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Automatisierte Ultraschallprüfung gewährleistet Ausfallsicherheit

Qualitätssicherung
Automatisierte Ultraschall-Prüfanlage gewährleistet Ausfallsicherheit

Um bei sicherheitsrelevanten Ringen und Lochscheiben Ausfallrisiken möglichst auszuschließen, hat Dirostahl in eine Ultraschall-Prüfanlage investiert. ❧ Mona Willrett

„Wir wollen, dass der Kunde zurück kommt, nicht das Produkt“, sagt Dr. Manfred Diederichs. „Unser Unternehmen steht für Qualität. Deshalb legen wir größten Wert auf sichere Prozesse“, so der Geschäftsführende Gesellschafter der Dirostahl Karl Diederichs KG in Remscheid weiter. Das sei vor allem auch deshalb so wichtig, weil viele der bei Dirostahl gefertigten Werkstücke in sicherheitskritischen Bereichen zum Einsatz kommen – etwa als Planetenräder in Getrieben von Off-Shore-Windkraftanlagen. „Wenn ein solches Getriebe versagt, entstehen Kosten im siebenstelligen Bereich“, gibt der Firmenchef zu bedenken. Eine Reparatur auf See sei nicht möglich. Stattdessen werde die komplette Gondel getauscht und der Schaden an Land behoben. „Um das zu vermeiden, legen unsere Kunden größten Wert auf Ausfallsicherheit, und wir arbeiten hart dafür, dass unsere Werkstücke absolut zuverlässig funktionieren.“
Das Streben nach Qualität beginnt bereits beim Einkauf des Rohmaterials. „Wir kaufen nur hochwertigen Stahl, weitgehend aus deutschen Hütten“, betont Diederichs. Je nach Einsatzfeld des späteren Bauteils, sei es wichtig, dass schon der Rohstahl möglichst wenig Wasserstoff enthalte. „Deshalb kaufen wir nur entgastes Material. Und wenn das Werkstück das erfordert, glühen wir den Stahl später noch, um den Wasserstoffgehalt weiter zu reduzieren.“ Das sei beispielsweise bei Lagerringen für Kraftwerkswellen entscheidend. „Sie haben eine Weißmetallschicht, durch die Wasserstoff nicht hindurchdiffundieren kann. Er könnte sich deshalb unter dieser Schicht sammeln, Blasen bilden und im Extremfall die Schicht aufplatzen lassen. Wenn das geschieht, können sie das Kraftwerk auseinandernehmen. Aufwand und Kosten wären immens“, begründet der Schmiedespezialist.
Um hier sowohl für die Kunden als auch fürs eigene Unternehmen Sicherheit zu schaffen, prüft Dirostahl jedes Bauteil vor der Auslieferung mittels Ultraschall auf Einschlüsse und feinste Hohlstellen. Dabei wird nicht nur auf die Größe einzelner Unregelmäßigkeiten geachtet, sondern auch auf deren Häufung. „Selbst winzigste Hohlstellen, die für sich genommen völlig unkritisch sind, könnten zum Problem werden, wenn sie sich auf kleinem Raum häufen“, erläutert Diederichs. Dann nämlich, wenn sie sich unter der Betriebslast zu einem Fehler kritischer Größe vereinigen.
Bis vor wenigen Jahren untersuchten die Materialprüfer der Remscheider Freiformschmiede die fertigen Ringe mit Ultraschall-Handgeräten. „Das Ergebnis war zum Teil auch vom Prüfer und dessen Tagesform abhängig“, blickt der Chef zurück. Der Prüfer musste die Sonde in kontinuierlichen, leicht überlappenden Bahnen über das Werkstück führen und dabei mit einem Auge den Bildschirm nach Unregelmäßigkeiten absuchen. Mit dem anderen hielt er seine Handbewegung im Blick – um sicherzustellen, dass sich die Bahnen tatsächlich überlappen und nicht etwa ein Fehler unentdeckt bleiben konnte. „Diese Leute mussten hochkonzentriert arbeiten“, sagt Diederichs. „Über eine ganze Schicht gesehen, war das extrem anstrengend.“
Um diese Situation zu verbessern, investierte Dirostahl 2014 in eine automatisierte Ultraschall-Prüfanlage, die Ringe bis zum Durchmesser von 3,5 m, einer Höhe von 2 m und einem Gewicht von maximal 10 t im Mehrschichtbetrieb untersucht. Werkstoffprüfer Christian Horn vergleicht: „Um einen kleinen Ring mit einem Durchmesser von 600 Millimeter zu prüfen, brauchten wir früher von Hand etwa eine Stunde, diese Anlage schafft das heute in fünfzehn Minuten.“ Entdecken könne man mit der Anlage Verunreinigungen ab etwa 0,5 mm Größe. Zudem lassen sich die Daten zu 100 % speichern, archivieren und bei Bedarf jederzeit wieder vollständig abrufen. Bestätigt die Anlage dem Ring eine einwandfreie Qualität, steht der Auslieferung nichts mehr im Weg. Entdeckt sie jedoch Unregelmäßigkeiten, wird auch heute noch die betreffende Stelle mit der Handsonde genauer untersucht. Ist die Abweichung unkritisch, dann erhält das Teil die Freigabe. Bewegt sie sich jedoch im Grenzbereich, wird der Kunde informiert. Er hat dann die Möglichkeit, das betreffende Werkstück selbst zu prüfen und zu entscheiden, ob die Abweichung noch im vertretbaren Rahmen liegt oder das Teil verschrottet werden muss. „Wir sind abhängig vom Vormaterial“, sagt Manfred Diederichs. „Wenn das Verunreinigungen enthält, dann haben auch wir keine Chance.