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„Die Partner ändern sich, nicht aber das gelernte Spiel der Zusammenarbeit“

Continental-E-Mobil-Experte Herbert Halamek über das neue Ökosystem der Elektromobilität
„Die Partner ändern sich, nicht aber das gelernte Spiel der Zusammenarbeit“

Elektromobilität verlangt nach neuen Elementen in einem neuen Ökosystem bei enger gekoppelten Partnerschaften. Für Herbert Halamek, Key Project Manager E-Mobility Solutions der Continental Automotive GmbH, ist das Thema der Vernetzung als zusätzlicher Lösungsstrang gesetzt.

Herr Halamek, trotz zahlreicher E-Mobil-Initiativen und Serienankündigungen der Automobilhersteller fahren derzeit nur wenige Tausend Elektroautos auf deutschen Straßen. Die Politik fordert bis 2020 hierzulande eine Million alternativer Mobile. Für wie realistisch halten Sie diese Vorgabe?

Genaue Zahlen zu nennen, währe Kaffeesatzleserei. Zwar wird der konventionelle Verbrennungsmotor nach einhelliger Meinung noch viele Jahre den Markt bestimmen, doch ist jetzt der Zeitpunkt gekommen sich auf das beginnende Zeitalter der Elektroautos vorzubereiten. Tatsächlich stehen jetzt erstmals in der schon langen Geschichte der Elektromobilität Technologien zur Verfügung, die das Fahren mit Strom sinnvoll werden lassen.
Für dieses und nächstes Jahr sind einige Serienstarts angekündigt. Was muss geschehen, um möglichst rasch Serieneinführungen zu realisieren?
Um eine möglichst schnelle Serieneinführung von alltagstauglichen Elektrofahrzeugen zu erreichen, muss nicht nur an Antriebskomponenten gearbeitet werden. Es muss eine Kommunikations-Infrastruktur etabliert werden, die den sinnvollen Einsatz von Elektrofahrzeugen erst möglich macht. Die heutige auf fossilen Brennstoffen basierende individuelle Mobilität hat sich über lange Jahre ein eigenes „Ökosystem“ aus Zulieferern, Herstellern, Tankstellen, Ölkonzernen, Versicherungen und neuerdings auch Datenlieferanten entwickelt. Die Elektromobilität verlangt jedoch nach neuen Elementen in einem neuen Ökosystem und wesentlich enger gekoppelte Partnerschaften.
Diesem neuen Ökosystem wird wohl nicht so viel Zeit eingeräumt werden wie dem aktuellen, das ja über viele Jahrzehnte gewachsen ist…
Eine tragende Rolle hat hier sicherlich wiederum das alte Spiel von Angebot und Nachfrage. Ist die Elektromobilität attraktiv genug, um genügend Interessenten für sich zu gewinnen? Dann wird es auch die Marktteilnehmer geben, die sich um die schnelle Etablierung des zugehörigen Ökosystems kümmern.
Worin sehen Sie den größten Unterschied zwischen dem neuen und dem bisherigen Ökosystem – abgesehen davon, dass neue Player ins Spiel kommen?
Fahrzeughersteller werden im neuen Ökosystem ihr Angebot um Dienstleistungen erweitern. Für den Fahrer oder Fahrzeugeigner kommt die Batterie als neues wesentliches Fahrzeugelement hinzu. Es entsteht die Möglichkeit, das Fahrzeug zu kaufen und die Batterie zu leasen oder gar nur das Fahrzeug zu kaufen und Batterien im Rahmen eines Dienstleistungsangebots zu nutzen und auch zur Verlängerung der Reichweite wechseln zu können.
Künftig werden Branchen wie Energie, IT oder Chemie kooperieren, die heute kaum Berührungspunkte und damit wenig Erfahrung haben. Birgt das nicht viele Risiken in sich?
Die Automobilindustrie lebt seit vielen Fahrzeuggenerationen davon, unterschiedlichste Branchen miteinander in Verbindung zu bringen, um kostengünstige, bequeme, sichere und immer sparsamere Fahrzeuge zu bauen. Es ändern sich also Partner, aber nicht das gelernte Spiel der Zusammenarbeit.
Wie groß sehen Sie die Chance, dass die von Continental propagierte Plattform auf breiten Konsens in der Branche trifft?
