3D-Metalldruck | Allein Airbus will ab Ende 2018 jeden Monat 30 t Teile drucken. Hinter solchen Vorhaben steckt Schub, die Vorbereitungen der Flugzeugbauer sind in vollem Gange. Sie werden die Fertigungswelt verändern – und für die gesamte Industrie neue Chancen eröffnen. §
Autor: Olaf Stauß
Die Meldung, dass Airbus mit dem A350 XWB erstmals ein additiv gefertigtes Titan-Bauteil in die Lüfte schickt, war ein deutliches Signal. Dabei handelt es sich um einen Kabinenhalter (Bracket), der beim Starten, Fliegen und Aufsetzen hohen Lasten ausgesetzt ist. „Das Bracket hatte Zugwirkung bei den Anlagenbauern und darauf zielten wir auch ab“, sagt Peter Sander, Leiter Emerging Technologies & Concepts bei Airbus Hamburg. „Wir zeigen damit, dass wir flugfähige Teile drucken. Und wir wollen die Anlagen- und Materialhersteller anregen, in ihren Entwicklungen großindustriell zu denken.“
Die durch Laserschmelzen (SLM) hergestellte Titan-Komponente ersetzt ein aus Aluminium gefrästes Bracket und senkt dessen Gewicht um circa 30 %. Doch dieser Leichtbaueffekt ist erst der Anfang. Am Beispiel eines „Fuel Connectors“ macht Sander deutlich, wie viel weiter gehende Möglichkeiten der 3D-Metalldruck eröffnet (zu sehen auch im Video, Fußnote): Die Komponente eines Brennstoffsystems enthält eine Röhre innerhalb einer Röhre und ist geometrisch anspruchsvoll gestaltet. Bisher wird sie aus zehn einzelnen Gussteilen verschweißt. Im 3D-Metalldruck entsteht sie an einem Stück und enthält noch zusätzlich integrierte Halterungen. „Wir verzichten damit auf 14 Werkzeuge und deren Wartung, wir müssen die Einzelteile nicht mehr zueinander transportieren und miteinander verschweißen und wir minimieren die Lagerhaltung. Diese Effekte gehen über einen 1:1-Vergleich weit hinaus.“
Airbus forciert das Thema. In den letzten drei Jahren hat Peter Sander in über 80 Projekten entsprechende Komponenten geprüft und für den 3D-Druck überarbeitet. „Wir scannen zurzeit das ganze Flugzeug“, sagt er. Verfügt das jetzt umgesetzte Bracket noch über eine Einzelzertifizierung, so strebt der Flugzeugbauer bis 2016 eine generelle Zertifizierung für das 3D-Drucken von Titan-Teilen an, bis 2017 auch für Aluminium-Teile.
Ab Ende 2018 will Airbus monatlich 30 t Teile additiv herstellen, betont Sander. Dafür braucht der Flugzeugbauer Laserschmelz-Anlagen. „Wenn Sie das hochrechnen, kommen sie auf rund 100 große Drucker in der Art, wie sie Concept Laser für Daimler entwickelt hat.“ Gemeint ist die große Laserschmelz-Anlage „X Line 1000R“ von Concept Laser mit einem Bauraum von 630 x 400 x 500 mm³, die mit einem 1-kW-Laser arbeitet.
Nicht nur Airbus treibt die Entwicklung voran. GE Aviation rüstet die Fertigung in Auburn, Alabama, für 50 Mio. US-Dollar mit Laserschmelz-Technologie aus. Dort sollen ab 2015 zunächst 1000 Einspritzdüsen für das neue Triebwerk Leap-1 gedruckt werden, in fünf Jahren sollen es 40 000 Stück sein – neben etlichen anderen additiven Teilen. Die „Leap-1 engine“ gilt bereits heute als das erfolgreichste Triebwerk der Unternehmensgeschichte, gemessen an den eingegangenen Orders.
Die „Fuel Nozzle“, die in Auburn am Stück generiert wird, ersetzt 20 Guss-Einzelteile. Sie ist um 25 % leichter und bietet eine um den Faktor 5 längere Lebensdauer, weil Schweiß- und Fügenähte minimiert und die Konstruktion vereinfacht werden konnten. Das optimierte Design führe außerdem zu einer „signifikanten Sprit-Einsparung“, wie GE mitteilt. Bei einem weiteren Triebwerk, dem GE9X, will GE auch die Titan-Turbinenblätter additiv herstellen. Allerdings soll dabei ein 3-kW-Elektronenstrahl zum Einsatz kommen, der eine wesentlich höhere Aufbauleistung ermögliche als die heute verfügbaren Laserschmelz-Anlagen (EBM = Electron Beam Melting).
