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Digitale Helfer statt Krankenschwestern

Ambient assisted Living: Exportschlager für Deutschland
Digitale Helfer statt Krankenschwestern

Intelligente Assistenzsysteme, die auf Mikrosystemtechnik, IT und Robotik basieren, erleichtern alten und kranken Menschen das Leben. Die EU fördert ihre Entwicklung jetzt massiv.

„Hallo Susi, hier spricht dein Fön!“ Was vor 30 Jahren in dem Sketsch von Komiker Otto Waalkes noch Irritationen bei Susi Sorglos auslöste, ist heute schon vielfach in unserem Alltag üblich: „Nutzer können mit solchen Systemen, die sie in ihren alltäglichen Handlungen nahezu unbemerkt unterstützen und ihnen Kontroll- und Steuerleistungen abnehmen, alters-, aber auch krankheitsbedingte Einschränkungen weitgehend kompensieren“, erklärt Birgid Eberhardt, die beim VDE in Frankfurt das Projekt Ambient Assisted Living (AAL) koordiniert.

AAL ist der Oberbegriff für entsprechende Systeme, die laut VDE zum Exportschlager „Made in Germany“ werden könnten. Denn Deutschland verfügt über eine gute Position in den drei dafür notwendigen Technologiefeldern: IT-Systeme, Mikrosystemtechnik und Robotik. „Es sind ganze Systeme aus Sensoren, Rechnern und intelligenten Programmen, die zusammenwirken und selbständig reagieren“, erklärt Klaus-Dieter Lang, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM), Berlin. Deshalb werden AAL-Systeme interdisziplinär entwickelt. Mehrere Fraunhofer-Institute arbeiten in einer AAL-Allianz zusammen. BMBF und VDE haben eine Innovationspartnerschaft aus der Taufe gehoben.
So sorgen Experten der Mikrosystemtechnik dafür, dass beispielsweise an Patienten rund um die Uhr alle möglichen Vitalparameter wie Körpertemperatur, EKG, Puls, Sauerstoffsättigung oder Körperfett gleichzeitig aufgezeichnet und beobachtet werden können. Diese Daten werden auf IT-Systeme wie PDAs übertragen – und über Netze an Ärzte oder Pflegedienste übertragen.
Die Sensoren können dabei auch in ein Gebäude integriert werden: So entwickelt die Future-Shape GmbH, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, großflächige Sensorsysteme, die in Fußböden integriert werden. Dies sind Näherungssensoren zur orts- und zeitaufgelösten Bewegungsanalyse. Sie registrieren, wenn ein Bewohner gestürzt ist und Hilfe benötigt. Das System ist wie so viele noch nicht marktreif. Die Algorithmen und Software will das Unternehmen im Rahmen eines Projekts ermitteln, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert. Innerhalb der EU sollen zwischen 2008 und 2013 insgesamt 600 Mio. Euro Fördergelder in AAL-Projekte fließen.
Die Technik birgt zum einen Vorteile für den Patienten: „Er kann auch bei ständiger Kontrolle in seiner gewohnten Umgebung bleiben. Zudem erkennt die Technik Unregelmäßigkeiten eher als der Patient. Bei einem Schlaganfall kann das bis zu zwei wertvolle Stunden ausmachen“, sagt Michael Huch, der im Auftrag des BMBF für die europäische Programmkoordination zuständig ist.
Zum anderen sparen die Systeme dem Gesundheitssystem bares Geld: So verursachen durch Telemonitoring gut eingestellte Diabetes-Patienten bis zu 90 % weniger Betreuungskosten als Patienten mit dauerhaft zu hohen Blutzuckerwerten, die häufiger stationär behandelt werden müssen, rechnet der VDE vor. Durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft stellt AAL für das Gesundheitssystem eine große Chance dar, kostengünstige und effektive Lösungen bereitzustellen.
IZM-Forscher Lang: „Wichtig ist, dass die Systeme uns nicht behindern. Daher müssen die Geräte immer kleiner werden und sich an die Gegebenheiten anpassen. So muss man T-Shirts mit Sensoren auch waschen können.“ Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Technik zusammenzubringen. Lang: „Niemand möchte schließlich zehn Geräte mit sich herumtragen.“
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Begleiter überwacht Atmung

Wie ein digitales Überwachungssystem für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen aussehen kann, zeigen die beiden Fraunhofer-Institute für Software- und Systemtechnik (ISST) sowie für Integrierte Schaltungen (IIS): Ein PDA protokolliert das Verhalten, erinnert an die Atemübungen, bietet telemedizinische Dienstleistungen, einen direkten Draht zu Therapeuten – und schlägt passende Radtouren vor. Ein in ein T-Shirt integriertes Messsystem überwacht die Atemwerte während der Fahrt. Diese Daten kann der Arzt in der Folge auslesen. Bei dem Messsystem handelt es sich um zickzackförmige Leiterbahnen, die bei Dehnung ein elektrisches Signal abgeben. Das die Rohdaten aufnehmende Modul hat die Größe eines Streichholzbriefchens.

Kein Strom aus der Steckdose
Die Energieversorgung gesundheitlicher Überwachungssysteme ist ein großes Thema. Denn diese muss klein sein und kabellos funktionieren. Dazu bedienen sich die Hersteller des Energy Harvesting. „Dabei versorgt sich ein System mit Energie aus seiner unmittelbaren Umgebung“, erklärt Professorin Olfa Kanoun von der TU Chemnitz. Ein Fahrraddynamo etwa arbeitet nach diesem Prinzip. Begünstigt durch die Miniaturisierung lassen sich heute Vibrationen, Temperaturunterschiede, Luftströmungen und mechanische Bewegungen nutzen. So haben die Forscher aus Chemnitz auch Strom für Hörgeräte gewonnen – aus Kau-Bewegungen.
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