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Dünne Schichten für breite Einsatzzwecke

Oberflächentechnik: Industrielle Plasmabeschichtung
Dünne Schichten für breite Einsatzzwecke

Dünne Schichten für breite Einsatzzwecke
In einer Plasmaaktivierungsanlage lassen sich Kunststoffoberflächen etwa zur Verklebung vorbereiten. Auch können damit Verkleidungen so behandelt werden, dass Wasser nicht mehr an ihnen abperlt. So ist die anschließende Behandlung mit wasserlöslichen Farben möglich Bild: Plateg
Die industrielle Plasma-Oberflächentechnik ist bei Anwendern im Maschinenbau noch längst nicht flächendeckend eingeführt. Dabei verspricht sie Leistungssteigerungen für die behandelten Produkte und punktet auf der Ökoseite.

„Eine eierlegende Wollmilchsau gibt es in unserer Branche nicht“, stellt Dr. Reinar Grün klar, Geschäftsführer der Siegener Plateg GmbH und Sprecher des VDMA-Arbeitskreises Plasma-Oberflächentechnik, während des VDMA-Praxistags „Oberflächen für die Komponentenindustrie“. Zu verschieden seien die einzelnen Verfahren. Ebenso vielfältig stellt sich der Einsatz im Maschinenbau dar: „Viele Anwendungsbereiche gilt es noch zu erschließen“, befindet Dr. Martin Riester, technischer Manager beim VDMA.

