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Fertigung: Digitale Prozesse erfordern neue Mitarbeiterkompetenzen

Fertigungstechnik
Digitale Prozesse erfordern Mitarbeiter mit veränderten Kompetenzen

Neue technische Lösungen helfen, Produktionsprozesse schneller und sicherer zu gestalten. Doch nur wer Abläufe komplett überdenkt, kann die Potenziale ausschöpfen.

❧ Mona Willrett

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen abends gemütlich im Biergarten, während ein paar Kilometer weiter Ihr Maschinenpark Späne macht. Oder Bleche schneidet und gemäß Kundenvorgaben in Form biegt. Und Sie haben trotzdem alles unter Kontrolle, können sofort reagieren, wenn ein Parameter aus dem Ruder läuft… Smarte Lösungen für die Prozessüberwachung machen´s möglich.

Doch nicht nur Ihnen als Chef oder Produktionsleiter erleichtert moderne Technik das Leben. Auch Instandhaltungsmanager oder Maschinenführer, die mehrere Anlagen betreuen, profitieren von den Möglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist der neue Home-Bildschirm, den Hermle für seine Bearbeitungszentren mit Siemens- oder Heidenhain-Steuerung anbietet. Damit lassen sich die Bildschirminhalte individuell konfigurieren, so dass wesentliche Informationen in einer Oberfläche zentralisiert zur Verfügung stehen und einen schnellen Überblick erlauben. In Kombination mit HACS – das Hermle Automation-Control-System erleichtert das Planen von Produktionsabläufen sowie von Werkzeugen und deren Einsatzdauer – können auch auftragsrelevante Infos auf dem Home-Bildschirm angezeigt werden. Gerade der Bedienkomfort und die Nutzung von Informationstools wie HIMS – die Hermle Information-Monitoring-Software erleichtert das Überwachen und Steuern der Bearbeitungszentren aus Gosheim – sind wichtige Bausteine um die Maschinen für einen effizienten Einsatz fit zu machen. Auf dem Home-Bildschirm lassen sich aber auch die aktuellen Daten anderer Anlagen darstellen, die über HIMS-Funktionalität verfügen. So hat der Bediener wichtige Informationen aller von ihm betreuten Maschinen stets im Blick, egal an welcher er gerade arbeitet. Bei Mehrmaschinenbedienung steigert sowohl die Produktivität als auch die Prozesssicherheit.

Ein anderes Beispiel, wie Produktionsbetriebe von moderner Technik und digitaler Vernetzung profitieren können, liefern clevere Servicelösungen. Sie steigern die Verfügbarkeit der Fertigungsanlagen und minimieren das Risiko kostspieliger Produktionsstillstände. Mit diesem Anspruch bietet DMG Mori seinen Net-Service an. Zusammen mit dem Celos Connector und der darauf abgestimmten Service-Camera, die den Livestream von der Maschine direkt in die DMG Mori-Hotline ermöglicht, soll das System neue Maßstäbe für Remote-Services im Werkzeugmaschinenbau setzen. Im Gegensatz zu einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung lassen sich beim neuen Net-Service über die Konnektivitätsdienste selbst mehrere Experten mittels Konferenzfunktion zusammenschalten. Bediener, Hotliner, Servicetechniker und andere Experten können im unmittelbaren Kommunikationsverbund agieren und Probleme schnell lösen.

Instandhaltung – einfach und effizient

Net-Service ist Teil des neuen Monitoring- und Servicepakets, das den einfachen Einstieg in die Digitalisierung ermöglichen soll. Das Paket enthält zudem den IoTconnector fürs sichere Anbinden der Maschinen, den Messenger zur Visualisierung des aktuellen Maschinenzustands sowie die Cockpit App. Die DMG Mori-Tochter Werkbliq bietet eine herstellerübergreifende Plattform an, die alle Beteiligten im Instandhaltungsprozess miteinander vernetzt. Mit 15 verschiedenen Modulen bietet das Unternehmen ein umfangreiches Werkzeug, um den gesamten Instandhaltungsprozess effizienter und einfacher zu gestalten. Neben der Abbildung individueller interner Prozesse bietet die Plattform auch die Möglichkeit, mit Geschäftspartnern zu kommunizieren.

Welche Potenziale die digitale Vernetzung eröffnen kann, zeigen Laserprozesse in besonderem Maße. Sie lassen sich von der Steckdose bis zur Prozesszone in Daten abbilden, überwachen und steuern. Deshalb sind die Optiken, Sensoriken und Strahlquellen von Trumpf auf die Integration in die Datenwelt der Smart Factory vorbereitet. So stehen die Daten für viele Industrie-4.0-typische Anwendungen zur Verfügung. Die Laser-Remote-Anbindung über ein sicheres IT-Konzept ermöglicht es zudem, die Applikationserfahrung und das Know-how der Ditzinger für Services wie Condition Based Monitoring oder Predictive Maintenance zu nutzen. Die Daten laufen über verschlüsselte Leitungen in einer Cloud zusammen, wo Algorithmen und Experten aus Fleisch und Blut sie auswerten. Unregelmäßigkeiten sowie deren Auswirkungen lassen sich voraussehen und die Maschinenverfügbarkeit so signifikant erhöhen.