“ Muss das Teil neu hergestellt werden, kann sich die Auslieferung erheblich verzögern. Vor allem dann, wenn es sich um einen ausgefallenen Werkstoff handelt oder die Vor- und Nachbehandlung besonders aufwändig sind. Auch deshalb verwendet Dirostahl nur hochwertige Rohmaterialien.
Als die automatisierte Ultraschallanlage 2014 in Remscheid aufgestellt wurde, war sie die 13. ihrer Art weltweit. „Für Generator- oder Turbinenwellen gab es das schon eher“, erzählt Diederichs. Weil die Nachfrage nach Ringen und Lochscheiben für sicherheitsrelevante Anwendungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, ließ Diederichs seine Ultraschall-Prüfanlage gleich mit zwei Prüfplätzen ausstatten. So kann – während die Messung läuft – auf dem zweiten Platz bereits das nächste Teil gerüstet werden.
Neben dem Ultraschall setzen die Schmiedespezialisten von Dirostahl noch weitere Prüfverfahren ein – etwa die Farbeindringprüfung, um feine Oberflächenrisse sichtbar zu machen, oder eine Magnetpulver-Rissprüfung. „Neuerdings haben wir auch tragbare Röntgengeräte, mit denen wir bestimmen können, welche Legierungsbestandteile im Stahl enthalten sind“, berichtet Diederichs. Dazu hätten die Mitarbeiter sogar entsprechend der Röntgenverordnung geschult werden müssen.
Solch aufwändige Prüfungen sind teuer und sie lohnen sich vor allem dann, wenn ein Versagen des Werkstücks entsprechend hohe Kosten verursacht oder Menschenleben von der sicheren Funktion abhängen. „Der Kunde muss entscheiden, was er will und was er braucht“, sagt Manfred Diederichs. Dem einen oder anderen Einkäufer seien diese Kosten schwierig zu vermitteln. Viele schauten nur auf den Preis, ohne zu beachten, was dahinterstecke. Dabei könne diese Art der Materialprüfung dem Kunden trotz des Mehraufwands erhebliche Kosten einsparen. Um die gleiche Ausfallsicherheit gewährleisten zu können, müsste manches sicherheitsrelevante Bauteil laut Diederichs aus viel teurerem Grundmaterial hergestellt werden. Eine Alternative seien beispielsweise Stähle, die mittels Elektroschlacke-Umschmelzverfahren hergestellt wurden. „Dann reden wir aber über einen zwei- bis dreifach höheren Materialpreis für einen hochwertigen Stahl gegenüber einem Rohmaterial, das mit unserem Vorgehen zu einer vergleichbar hohen Ausfallsicherheit führt“, betont der Schmiedeexperte.
Gerade im Bereich besonders anspruchsvoller Bauteile auch wirtschaftliche Lösungen bieten zu können, sieht Diederichs als einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. „Hier schützt uns unser Gesamtangebot davor, dass Kunden beispielsweise in Asien einkaufen. Unsere Geschäftspartner wissen, hier bekommen sie Qualität und erstklassigen Service.“
Auch die Remscheider haben auf dem Weg zum heutigen Know-how das eine oder andere Mal Lehrgeld bezahlt. Doch das sieht der Seniorchef durchaus positiv, wenn er augenzwinkernd sagt: „Erfahrung ist die Summe aller Fehler, die man selbst gemacht hat.“ Und um diese Erfahrung zu sammeln, hatte Dirostahl viel Zeit. Die Wurzeln des Familienunternehmens reichen bis ins Jahr 1902 zurück, die heutige Dirostahl Karl Diederichs KG wurde 1931 gegründet. Doch das Schmiedehandwerk hat bei den Diederichs eine noch viel längere Tradition. Stolz erzählt der Chef: „Unsere direkten Vorfahren haben bereits vor über 400 Jahren hier im Bergischen Land geschmiedet.“ Heute beschäftigt das Unternehmen im Remscheider Stadtteil Lüttringhausen knapp 500 Mitarbeiter. Neben dem Freiformschmieden anspruchsvoller Wellen bis zu einer Länge von 15 m sowie dem Walzen von Ringen mit Durchmessern bis 3,5 m gehört auch die mechanische Bearbeitung und die Wärmebehandlung der Bauteile zum Leistungsangebot.
„Trotz all der Möglichkeiten, die moderne Prüftechnik heute bietet, besteht die Herausforderung noch immer darin, hochwertige Werkstücke herzustellen. Qualität kann man nicht ins Bauteil hineinprüfen“, betont Manfred Diederichs.
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