Während das Plasmanitrieren von Stahloberflächen zum Zweck des Korrosions- und Verschleißschutzes beispielsweise bei Kettenrädern oder Kunststoffspritzformen längst gang und gäbe ist, zögern die Anwender noch in anderen Feldern. So seien die Potenziale für das Plasmaaktiveren von Kunststoffoberflächen oder die Plasmareinigung noch bei weitem nicht ausgeschöpft.
Dr. Grün kennt das Problem: „Wir hören noch immer, dass die Plasmabehandlung generell zu teuer sei. Dabei erweist sie sich in vielen Fällen als überaus wirtschaftlich.“ Dr. Georg Erkens, Geschäftsbereichsleiter Systeme bei der Sulzer Metaplas GmbH. Bergisch Gladbach, bestätigt dies: Ein Kunde habe durch das Plasmanitrieren von Schaltwellen Kosteneinsparungen von 20 bis 25 % im Vergleich zum alten Produktionsablauf erzielt. „Statt zehn sind nun nur noch drei Prozessschritte notwendig, nämlich Bearbeitung, Reinigung und Plasmanitrieren“, so seine Erklärung. Vorher bestand der Prozess aus Spanen, Reinigen, Abdecken, Einsatzhärten, erneutem Reinigen, Richten, Schleifen, der partiellen Verchromung, dem Wasserstoff-Freiglühen und abschließendem Schleifen.
„Die Plasmawärmebehandlung lässt sich direkt in die Fertigung integrieren“, fasst Dr. Siegfried Strämke, Geschäftsführer der Eltro GmbH in Baesweiler, zusammen. Und dieses Kostenplus erziele man bei einer gleichzeitigen Leistungssteigerung des Bauteils: Dazu gehören laut Dr. Erkens ein besserer Korrosionsschutz, eine erhöhte Ermüdungsfestigkeit sowie eine reduzierte Reibung.
Das betrifft im Prinzip alle Bereiche, in denen im Laufe der Zeit durch Bewegung Verschleiß auftritt. Die Plasmatechnik kommt daher nicht nur im Motorenbau zum Einsatz, sondern in allen Einsatzfeldern der Antriebstechnik – vom allgemeinen Maschinenbau bis hin zur Luftfahrttechnik. Und die Experten sind sich einig, dass die Technik in Zukunft bei allen Komponenten greifen wird, bei denen der Verschleißschutz erhöht werden muss.
Als weiteren Vorteil sehen sie die Umweltfreundlichkeit der verschiedenen Verfahrensvarianten. „Die industrielle Plasma-Oberflächentechnik kann in vielen Bereichen umweltbelastende Verfahren der Galvanotechnik ersetzen“, argumentiert Dr. Grün. So stellt sie einen ökologisch sinnvollen Ersatz für das verbotene sechswertige Chrom (CR VI) zur Verfügung: Mittels Plasmanitrieren wird für Bauteile wie Schrauben oder Gewinden sowohl das Korrosions- als auch das Verschleißverhalten verbessert. Der als Vorteil der galvanischen Gelbchromatierung herausgestellte Selbstheileffekt ist für plasmanitrierte Teile überhaupt nicht mehr notwendig, da bei gleicher Belastung der Korrosionsschutz schlicht nicht beschädigt wird.
Sulzer Metaplas hat mit Ionit Ox ein entsprechendes Verfahren als Ersatz für Hartchrom und Salzbadnitrieren entwickelt. Im Vergleich zu diesen beiden Verfahren erweist es sich laut Dr. Erkens bei einer Schichtdicke von 20 µm zudem als wesentlich korrosionsbeständiger, wie Salzsprühnebelprüfungen nach DIN 50021-SS belegen. Als Cr-Substitution wird das Verfahren beispielsweise für Kugelzapfen und Koppelstangen einer Vorderachse im Automobilbau eingesetzt.
Doch auch für eine 2,5 m hohe und 2 t schwere Mobilkranhydraulik kommt es zum Zug. „Der Fertigungsablauf konnte in dem Fall vereinfacht werden“, so Dr. Erkens. Der Kolben wird fertig gedreht, die Zylinderfläche geschliffen. Dann folgt die Behandlung mit Ionit Ox. Der Experte: „Ein Nachschleifen nach der Behandlung ist nicht mehr notwendig.“ Das Verfahren hat sich zudem beim Einsatz für Komponenten im Kontakt mit Bio-Diesel als verlässlich erwiesen.
Auch das Plasma-Aktivieren stellt sich als umweltfreundliches Verfahren dar: So behandelt Plateg Kunststoff-Instrumententafeln für den Mercedes-Benz SL, damit diese mit Leder beklebt werden können. Dr. Grün: „Das ist im Prinzip die einzige Möglichkeit, um die Behandlung mit lösungsmittelhaltigen Klebern oder aber ein aufwändiges Aufrauen der Oberfläche zu vermeiden.“
Das ist in der Automobilindustrie heute der Status quo. Weitere Potenziale zur Leistungssteigerung bieten die Mikrostrukturierung oder gradierte Schichtstrukturen. „In Bezug auf die Werkstoffe sind keine Forschungssprünge mehr zu erwarten, wohl aber durch das strukturierte Aufbringen von Schichten“, ist sich Professor Kirsten Bobzin vom Institut für Oberflächentechnik der RWTH Aachen sicher. So verbessert sich etwa in einer Multilayer-Architektur von Aluminiumoxid und Titanium Aluminium Nitriden (TiAIN) die Zähigkeit der Schichten entscheidend. Die Professorin erforscht nanokristalline TiAIN-Körner, die in eine amorphe Siliciumnitrid-Matrix eingebettet sind.
Diese Nanocomposites weisen laut Professor Bobzin eine sehr gute Oxidationsbeständigkeit, hohe Härten und eine extreme Festigkeit auf. Hinzu kommt: Risse breiten sich darin nicht aus. Und die Werkstoffe verhalten sich quasi-isotrop. In der Praxis des Flugzeugbaus haben sich solche Schichtarchitekturen bewährt: So nutzt MTU etwa nanostrukturierte PVD-Multilayer zum Erosionsschutz bei Verdichterschaufeln in Flugturbinen.
Und so genannte MCrAIY-Bindungsschichten – Legierungen aus Nickel (Ni) oder Cobalt, kombiniert mit Cr, Al und Yttrium – werden unter anderem für das Reparaturlöten einkristalliner Turbinenschaufeln auf Ni-Basis-Superlegierungen eingesetzt. Der große Vorteil, so die Professorin: „Die Materialkosten lassen sich im Griff halten.“
Sabine Koll
Fachjournalistin in Böblingen
Im Flugzeugbau bewähren sich Schichtarchitekturen
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