Auch Trumpf bietet unter dem Label TruServices smarte Lösungen, mit denen sich die Anlagen des Blechbearbeitungs- und Laserspezialisten ortsunabhängig vernetzen lassen. Übersichtlich aufbereitete Daten erhöhen die Prozesstransparenz und das wiederum hilft, die Produktivität zu steigern und die Kosten zu senken. Das Sicherheitssystem wird laut Trumpf inzwischen auch von vielen kleineren Kunden akzeptiert. Sie können genau definieren, welche Daten weitergeleitet werden. Die Offenheit, gesteht der Maschinenbauer, sei allerdings größer, wenn es darum gehe, Anlagendaten zu teilen und so eine hohe Verfügbarkeit zu sichern. In Bezug auf Prozessdaten reagierten viele Kunden nach wie vor eher restriktiv.

Dass die Digitalisierung im Unternehmen brummt, das betont auch Dr. Mathias Kammüller. Laut dem Chief Digital Officer von Trumpf wirken im gesamten Unternehmen bereits über 500 Mitarbeiter an mehr als 30 Projekten der Digitalen Transformation mit. „Wir haben jüngst mehr Software- als Hardware-Ingenieure eingestellt“, unterstreicht Kammüller. Auch unter den Auszubildenden habe sich die Zahl der Informatiker und Systemintegratoren im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Und in allen anderen Ausbildungsberufen werde ein deutlich höherer Schwerpunkt bei den IT-Themen gesetzt – etwa beim Berufsbild Mechatroniker. Zudem stellte Trumpf in Ditzingen den ersten Ausbilder für vernetze Industrie ein.

Art der Zusammenarbeit verändert sich

Überhaupt seien die Veränderung bei den nötigen Mitarbeiterkompetenzen und der Art des Zusammenarbeitens wohl der größere Wandel, als die neuen technischen Lösungen – etwa Maschinen mit Tablet-Steuerung –, sagt Kammüller. „Die Erfahrung mit den bisherigen Industrie-4.0-Projekten bei Trumpf zeigen sowohl in der Entwicklung als auch in der Fertigung: Bereichsübergreifendes Arbeiten in agilen, sich selbst organisierenden Teams gewinnt an Bedeutung.“ Künftig werde die Verknüpfung von Informations- und Produktionstechnik stärker im Fokus stehen. Kompetenzen in der IT sowie in der Netzwerk- und Funktechnologie seien gefragte Qualifikationen. Die zunehmende Vernetzung aller Prozessschritte führe auch dazu, dass soziale Fähigkeiten wie Selbstorganisation, Flexibilität, Selbstlernkompetenz, Lernbereitschaft und -fähigkeit, innovatives Denken und Kommunikationsfähigkeit an Bedeutung gewinnen, betont der CDO.

Und Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des Geschäftsbereichs Werkzeugmaschinen bei Trumpf, ergänzt: „Beim Thema Fachkräftemangel geht es nicht nur um die Zahl der benötigten neuen Mitarbeiter, sondern vor allem um deren Qualifikation. Es sind nicht nur mehr, sondern auch anders qualifizierte Mitarbeiter gefragt.“ Um die Vorteile neuer Verfahren nutzen zu können, brauche es unter anderem Konstrukteure neuen Typs, die willens und fähig sind, Bauteile und Komponenten neu zu denken und verfahrensgerecht umzusetzen. Wichtig sei außerdem, dass die Branche – vom Ausrüster bis zum Produktionsbetrieb – für den Nachwuchs attraktiv bleibe, insbesondere im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, die nicht nur hipp sind wie die IT-Industrie, sondern Mitarbeitern auch eine hohe Zeitsouveränität einräumten. Prokop betont: „Hier ist Kreativität gefragt, um dabei die Kosten im Zaum zu halten.“

Auch Dr. Christof Bönsch, ehemaliger Geschäftsführer der Besigheimer Komet Group, sieht starke Veränderungen hinsichtlich der Anforderungen an die Mitarbeiter in einer wandlungsfähigen Produktion. Hohe Veränderungsbereitschaft, permanentes und schnelles Lernen, Methodenkompetenz sowie die Fähigkeit, Lösungen eher methodisch und weniger erfahrungsbasiert zu finden, seien wesentliche Merkmale. „Veränderung ist dauerhaft und nicht mehr von Einzelereignissen getrieben“, sagte er vor kurzem beim Komet Ideen Forum. Change Management sei damit kein Prozess, sondern eine dauerhafte, kontinuierlich anzupassende Managementaufgabe geworden. Zudem sei das hervorstechende Merkmal der Globalisierung längst nicht mehr nur der grenzüberschreitende Handel von Waren, sonder die globale Arbeitsteilung bei deren Herstellung.

Produktion muss atmen können

Ein zentrales Merkmale einer wandlungsfähigen Produktion ist laut Bönsch – neben der Universalität, Mobilität, Modularität und Kompatibilität – die Skalierbarkeit. Eine wandlungsfähige Produktion müsse technisch, räumlich, aber auch personell atmungsfähig sein. Letzteres gelinge beispielsweise über moderne Arbeitszeitmodelle. Assistenzsysteme und Cloud-Funktionen könnten dazu beitragen, die Arbeitswelt flexibler und einfacher zu gestalten, unter anderem indem sie alle Daten auf einen Blick zur Verfügung stellen, einen direkten Maschinenzugriff erlauben oder automatische Datensicherungen durchführen.

Ebenfalls im Rahmen des Komet Ideen Forums sagte Unternehmensberater Fabian Kienbaum: „Digitaler, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel verlangen Anpassungen in Unternehmen und bei den Arbeitsweisen.“ Statt starrer Arbeitsmethoden stünde selbstbestimmtes Handeln im Vordergrund. Zudem vermischten sich die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben zusehends.

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