksäulen könnte man direkt an Öko-Strom koppeln und eine reduzierte Steuer für das Tanken von Öko-Strom ansetzen.
Gibt es in Deutschland denn noch genügend Potenzial für die Windenergie?
Carus: Windenergie ist derzeit die wichtigste erneuerbare Energie in Deutschland. Daneben haben wir aber noch Wasserkraft, Biomasse-Verbrennung und die Solarenergie mit den zurzeit höchsten Zuwachsraten. Es wird erwartet, dass Fotovoltaik-Strom in den nächsten zehn Jahren wettbewerbsfähig wird und einen unaufhaltsamen Marktdurchbruch erzielt. Öko-Stromanteile von 50 Prozent am Gesamtstrom sind nicht unrealistisch, 2008 waren es bereits 15 Prozent! Die maximal zehn Prozent zusätzlichen Strom für Elektroautos könnten also leicht über mehr Ökostrom gedeckt werden.
Gibt es bereits ein Szenario für die Einführung von hybriden/elektrischen Autos?
Carus: Es ist keine Frage mehr, ob sich Elektroantriebe durchsetzen werden, sondern nur wann dies sein wird. Dies hängt entscheidend von zwei Faktoren ab. Erstens dem Erdölpreis. Sobald die Weltwirtschaft zu alter Stärke zurückkehrt, steigen die Ölpreise wieder und treiben das Interesse massiv voran, Elektroautos zur Marktreife zu bringen. Der zweite Faktor ist die Verfügbarkeit von Hochleistungs-Akkus oder Kondensatoren zu attraktiven Preisen. Aktuell werden Milliarden in die Batterie-Entwicklung investiert und es ist eines der größten Geheimnisse, wie weit einzelne Unternehmen sind. Ich erwarte in den nächsten Jahren einige Überraschungen und auch wirkliche, technische Sprünge.
Herr Grotendorst, welche Schritte hin zum Elektrofahrzeug haben Sie bei Continental ins Auge gefasst?
Grotendorst: In Europa sind wir schon sehr weit mit sparsamen Verbrennungsmotoren. Daher setzen wir zunächst auf Mildhybride als Antrieb, um mehr Nachhaltigkeit zu verwirklichen, also auf Fahrzeuge mit guter Verbrennungstechnologie und elektromotorischer Unterstützung. In Amerika und Japan wird man dagegen mehr Fullhybride sehen. Beide Konzepte sorgen für mehr Nachhaltigkeit. Und ich bin überzeugt davon, dass wir in großen Ballungsgebieten schon bald Regularien haben werden, die emissionsarme Fahrzeuge bevorzugen.
Was spricht für Mildhybrid-Antriebe?
Grotendorst: Das sind Fahrzeuge, bei denen elektrische Energie aus den Bremsvorgängen zurück gewonnen und zum Anfahren verwendet wird. Im Unterschied zu Fullhybriden brauchen sie zum Fahren zusätzlich den Verbrennungsmotor. Dafür sind sie deutlich kostengünstiger. Denn dem Mildhybrid genügt normalerweise eine zusätzliche elektrische Maschine, nicht so dem Fullhybrid. Für jeden weiteren Motor braucht es aber auch eine weitere Ansteuerung und eben das gesamte Equipment eines elektrischen Antriebs mit entsprechendem Platzbedarf und Kostenaufwand.
Sind Mildhybride also effizienter?
Grotendorst: Die Frage ist einfach, mit welchem Konzept ich mehr holen kann. Und meiner Ansicht nach sind wir in Europa mit der mageren Verbrennung schon so weit, dass uns die Mildhybrid-Technik schneller vorwärts bringt.
Und wann gehen die ersten vollelektrischen Fahrzeuge mit Technik von Continental an den Markt?
Grotendorst: Wir sind bereits im Serienhochlauf für die Mercedes S-Klasse, einem Mildhybrid. Das Fahrzeug ist ab Juni am Markt erhältlich. Im nächsten Jahr werden weitere folgen. Und ab 2011 gehen die ersten reinen Elektrofahrzeuge mit Continental-Technik in Serie – und zwar keine kleinen Versuchsflotten, sondern echte Serienfahrzeuge ohne Verbrennungsmotor.
