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ECTA-Präsident Markus Horn über die Ziele des europäischen Branchenverbands

Präzisionswerkzeuge
ECTA-Präsident Markus Horn über die Ziele des europäischen Branchenverbands

ECTA-Präsident Markus Horn über die Ziele des europäischen Branchenverbands
„Die globalen Lieferketten sind inzwischen extrem komplex. Eine gute Kommunikation ist deshalb für alle Beteiligten enorm wichtig, um weiterhin erfolgreich agieren zu können“, sagt Markus Horn. Der Präsident der European Cutting Tool Association (ECTA) ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Paul Horn GmbH in Tübingen. Bild: Sauermann/Paul Horn
Der Europaverband ECTA der Präzisionswerkzeughersteller will die Länderverbände vernetzen und durch den Dialog die Branche insgesamt voran bringen. ECTA-Präsident Markus Horn ist überzeugt: Durch die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg profitieren alle Beteiligten. ❧

Mona Willrett

Herr Horn, welche Ziele haben Sie sich für Ihre erste Amtszeit als Präsident der European Cutting Tool Association gesetzt?

Wir wollen den Informationsaustausch und das Networking auf europäischer Ebene voranbringen. Was national in den Verbänden bereits gut funktioniert, nämlich der Informationsaustausch und die gemeinsame Arbeit an Themen, die die gesamte Branche betreffen, wollen wir europaweit etablieren. In diesem Sinn wollen wir in der Öffentlichkeit als Verband wahrgenommen werden.

Geht es nur darum, die Länderverbände zu vernetzen und in den Dialog zu bringen?

Wir haben zwei Zielsetzungen. Zum einen soll die Zusammenarbeit zwischen den Verbänden hinsichtlich Zahlen, Daten und Fakten – sprich Marktinformationen – auf- und ausgebaut werden. Dadurch erhalten wir einen transparenteren Markt. Genauso wichtig ist uns, dass sich die Unternehmen untereinander austauschen, feststellen, dass andere ähnliche Probleme haben und man gemeinsam mehr erreicht. Wir alle können viel voneinander lernen, wenn wir uns darüber austauschen, wie bestimmte Regelwerke in den einzelnen Ländern umgesetzt werden. Wir wollen nicht in den Wettbewerb mit nationalen Verbänden treten, aber auch niemanden ausschließen. Deshalb haben Unternehmen aus Ländern, in denen es kein entsprechendes Organ gibt, auch die Möglichkeit, direkt Mitglied der ECTA zu werden.

Wie unterscheidet sich die Arbeit der ECTA von der in den nationalen Verbänden?

Wir sind nicht so groß aufgestellt wie die entsprechenden Verbände in den Ländern. Organe wie der VDMA und dessen Fachverband Präzisionswerkzeuge haben sowohl personell als auch technisch eine ganz andere Ausstattung – und damit auch andere Möglichkeiten. Das gilt sowohl für Normungsthemen als auch für die Vertretung der Mitgliederinteressen beispielsweise in Berlin oder Brüssel. Wir können zwar auf die Ressourcen zugreifen, uns geht es aber – wie gesagt – in erster Linie darum, den Dialog zu fördern und Länderverbände, Unternehmen sowie Entscheider zusammenzubringen, die gemeinsam mehr erreichen können als jeder für sich, die sich aber ohne europaweites Netzwerk vielleicht nie begegnet wären.

Wie können die Länderverbände oder Unternehmen voneinander profitieren?

Manche länderspezifischen Regularien unterscheiden sich, teilweise auch die Umsetzung europäischer Regeln. Durch einen länderübergreifenden Dialog können wir voneinander lernen, wie man bestimmte Themen auch anders angehen und am Ende vielleicht zu einer besseren Lösung kommen kann. Ein Beispiel: In Deutschland beschäftigen wir uns schon lange mit dem Datenschutz. Wir hatten hier bereits vor der DSGVO ein sehr hohes Niveau erreicht. Andere können da von unserer Erfahrung profitieren. Aber genauso gut könnten wir erkennen, dass sich einzelne Aspekte in unseren Partnerländern einfacher und damit auch kosteneffizienter handhaben lassen.

Will die ECTA europäischen Anbietern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber amerikanischen oder asiatischen verschaffen?

Die globalen Lieferketten sind inzwischen enorm komplex. Viele von uns sind weltweit aktiv, auch mit eigenen Produktionsstätten. Insofern geht es nicht darum, uns einen Vorteil zu verschaffen. Vielmehr wollen wir dazu beitragen, Probleme zu lösen. Und ein wichtiges Mittel dazu ist eben die Kommunikation zwischen den Beteiligten.

Außerdem: Weil es keinen Weltverband für Zerspanwerkzeuge gibt, veranstalten wir neben unserer ECTA Conference seit Jahren auch die World Cutting Tool Conference. Sie soll den weltweiten Informationsaustausch der Branchenmitglieder fördern.

Wo liegen aus ECTA-Sicht aktuell die größten Herausforderungen?

Die Unternehmen der Zerspanungs- und Spanntechnik kämpfen aktuell mit der allgemeinen Konjunkturschwäche. Die Handelskriege haben ebenso Auswirkungen auf das Geschäft wie der Strukturwandel in der Automobilindustrie, unserer wichtigsten Abnehmerbranche. Hinzu kommt, dass das Coronavirus die Weltwirtschaft bedroht.