Um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, nimmt die Luftfahrtindustrie die Anlagenbauer in die Pflicht, die Technologie fertigungsgerecht weiter zu entwickeln. „Der Schlüssel ist eine integrierte Endprozesskontrolle, damit wir unseren bisher hohen Aufwand für die permanente Bauteilprüfung reduzieren können“, sagt 3D-Printing-Experte Peter Sander.
„An zweiter Stelle steht für uns die Steigerung von Größe und Geschwindigkeit der Anlagen. Doch hier gibt es bereits tolle Entwicklungen. Inzwischen arbeiten Multilaser-Anlagen mit 400-kW- und 1000-kW-Lasern und diese Entwicklungstrends setzen sich fort.“ Der südafrikanische Airbus-Zulieferer Aerosud operiere sogar mit einem 2 m langen Bauraum und einem 5 kW starken Laserstrahl.
Dr. Ingomar Kelbassa, stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen, kann die genannten Entwicklungsanforderungen für den Bereich der Wissenschaft bestätigen. „Woran die Systemintegratoren vorwiegend Interesse haben, ist die Qualitätssicherung in Form von Prozessüberwachung und -kontrolle.“ Damit eröffnen sich neue Chancen, nicht zuletzt auch für die restliche Industrie. Sie bekommt als Nebeneffekt des Metalldruck-Booms im Flugzeugbau eine Technologie serviert, die sich für die Serienfertigung immer besser eignet.
Neben der Luft- und Raumfahrt nennt Kelbassa vier weitere Kernmärkte für Additive Manufacturing: die Medizintechnik, in der die ersten additiven Serien mit individualisierten Dentalimplantaten starteten, die Energieerzeugung durch Gasturbinen, den Werkzeug- und Formenbau mit konturnahen Kühlkanälen und schließlich trotz großer Stückzahlen sogar den automobilen Leichtbau. „Additiv lassen sich Bauteile ganz neu gestalten. Zum Beispiel mit leichten Gitterstrukturen, die auf herkömmliche Weise gar nicht hergestellt werden können.“ Und noch eine weitere Stärke des Laserschmelzens nennt der Wissenschaftler: „Durch das schnelle Erstarren im Prozess erzielen wir besonders hohe Festigkeiten, durch die wir die Wandstärken erheblich reduzieren können.“
Leichtbau ist der Treiber Nummer 1, auch für die Luft- und Raumfahrtindustrie. An zweiter Stelle geht es darum, Herstellkosten zu sparen, zum Beispiel durch das Minimieren von Teilezahlen. Doch noch viel wichtiger ist – je nach Anwendung – der Nutzen, der sich durch die freien Gestaltungsmöglichkeiten beim 3D-Drucken ergibt – etwa um Bauteilgeometrien für optimale thermodynamische Strömungsverhaltnisse in Triebwerken zu erzeugen. Als ein Beispiel, das alle drei Punkte zusammen veranschaulicht, nennt Airbus-Experte Peter Sander ein Projekt der Nasa, die zu Testzwecken vor einem Jahr ein Raketentriebwerk mit einem lasergeschmelzten Treibstoff-Injektor zündete.
Dieser äußerst kompliziert gestaltete Injektor bestand als additive Komponente aus zwei Teilen – gegenüber 115 zuvor. Der Test verlief erfolgreich. Die Einsparung an Fertigungszeit und -kosten sind enorm. Doch dem nicht genug. „Die neu gestaltete, 3D-gedruckte Komponente hat die Effizienz des Triebwerks um Faktoren verbessert, weil die Treibstoffgase viel besser durchmischt werden“, weiß Peter Sander, auch wenn die Nasa keine quantitativen Angaben macht. „Auf solche Effekte müssen wir schauen.“
Auch rein mechanisch sind die Optimierungsmöglichkeiten durch den 3D-Druck hoch, wie Sander in einem Expertengespräch mit dem Fachjournalisten Guido Radig erklärte: „Da wir durch das Laserschmelzen mit Metallen feinste, sogar knochenartige und also poröse Strukturen herstellen können, werden zukünftige Flugzeugteile bionisch aussehen.“ Airbus untersuche solche Naturlösungen derzeit systematisch. Erste Prototypen zeigten große Potenziale. „Das Verfahren dürfte eine Art Paradigmenwechsel in Konstruktion und Fertigung auslösen.“ Das gesamte Expertengespräch von Guido Radig kann online nachgelesen werden (Fußnote).