Welche Fahreigenschaften haben sie?
Grotendorst: Die Fahreigenschaften sind begeisternd, weil ein Elektromotor vom Stand weg ein hohes Drehmoment bietet. Die Performance ist auf der Landstraße und im Stadtverkehr enorm. Hinzu kommt, dass man nichts hört von ihnen.
Und welche Spitzengeschwindigkeit und Reichweite werden diese Autos haben?
Grotendorst: Die meisten Automobilhersteller zielen auf eine Spitzengeschwindigkeit zwischen 120 und 140 Stundenkilometern. Und die Reichweite sollte bei rund 100 Kilometern liegen.
Welche Technik liefert dafür Continental?
Grotendorst: Continental entwickelt alle benötigten Komponenten, also die Batterie, die Leistungselektronik, den E-Motor und den notwendigen Hybrid- oder E-Fahrzeug-Controller.
Wie wirkt sich die Entwicklung auf Zulieferer aus, die nicht mit dem Antrieb zu tun haben?
Grotendorst: Sehr stark. Ein Beispiel: Der Verbrennungsmotor erzeugt als Nebeneffekt die Wärme für die Heizung oder die Energie für die Lenkhilfe. Das wird alles zu diskutieren sein: Wie erzeugen wir nun sinnvoll Wärme, ohne Energie zu verschwenden? Da entstehen völlig neue Herausforderungen. Und auch die Reichweite wird zum Thema werden: Wie navigiere ich so, dass ich rechtzeitig an Strom-Tankstellen vorbei komme. Diese Beispiele zeigen, dass das Konzept des Autofahrens hier und dort neu zu überdenken sein wird.
Wieviel Potenzial steckt denn noch in der Batterietechnik?
Grotendorst: Mit der Lithium-Ionen-Technik haben wir grundsätzlich eine Technologie, die rein elektrisches Fahren mit Alltagstauglichkeit bietet. Diese beherrschbar zu machen, ist der Initial-Aufwand, den wir gerade reingesteckt haben. Im Blick auf die vielen möglichen Materialmixturen mit ihren Energiedichten stehen wir aber noch am Anfang, hier gibt es noch ein großes Entwicklungspotenzial. Zum Beispiel kennen wir Mixturen, die sich schnell laden lassen und unheimlich viel Ladung festhalten können. Aber sie haben noch nicht die Dauerhaltbarkeit, die das Fahrzeug benötigt.
Welche Dauergebrauchs-Anforderungen erfüllen die jetzt umgesetzten Antriebe?
Grotendorst: Die Batterie muss zehn Jahre funktionstauglich sein und über 600 000 Ladezyklen überstehen. Für die Klimatisierung nutzen wir dafür beispielsweise auch die Möglichkeit, die Batterie aktiv über Klimakreisläufe zu temperieren und die Be-und Entladung elektronisch zu regeln.
Markiert der Elektro-Mobil-Kongress einen besonderen Moment in der Entwicklung dieser Systeme?
Grotendorst: Ja, ein Moment besonderer Euphorie. Doch sehr viel Potenzial hängt auch davon ab, ob wir rechtzeitig Standards definieren und ob die Politik verlässliche Rahmenbedinungen schafft. Die Industrie und die potenziellen Kunden brauchen verlässliche Zahlen, wieviel der Autofahrer für Elektromobilität bezahlen muss und wie die öffentliche Hand den Einsatz von E-Fahrzeugen nachhaltig unterstützt.

Erster Deutscher Elektro-Mobil Kongress
Der Erste Deutsche Elektro-Mobil Kongress am 16. und 17. Juni 2009 im World Conference Center Bonn hat sich zum Ziel gesetzt, die Akteure der neuen Branche Elektromobilität aus Großkonzernen, kleinen und mittleren Unternehmen, Forschung, Technik und Politik zusammen zu bringen und zu vernetzen. Das Rahmenprogramm mit Ausstellung, Parallelsessions zu speziellen Themen und einem Abendbuffet zum „Netzwerken“ runden die Veranstaltung ab.
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