Welche technischen Themen stehen in nächster Zeit auf europäischer Ebene an?

Im technischen Bereich geht´s in erster Linie um Fragen der Standardisierung. Hier arbeiten die nationalen Verbände bereits intensiv zusammen und haben einen guten Arbeitsrhythmus gefunden. In der Forschungszusammenarbeit steckt noch viel Potenzial, denn Forschungsprojekte sind üblicherweise strikt national geprägt. Wir haben vor ein paar Jahren ein erstes Forschungsvorhaben mit Beteiligung von Instituten aus Österreich, Belgien und Deutschland abgeschlossen. Aktuell läuft ein Vorhaben zum Thema generative Fertigung von Werkzeugen.

Wie unterscheiden sich die europäischen Marktzahlen von den deutschen?

Es gibt auf europäischer Ebene noch keine Zahlen, die eine statistisch normierte Aussage ermöglichen. Die ECTA hat mit entsprechenden Erhebungen begonnen, aber eine klare europäische Sicht zu bekommen ist eine Herausforderung. Das Set an Zahlen und Daten der nationalen Verbände unterscheidet sich teilweise. So ist es in einigen Ländern üblich, Marktinformationen von Herstellern und Händlern zusammenzufassen. Andere Länder – wie Deutschland – konzentrieren sich auf die Produktion. Zusätzliche Daten zu erheben, ist in der Regel mit der Frage nach dem Nutzen verbunden. Wir sind gerade dabei, einen Grunddatensatz zusammenzutragen, der dann auch wieder an die nationalen Verbände zurückgespielt wird. Man muss aber ganz klar sagen: Die statistischen Auswertungen, die wir vom VDMA gewöhnt sind, haben bereits ein hohes Niveau.

Wie lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Präzisionswerkzeughersteller auf dem Weltmarkt weiter ausbauen?

Wir erleben heute leider vielerorts eine Politik der Abschottung. Es werden Hindernisse aufgebaut, um den Handel zu erschweren oder die Wirtschaft wird für politische Ziele in Haftung genommen. Wenn wir in Europa weiter mit eigener Wertschöpfung erfolgreich sein wollen, dann müssen wir sicherstellen, dass wir uns untereinander verstehen und uns gegenseitig beliefern können. Wer nur die eigenen Interessen im Blick hat, denkt zu kurz. Viele hören das nicht gerne, aber Konkurrenz belebt das Geschäft, denn ein Laden macht noch keine Shopping-Meile. Das heißt aber auch, dass man sich kontinuierlich weiterentwickeln muss.

Welches sind die wichtigsten Märkte für die europäischen Werkzeughersteller?

Europa ist für unsere Branche der größte und bedeutendste Markt. Zwei Drittel unserer Produkte und Leistungen liefern wir an Kunden innerhalb Europas. Der wichtigste Markt außerhalb Europas sind die USA. Etwa jedes zehnte europäische Zerspanwerkzeug geht nach Amerika. Während das Geschäft in den USA in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um fünf Prozent gewachsen ist, war es im zweitgrößten außereuropäischen Markt, in China, um 16 Prozent rückläufig.

Welche Auswirkungen hat der Brexit?

Dass Großbritannien aus der EU ausgetreten ist, sehe ich kritisch. Es ist zu erwarten, dass der Warenaustausch – aufgrund von Zoll- und sonstigen Formalitäten – künftig schwieriger wird. Das trifft insbesondere kleinere Unternehmen auf beiden Seiten. Für sie bricht jeweils ein Markt ganz oder in Teilen weg. Aber auch für die größeren Marktteilnehmer wird das Geschäft schwieriger. Während der ganzen Zeit, in der um den Brexit gerungen wurde, haben wir gesehen, dass Firmen ihre UK-Niederlassungen heruntergefahren oder geschlossen haben. Viele außereuropäische Unternehmen sahen das Vereinigte Königreich – aufgrund der Sprache – als guten Zugang zum europäischen Markt. Das wird so nicht mehr stattfinden. Ob sich Großbritannien damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich.


ECTA in Kürze

In der European Cutting Tool Association (ECTA) sind die nationalen Verbände der europäischen Hersteller von Zerspanwerkzeugen und Spanntechnik zusammengeschlossen. Das Ziel ist, die Branche europaweit zu vernetzen und im intensiven Dialog gemeinsame Probleme zu lösen sowie voneinander zu lernen. ECTA soll die Arbeit der Länderverbände auf internationaler Ebene unterstützen und so – etwa durch die Koordination nationaler Aktivitäten – dazu beitragen, die Kräfte zu bündeln. Derzeit gehören der ECTA folgende Länderverbände an:

  • VDMA (Deutschland)
  • SYMOP (Frankreich)
  • UCIMU (Italien)
  • Swissmem (Schweiz)
  • AFM (Spanien)
  • BHECTA c/o MTA (Großbritannien)

sowie die Einzelunternehmen Sutton Tools, Niederlande, und ATA Group, Irland.

Die nächste ECTA Conference findet vom 25. bis 27. Juni 2020 in Bordeaux statt. Weitere Informationen: www.ecta-tools.org

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