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Die dritte Generation Bio-Werkstoffe klopft an

Biopolymere in technischen Anwendungen – ein Verbundprojekt am Kunststoff-Institut Lüdenscheid
Die dritte Generation Bio-Werkstoffe klopft an

In allen Industriebereichen werden vermehrt biobasierte Werkstoffe eingesetzt oder nachgefragt. Seit Jahren wächst der Markt um 20 % und mehr. Jetzt steht die dritte Generation an: Biopolymere für technische Anwendungen.

Statt auf begrenzt verfügbare fossile Rohstoffe setzt die Industrie immer öfter auf nachwachsende Biomaterialien. Damit reagieren die Produkthersteller nicht nur auf steigende Rohstoffpreise, sondern stärken zugleich ihr Profil als nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in der Öffentlichkeit.

Forschung und Entwicklung beschäftigen sich seit über 30 Jahren mit Biopolymeren. Produkte der ersten Generation konnten sich allerdings nicht marktgerecht entwickeln, was nicht zuletzt auf die ursprünglich fehlenden politischen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Inzwischen hat die zweite Generation dieser Werkstoffgruppe aber erfolgreich Einzug gehalten, meist in Form von kommerziell vertriebenen Verpackungsmaterialien. In der Landwirtschaft haben sich abbaubare Ackerfolien bewährt, die den Bauern das Einsammeln nach der Ernte ersparen und einfach untergepflügt werden können.
Liegt der Fokus in der zweiten Generation der Biokunststoffe noch auf dem Einsatz abbaubarer Materialien, so ist die dritte Generation vornehmlich technischen Anwendungen vorbehalten: Fossile Monomere werden gegen biobasierte substituiert. Es entstehen technische Polymere, die ganz oder teilweise biobasiert sind und Eigenschaftsprofile ähnlich den petrochemischen Pendants aufweisen.
Zusätze optimieren die Eigenschaften biobasierter, biologisch abbaubarer Polymere im Blick auf die Produktlebensdauer oder die Temperaturbeständigkeit. Am Beispiel des Werkstoffs PLA (Polylactid) wird die Entwicklung deutlich: Erste Hersteller bieten materialspezifische, halogenfrei flammgeschützte Compounds an, die die RoHS-Richtlinie erfüllen und auf den Einsatz von rotem Phosphor, Antimon und Zink als Flammschutz verzichten. Damit öffnen sich die Tore zu höherwertigen Anwendungen, die gesteigerte Materialkennwerte erfordern (Fotos).
In der dritten Generation ist der Begriff „Biokunststoff“ wie folgt definiert: Er muss
  • auf nachwachsenden Rohstoffen basieren,
  • über eine biologische Abbaubarkeit verfügen oder
  • beide Kriterien gleichzeitig erfüllen.
Petrochemisch basierte Polymere werden dann als Biopolymere bezeichnet, wenn sie biologisch abbaubar oder „kompostierbar“ sind. Diese Produkte werden jedoch hauptsächlich wegen ihrer guten Abbaubarkeit vermarktet und kommen daher für technische Bauteile eher nicht in Frage.
Häufig werden auch die konventionellen, petrochemisch basierten Polymere wie PP als Biopolymere bezeichnet, wenn sie mit einem Anteil an Naturfasern oder Holzmehl gefüllt sind (NFK, Naturfaserverstärkter Kunststoff und WPC, Wood Plastic Composites). Hier wird der Begriff „Biopolymer“ jedoch unscharf und bedarf einer Definition zur Höhe des Füllgrads, die die Bezeichnung „Biopolymer“ rechtfertigt. Grundsätzlich wird durch den Einsatz dieser Füll- und Verstärkungsstoffe der Anteil konventioneller Materialien reduziert, so dass diese lediglich als Trägermaterialien zum Einsatz kommen.
Insbesondere biobasierende Materialien, die inzwischen einen hohen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen haben können, sind in der Lage, konventionelle Materialien erfolgreich zu ersetzen. Am Beispiel des auf Rizinusöl basierenden Polyamids werden deren Vorteile deutlich: Sie liegen in einer geringeren Schwindung oder reduzierten Feuchtigkeitsaufnahme. Durch den Zusatz von Füll- und Verstärkungsstoffen lassen sich die mechanischen Eigenschaften und die Wärmeformbeständigkeit positiv beeinflussen.
Die Entwicklung von Biopolymeren ist trotz Wirtschaftskrise ungebremst und hat besonders 2009 einen Entwicklungsschub erlebt. Das liegt nicht zuletzt darin begründet, dass viele Unternehmen gerade in schwierigen Zeiten in dieses zukunftsträchtige Thema investieren. Der Markt für Biopolymere wächst in Europa seit Jahren mit Wachstumsraten von mehr als 20 %.
So betrug 2009 die weltweite Produktionskapazität bereits über 400 000 t, wobei die nicht kompostierbaren Biopolymere noch einen sehr geringen Anteil ausmachten. Im Blick auf den zu erwartenden Markt der technisch biobasierten Materialien ist insbesondere in diesem Segment mit einer Steigerung der Produktionskapazitäten zu rechnen.
Gemessen am Gesamtkunststoffmarkt von weltweit etwa 250 Mio. t stehen Biokunststoffe noch am Anfang. Analysten vergleichen diese Situation mit der Markteinführung der heutigen Standardkunststoffe (PP, PE) vor vielen Jahren. Grundsätzlich gilt, dass ein wachsendes Angebot von Polymertypen mit durchaus ähnlichen Eigenschaften eine wichtige Voraussetzung dafür darstellt, die Technologie- und Markteinführung zu beschleunigen.
Diesen Trend unterstützt auch das Kunststoff-Institut mit dem aktuell angebotenen Verbundprojekt „Einsatz nachhaltiger Materialien – Technische Anwendungen biobasierter Werkstoffe“, das in Kooperation mit der ISK Iserlohner Kunststoff-Technologie GmbH und der FH Südwestfalen durchgeführt wird.
Im Verbundprojekt werden die Themen Material, Werkzeug, Verarbeitung und Oberfläche untersucht. Ausgewählte Testreihen sollen Aufschluss über die Umsetzungsmöglichkeiten geben. Schwerpunkte bilden Materialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe und naturfaserverstärkte Kunststoffe. Der Einsatz von Sonderverfahren beim Spritzgießen oder der Oberflächentechnik genießt besondere Bedeutung. Projektstart war im April.
Julia Schmitz, Michael Tesch Kunststoff-Institut Lüdenscheid
www.kunststoff-institut.de Kunststoff-Institut auf der K: Halle 6, Stand D76
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