Startseite » Technik » Fertigung »

„Direkter Draht zum Kunden ist wichtig“

Dr. Jochen Kress, Mitglied der Mapal-Geschäftsleitung, über die Chancen des Mittelstands
„Direkter Draht zum Kunden ist wichtig“

Stabile Rahmenbedingungen, eine gute Infrastruktur und die langfristige Strategie der meist Inhaber-geführten Betriebe sieht Dr. Jochen Kress als wichtige Gründe für die Stärke des deutschen Mittelstands. Er gehört der Geschäftsleitung des Werkzeugspezialisten Mapal Dr. Kress KG an. §

Autor: Mona Willrett

Herr Dr. Kress, was macht den deutschen Mittelstand so stark?

Aus meiner Sicht bilden mehrere Aspekte das Fundament für die Stärke unseres Mittelstands. Die meisten Betriebe haben Eigentümer, die ihr Unternehmen mit einer langfristigen Orientierung führen. Da sie mit dem eigenen Kapital arbeiten, ist es für sie einfacher als für börsennotierte Konzerne, in sehr langfristige Zukunftsprojekte zu investieren – vor allem dann, wenn sich deren Nutzen nicht von vornherein klar kalkulieren lässt. Dazu kommen die lange Tradition, die große Erfahrung und der gute Ruf vieler Betriebe. Ganz wichtig ist aber auch die Infrastruktur in Deutschland. Die Möglichkeit, einfach und auf kurzen Wegen ein Netzwerk aus Zulieferern, Partnerunternehmen und Forschungseinrichtungen zu knüpfen, die sich gegenseitig befruchten, ist in dieser Form einzigartig. Es hat einen Grund, dass die bedeutendsten Hersteller von Premiumfahrzeugen in einem Umkreis von nur 250 Kilometern sitzen. Außerdem profitieren wir natürlich von unseren gut ausgebildeten und erfahrenen Fachkräften.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um diese Stärke künftig zu erhalten?
Wir müssen den Netzwerkgedanken und die nötige Infrastruktur weiter ausbauen. Einzelkämpfer werden künftig kaum noch eine Chance haben. Außerdem brauchen wir auch in Zukunft einen direkten Draht zum Kunden. Nur so werden wir weiterhin wissen, welche Bedürfnisse er hat und welche Produkte er braucht. Ansonsten gehe ich davon aus, dass sich unsere guten Rahmenbedingungen nicht so schnell dramatisch ändern werden. Wir haben hier einen guten Bildungsstand, eine gute Infrastruktur, wenig Naturkatastrophen und die längste Friedenszeit, die es in Europa je gab. Das Resultat ist: Wir können uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren – auf unser Geschäft.
Worin sehen Sie die größten Gefahren für den deutschen Mittelstand?
Ein Risiko ist für viele auf eine spezielle Nische ausgerichtete Mittelständler, dass ein Generalist ihren Markt übernimmt oder der Markt verschwindet. Ein weiteres Risiko ist eine Folge unseres hohen Lebensstandards, nämlich höhere Löhne und Kosten. Um das auszugleichen, muss die Wertschöpfung pro Mitarbeiter und Zeiteinheit deutlich höher sein als in anderen Ländern. Erreichen lässt sich das auf zwei Wegen: Entweder produzieren wir pro Zeiteinheit mehr oder wir schaffen Produkte, die einen echten Mehrwert bieten. Unser Angebot muss so attraktiv sein, dass der Kunde bereit ist, einen höheren Preis zu akzeptieren, und wir uns damit die Fertigung in Deutschland weiterhin leisten können. Ein Beispiel dafür ist unser neuer, ungleich geteilter Kegelsenker, der bei höheren Schnittgeschwindigkeiten ruhiger läuft, geringere Kräfte erfordert und bessere Oberflächen liefert. Aufgrund seiner Eigenschaften sind Kunden bereit, mehr zu bezahlen als für die bisherige Ausführung.
Welche Chancen bieten sich dem Mittelstand – etwa durch die Globalisierung?
Die Chance ist natürlich ein dramatischer Zugewinn an Marktgröße. Um die nutzen zu können, muss man allerdings auch den höheren Anforderungen gewachsen sein. Das Geschäft wird in allen Bereichen erheblich anspruchsvoller. Nicht nur, dass man sich mit anderen Kulturen, Sitten, Sprachen und rechtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen muss, wichtig ist vor allem auch, weltweit die gleiche Qualität und Leistung sicherzustellen. Das erfordert eine Menge Ressourcen – sowohl finanzielle als auch personelle – und setzt damit in der Regel eine gewisse Unternehmensgröße voraus.