Die Schwachpunkte der Elektromobilität sind heute analysiert. Daher ist das Thema der Vernetzung als ein zusätzlicher Lösungsstrang bereits gesetzt. Wir sind mit unserer langjährigen Telematik-Erfahrung einer der präferierten Elektronikzulieferer und haben mit unserem Partner-Netz die beste Basis, um Automobilherstellern interessante Lösungen anzubieten.
Welchen Wertschöpfungsanteil an dieser Plattform steuert Ihr Haus bei, was kommt von Partnern?
Continental ist bei diesen Projekten sowohl Systemintegrator als auch Elektro- niklieferant. Die Hardware, die im Fahrzeug verbaut wird, stammt von uns. Die IT-Infrastruktur wird von einem Partner übernommen. Die Fahrzeugelektronik im Zusammenspiel mit der IT-Infrastruktur bildet die Plattform, auf der sämtliche Systembeteiligte den Austausch von Informationen und Daten mit dem Fahrzeug und untereinander abwickeln können.
Ist diese virtuelle Schalt- und Informationszentrale ein ebenso strategisch zentrales Element in der E-Mobil-Entwicklung wie die Batterie?
Fahrzeuge mit elektrischem Antriebsstrang werden mit einer Mischung aus unterschiedlichen Technologien erfolgreich. Als größte Hürde für den Siegeszug des Elektroautos im Alltagseinsatz gilt die Angst vor dem abrupten Ende der Fahrzeugreichweite: Über die intelligente Vernetzung und die klare Fahrerinformation kann dieser Sorge entgegengetreten werden. Dafür werden deutlich mehr Informationen benötigt, als die bloße Zielentfernung und der aktuelle Ladestand der Akkus. Denn mit jedem Stau und jeder Steigung, ja sogar mit Temperaturschwankungen und damit dem verstärkten Einsatz der Klimaanlage ändert sich die Reichweite zum Teil erheblich.
Wie lange schätzen Sie wird es dauern, bis E-Mobile permanent online verbunden und mit den nötigen Informationen versorgt werden?
Es wird im ersten Schritt eine heterogene Landschaft entstehen. Es wird Fahrzeuge geben, die ohne besondere Vernetzung fahren und es wird Fahrzeuge geben, die von Anfang an auf die Vernetzung hin optimiert sind. Den besonderen Charme der Elektromobilität werden jedoch nur die letztgenannten Fahrzeuge mit all ihren Möglichkeiten der Vernetzung ausstrahlen.
Wenn intelligentes, gesteuertes Laden nur mit Informationstechnik möglich ist – werden dann diejenigen, die IT beherrschen, die neuen Geschäftsmodelle prägen?
Wenn wir unsere ehrgeizigen Ziele in den Bereichen Sicherheit und Klimaschutz erreichen wollen, dann wird die Rolle der Informationstechnologie weiter an Bedeutung gewinnen. Wer am Ende die Geschäftsmodelle prägen wird, lässt sich heute nicht sagen.
Wie kann ein heutiger klassischer Lieferant von Komponenten und Systemen hiervon profitieren? Wie sollte er sich heute aufstellen?
Es geht immer darum, die Lösungen für die anstehenden Probleme zu suchen. Welche Probleme gibt es – in dem eigenen Produktumfeld im Hinblick auf die veränderten Marktbedingungen – und wie kann man selbst diese Probleme lösen? Auf diese Antworten kommt es am Ende des Tages an.
Geschäftsmodelle und Partnerschaften werden also zum zentralen Element für den Erfolg neuer Mobilitätskonzepte?
Der Erfolg neuer Mobilitätskonzepte ist direkt abhängig von den Autofahrern. Wenn wir es schaffen, dass Autofahrer ein Elektrofahrzeug künftig genau so spontan, autark, flexibel und genussvoll nutzen können wie heute einen Benziner oder Diesel, dann haben wir unseren Job richtig gemacht.
Herbert Halamek ist Referent beim „Dritten Deutschen Elektro-Mobil-Kongress“, der am 8. und 9. Juni in Bonn stattfindet. Weitere Informationen: www.e-mobil-kongress.de
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