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„Die Potenziale der NC-Technik sind noch lange nicht ausgeschöpft“

Bihler-Chef Mathias Bihler über die Trends in der Stanz-Biege-Technik
„Die Potenziale der NC-Technik sind noch lange nicht ausgeschöpft“

Die Zukunft in der Stanz-Biege-Technik gehört den NC-Systemen. Sie sind flexibler, produktionseffizienter und präziser als konventionelle Anlagen. Das sagt Mathias Bihler, geschäftsführender Gesellschafter der Otto Bihler Maschinenfabrik GmbH & Co. KG in Halblech.

Herr Bihler, welche Trends sehen Sie in der Stanz-Biege-Technik?

In den nächsten Jahren werden NC-Systeme unser Geschäftsfeld massiv prägen und ganz neue Möglichkeiten schaffen. Viele der Aufgaben, die Kunden uns heute stellen, sind anders gar nicht mehr zu lösen. NC-gesteuerte Anlagen sind viel schneller und einfacher umzurüsten als Kurven-gesteuerte und dadurch deutlich flexibler. Das ist angesichts schrumpfender Losgrößen eine Voraussetzung, um künftig in Ländern wie Deutschland erfolgreich produzieren zu können.
Warum sind NC-Systeme im Stanz-Biegen erst seit relativ kurzer Zeit ein Thema?
Wir brauchen sehr kompakte Module, die hohe Kräfte liefern. Diese Komponenten gibt es noch nicht sehr lange. Hier hat sich die Technik in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Andererseits muss man auch sehen: Wir haben bereits vor zehn Jahren die ersten NC-Maschinen an Kunden ausgeliefert. Seitdem haben wir uns immer intensiv mit dem Thema beschäftigt und ständig weiter entwickelt. Auf der Euroblech 2010 feierte dann unser modulares NC-Fertigungs- und Montagesystem Bimeric vor einem breiten Fachpublikum Premiere. Von diesem Produktionssystem arbeiten mittlerweile über 20 bei Kunden verschiedener Branchen.
Welche Vorteile bietet die NC-Technik gegenüber mechanischen Anlagen?
Viele – und mit jeder realisierten Applikation werden es mehr! Das fängt bei den um bis zu 70 Prozent reduzierten Rüstzeiten an. Dann lässt sich jede einzelne Achse frei programmieren. Dadurch ist es möglich, die Bewegungsprofile – unabhängig von der Hublage – immer am Optimum zu orientieren und die Geschwindigkeit perfekt an die Materialspezifikationen anzupassen. Zum Teil laufen die NC-Systeme mit bis zu 250 Takten pro Minute. Jede Einstellung lässt sich mit geringem Aufwand exakt reproduzieren. In der Summe führt das zu einer besseren Teilequalität sowie deutlich besserer Standzeit der Werkzeuge und Produktivität.
Angesichts dieser Vorteile: Welche Rolle werden mechanische Anlagen künftig noch spielen?
Die Grenzen der NC-Technik sind noch lange nicht erreicht. Wir werden hier in den nächsten Jahren noch viele interessante Lösungen sehen. Ich vergleiche das gerne mit der Kameratechnik. So wie in der Fotografie die Digitaltechnik wird die NC-Technik das Stanz-Biegen revolutionieren. Trotzdem werden mechanische Systeme ihre Daseinsberechtigung behalten, etwa in der reinen Massenfertigung. Auch dort, wo besonders große Kräfte und eine hohe Dynamik gefragt sind, ist die Mechanik derzeit noch im Vorteil.
Auf der Messe Wire stellen Sie ihr NC-Fertigungssystem GRM-NC erstmals einem breiten Fachpublikum vor. Ist das eine komplette Neukonstruktion?
Die Grundstruktur ist neu. Das war nötig, weil die Maschine für höhere Presskräfte und dynamischere Prozesse ausgelegt ist, als die bisherigen Modelle. Die GRM-NC arbeitet mit Presskräften von bis zu 40 Tonnen, die GRM 50 und die GRM 80 erreichen 25 und 30 Tonnen. Die NC-Module kommen aus unserem Bimeric-Baukasten.
Welche Ziele haben Sie mit dem neuen Fertigungssystem?
Das Ziel lautet immer, die Produktivität zu steigern und den Materialeinsatz zu minimieren. Das verbessert die Wettbewerbsfähigkeit und Marktposition unserer Kunden – jetzt und in der Zukunft. Damit das gelingt, müssen die Anwender ihre bisherigen Werte – ihre Werkzeuge – weiterhin nutzen können. Deshalb haben wir konsequent darauf geachtet, dass die neue Maschine zu den bisherigen Modellen voll kompatibel ist.
Welche Potenziale birgt die NC-Technik?
Am besten in Zahlen fassen können wir das im Moment bei der Rüstzeit: Für den gleichen Umrüstumfang, der auf einer mechanischen Anlage acht Stunden dauerte, brauchten wir auf einer NC-Maschine nur noch eine Stunde. Durch die enge Bindung zu unseren Kunden entdecken wir fast täglich neue Potenziale.