Welche Chancen und Risiken birgt das Thema Industrie 4.0 für den Mittelstand?
Das größte Risiko wäre, sich nicht damit zu beschäftigen! Ich sehe in vernetzten Prozessen viele Chancen. Mit Hilfe der Digitalisierung können wir die unternehmensinterne Effizienz erheblich verbessern und die Wünsche und Anforderungen unserer Kunden gezielter, besser, schneller und mit weniger Aufwand erfüllen. Extern eröffnet uns Industrie 4.0 ganz neue Geschäftsmodelle. Wir müssen heute darüber nachdenken, mit welchen Angeboten wir künftig nah am Kunden bleiben und den direkten Kontakt sichern können. Und wir müssen unbedingt verhindern, dass sich ein anderer Player zwischen uns und unsere Kunden schiebt und wir nur noch Lieferant einer Plattform sind.
Lässt sich der Entwicklungsaufwand für eine vernetzte Produktion stemmen?
Das Entwickeln und Implementieren der entsprechenden Produkte und Prozesse erfordert zum Teil hohe Investitionen und auch den Aufbau ganz neuer Fertigkeiten. Als Mittelständler muss man sich fragen, was wirklich wichtig ist, welche Produkte man braucht und wie man seine Ressourcen sinnvoll einsetzt. Und: Man muss nicht alles selbst entwickeln und produzieren. Mitunter kann es sinnvoll sein, auf den Erfahrungen anderer Branchen aufzubauen.
Haben Mittelständler gegen die Großindustrie langfristig eine Chance?
Wichtig ist, die Spielregeln zu verstehen, nach denen der Markt funktioniert, den man bedienen will. Überall wo die Entwicklungs- und Produktionskosten hoch sind – etwa im Maschinen- oder Automobilbau –, ist eine kritische Unternehmensgröße fast zwingend erforderlich. Auch Mapal braucht als Lieferant von global aktiven Großserienfertigern eine gewisse Größe, um seine Leistungen weltweit in derselben Qualität anbieten zu können. Und auch innovative Forschungs- und Entwicklungsprojekte muss man sich leisten können. In anderen Branchen – etwa in der Entwicklung von Software oder Internetangeboten – scheinen mir beispielsweise Agilität und Flexibilität entscheidender als die reine Unternehmensgröße.
Werden kleinere Unternehmen künftig mehr kooperieren oder fusionieren müssen?
Wenn die geringe Größe so wie oben beschrieben ein Vorteil ist, dann kann man alleine bleiben. Wenn es aufgrund der äußeren Gegebenheiten oder des Geschäftsmodells eine gewisse Größe braucht, bin ich eher ein Freund von klaren Verhältnissen. Das hat wahrscheinlich mit unserer Erfahrung als Sonderwerkzeughersteller zu tun. Wir wollen möglichst alle Prozesse in der Hand haben und sehen virtuelle Firmen deshalb eher kritisch. Im Bereich der Entwicklung sind Kooperationen dagegen auch für uns sinnvoll. Denn wenn Player aus unterschiedlichen Bereichen sich gegenseitig befruchten, entstehen häufig Innovationen. Insofern wird die Digitalisierung der Produktion sehr interessant. Durch die Zusammenarbeit von Maschinenbauern und Software-Technikern wird es ganz neue Möglichkeiten geben.
Wie groß sehen Sie gerade für innovative Betriebe die Gefahr von Spionageangriffen?
Derzeit schätze ich das Risiko, dass ein Mitarbeiter Daten entwendet, höher ein als die Gefahr von Angriffen von außen. Möglicherweise könnte jedoch genau dies ein Problem werden. Allerdings rechne ich erst damit, wenn wir eine wirklich durchgängige Datenkette haben. Im Moment sehe ich das größere Problem darin, die relevanten Daten immer dort schnell und einfach verfügbar zu haben, wo sie gerade gebraucht werden.
Wie schätzen Sie das Thema Fachkräftemangel für den Mittelstand ein?
Das ist ein großes Thema – wir können vor der demografischen Entwicklung nicht die Augen verschließen. Das Angebot an Fachkräften wird schrumpfen, der Preis steigen. Deswegen müssen wir uns rechtzeitig um den Nachwuchs kümmern. Und wir müssen als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Wichtige Themen sind dabei sichere und moderne Arbeitsplätze, aber auch weichere Aspekte wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. •
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de