Ein weiterer Benefit der 3D-Technologie zeigt sich wiederum an einem Experiment der Nasa, im All auf die Spitze getrieben: Die US-Raumfahrtbehörde testete kürzlich auf der internationalen Raumstation ISS einen 3D-Kunststoffdrucker in der Schwerelosigkeit – mit Erfolg. Auf lange Sicht könnte dieser Ansatz dazu führen, dass weniger Ersatzteile und Werkzeuge zur ISS befördert werden müssen – eine Option, die auch im Blick auf irdische Nachschubwege Sinn machen könnte, für Metalle ebenso wie für Kunststoff. An die Stelle zentraler, teurer Lagerhaltungen treten dezentrale, additive Fertigungsstationen, die den Ersatzteilbedarf auf Zuruf schneller und mit deutlich weniger Aufwand erfüllen – nicht nur im Flugzeugbau.
Bei den Anlagenbauern ist der luftfahrtgetriebene Boom des 3D-Drucks angekommen. Das wurde auf der Messe Euromold im November sichtbar. Die Hersteller berichten über steigende Umsätze, investieren in F&E und Kundenbetreuung und arbeiten daran, ihre Systeme besser an die Erfordernisse der Serienfertigung anzupassen. Concept Laser etwa verzeichnet das bislang beste Geschäftsjahr der 15-jährigen Firmengeschichte mit 120 verkauften Anlagen gegenüber 85 im letzten Jahr. Das Umsatzwachstum liege bei 40 bis 50 %. Unter anderem gründeten die Franken eine US-Tochter, vor allem um die Kunden aus der Luft- und Raumfahrt besser zu bedienen. Technologisch wurden die Produktivität und das Qualitätsniveau verbessert. So etwa ist die Anlage M2 cusing jetzt auch mit zwei Lasern erhältlich. Und das neue Tool QMmeltpool 3D ermögliche es, 3D-Datensätze des gedruckten Bauteils aufzubauen, die Computer-Tomografien gleichen.
Das erst seit drei Jahren unabhängig agierende Traditionsunternehmen SLM Solutions hat sich beim Börsengang im Mai mit Kapital versorgt und investiert in den weltweiten Vertrieb, das After-Sales-Geschäft (unter anderem mit speziellen Materialien) und vor allem in F&E. Die Mitarbeiterzahl ist von 79 auf 150 gestiegen. Gegenüber 28 verkauften Maschinen 2013 rechnen die Lübecker mit einem Absatz von 40 bis 50 Anlagen bis zum Jahresende. SLM bietet sein Flaggschiff „SLM 500 HL“ jetzt mit vier Lasern und Doppelstrahltechnik an, um die Produktivität zu steigern. Diesem Zweck dient auch das automatische Pulvermanagement und eine Auspackstation, in der die Bauplattform mit dem generierten Teil auskühlen kann, während in der Anlage der nächste Bauprozess beginnt.
Vorstandsvorsitzender Dr. Markus Rechlin sieht sich kaum in Konkurrenz mit anderen Anbietern: „Der Markt wächst so stark, dass uns Wettbewerber nicht stören. Uns geht es eher darum, den Markt gemeinsam auszubauen und zu erschließen.“
Auch Lasersinter-Pionier EOS feiert im 25. Jahr seines Bestehens große Erfolge mit einem Umsatzplus von 36 %. Verkauft wurden 150 Kunststoff- und 150 Metall-Systeme – gegenüber 79 Anlagen noch vor fünf Jahren. Das letztes Jahr vorgestellte Metallsystem M 400 geht jetzt in Serie mit automatischem Auspacken und automatischer Pulveraufbereitung.
„Wenn wir kein hohes Qualitätsniveau sichern, wird sich Additive Manufacturing nicht etablieren“, sagte Dr. Adrian Keppler, EOS-Geschäftsführer Vertrieb, auf der Messe. Das zeigt sich an der neuen, kleineren Metallanlage M 290, die seit ihrer Einführung im Mai bereits 40 Mal verkauft worden sei. Sie bietet Qualitätssicherungsfunktionen wie das Überwachen des Pulverbetts vor und nach der Belichtung (mittels Kamera) oder das Monitoring des Scanners, der Laserleistung, von Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Druck.
3D Systems, der Universalanbieter und Additiv-Pionier aus den USA, hatte eine 3 x 3 x 3 m³ große Blackbox auf der Messe stehen als Preview auf den „ProX 400“, der die Metallserie erweitern soll. Dieser Produktionsdrucker wird ein 500 x 500 x 500 mm³ großes Bauvolumen haben, wenn er in den Markt eingeführt wird. Und er wird den Angaben zufolge automatisierte Finishingfunktionen sowie einen modularen Aufbau bieten. •
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