Was erwarten Sie von der NC-Technik auf geschäftlicher Seite?
Was das Produktionsvolumen angeht, erwarte ich einen deutlichen Zuwachs bei den NC-Anlagen. In einigen Bereichen unserer Produktion haben wir bereits heute ein fast ausgeglichenes Verhältnis zwischen NC-Systemen und konventionellen mechanischen Anlagen. Aber jede neue Technologie braucht auch Anwender, die sich darauf einlassen. Was wir jedoch deutlich sehen: Alle Kunden, die wir bislang für die Technologie begeistern konnten, sind damit global sehr erfolgreich.
Wie sieht es mit der viel zitierten Interaktion zwischen Mensch und Maschine aus?
Die muss viel intensiver werden. Wir müssen dem Bediener helfen, komplexe Prozesse zu beherrschen. Das kann zum Beispiel über Video-Sequenzen, Text- oder Bildinformationen geschehen, die in der Steuerung hinterlegt sind. Qualifizierten Bedienern kann das helfen, Prozesse zu optimieren, angelernte Kräfte könnten damit kleinere Störungen selbstständig beheben. Aber auch hinsichtlich einer vorbeugenden Wartung bietet die NC-Technik ganz neue Möglichkeiten. Und was bislang vielfach unterschätzt wird: Die heutige Jugend wächst mit Computern, iPad und Co. auf. Digitale Systeme zu bedienen ist für sie selbstverständlich.
Vor einiger Zeit haben Sie eine Art Effizienz-Tachometer vorgestellt, ein System, das anzeigt wie gut ein Prozess gerade läuft. Was ist daraus geworden?
Dieses MES genannte System überwacht die Prozesse, wertet Parameter und Störungen aus und zeigt an, wo und wie sich die Effizienz verbessern lässt. Es stammt von unserem Partner ViewSystems, wurde aber an unsere Schnittstellen und Anforderungen angepasst. Testsysteme, die bei einigen Kunden im Einsatz sind, haben gezeigt: es funktioniert. In einem Fall waren die ermittelten Daten beispielsweise die Basis, um ein Problem zu erkennen, es zu beheben und dadurch den Teileausstoß von 40 auf 100 Stück pro Minute zu steigern. Nun müssen wir noch einige Details optimieren. Ich hoffe, dass das System bis zur Jahresmitte serienreif ist.
Welchen Einfluss hat der Trend zu Hochleistungswerkstoffen auf Ihre Anlagen?
Als Konsequenz aus der Entwicklung zu höherer Materialeffizienz und zum Leichtbau müssen wir vermehrt dünnere Bänder aus Werkstoffen mit höheren Festigkeiten verarbeiten. Das wirkt sich vor allem auf die Werkzeugtechnik aus, erfordert aber auch robuste und dynamische Maschinen. Um die Standzeiten der Werkzeuge zu verbessern, brauchen wir gerade beim Stanzen höhere Schnittgeschwindigkeiten. Auch hier hilft uns die NC-Technik, weil wir die Bewegung beim eigentlichen Schneidvorgang beschleunigen können.
Steigt die Bedeutung moderner Materialien auch als Rohstoff für Ihre Produkte?
Im Maschinenbau derzeit noch nicht, im Werkzeugbau schon. Dort kommen vermehrt pulvermetallurgische Stähle zum Einsatz. Aber nicht nur die Werkstoffe sind ein Thema, auch die Fertigungsverfahren. Beispielsweise können wir heute mit der PEM-Technik – einem elektrochemischen Abtragsverfahren – filigranste Stempel herstellen, die hervorragende Standzeiten erreichen. Einer der Gründe dafür sind Formen und Geometrien, die sich mit klassischen Verfahren nicht realisieren ließen.
Wie können Sie als Maschinenbauer Ihren Kunden helfen, die Materialeffizienz zu verbessern?
Wir arbeiten schon immer eng mit unseren Kunden zusammen, um die bestmögliche Lösung für ein Fertigungsproblem zu finden. Zu unseren Stärken gehört dabei, auch unkonventionell zu denken und neue Ansätze zu suchen. Ein Beispiel dafür ist die Fertigung von Dichtungsringen bei Freudenberg. Statt sie wie bisher in einem Tiefziehprozess herzustellen, haben wir gemeinsam mit dem Kunden und Trumpf ein Verfahren entwickelt, bei dem die Ringe aus Schmalband umgeformt und Laser-geschweißt werden. Auf einer Anlage – sie basiert auf unserer Bimeric-Technologie – spart Freudenberg durch die SUL genannte Technologie jetzt pro Jahr rund 1800 Tonnen Stahl ein. Der CO2-Ausstoß über die ganze Prozesskette reduzierte sich um etwa 2700 Tonnen. Zudem konnten wir den beim Tiefziehen nötigen Schmierstoff einsparen. Übrigens: Das Verfahren wurde mit dem Deutschen Innovationspreis 2011 und mit dem Innovationspreis für Klima und Umwelt ausgezeichnet.
Mehr zur GRM-NC Seite 40 Bihler auf der Messe Wire: Halle 10, Stand F18
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