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Toolmanagement: Prozesse optimieren Fertigung bei Toyota Motorsport

Toolmanagement
Effizienz-Formel für den großen Erfolg

Toyota will endlich in Le Mans siegen. Neben einem Quentchen Glück ist perfekte Vorbereitung und eine fehlerfreie Produktion die Basis dafür. Toolmanager Mapal hilft dabei. ❧

Mona Willrett

Le Mans 2017. Nach einer Unterbrechung in der zweiten Qualifikation geht Kamui Kobayashi auf seine erste fliegende Runde an diesem Donnerstagabend. Knapp 3 min und 15 s später: strahlende Gesichter an der Box des Toyota-Gazoo-Racing-Teams, die Konkurrenz schaut eher nachdenklich aus den TV-Schirmen. Kobayashi hat den Rundenrekord um gut 2 s unterboten. Der schnellste Porsche auf Platz 2 liegt knapp 2,5 s zurück. Auf die Frage seines Renningenieurs, wie er die Runde empfunden habe, antwortete der Japaner trocken: „Quite good.“ Er ist sicher, noch schneller fahren zu können.

Kobayashis Toyota TS050 Hybrid gehört zu den technisch anspruchsvollsten Rennwagen der Motorsportgeschichte. Das Reglement erlaubt in dieser Fahrzeugklasse nur eine bestimmte Energiemenge pro gefahrener Runde. Offiziell leistet das Antriebssystem des TS050 rund 1000 PS. Die Hälfte davon liefert ein V6-Turbomotor an die Hinterräder. Die Kraft der beiden Elektromotoren können die Fahrer nach Bedarf auf die Vorder- und Hinterachse verteilen. Dabei variieren sie die Einstellung – abhängig von der Witterung und der Streckencharakteristik – zum Teil von Kurve zu Kurve.

Während die Antriebseinheit des TS050 aus Japan kommt, werden Chassis und Aerodynamik bei der Toyota Motorsport GmbH (TMG) in Köln entwickelt und gebaut. Zu den Spezialisten dort gehört Marcel Voigt. Er leitet die CNC-Produktion.

Von Cost- zum Profit-Center

Wie die Rennwagen sind auch die Fertigungsprozesse bei TMG auf höchste Effizienz getrimmt. „Wir schaffen heute im Einschichtbetrieb fast den gleichen Output an Teilen wie noch vor wenigen Jahren in drei Schichten“, sagt Voigt. Diese Verbesserung sei zu etwa 20 % das Ergebnis weiterentwickelter Technik – eines höheren Automationsgrads der Maschinen und leistungsfähigerer Werkzeuge –, der Rest gehe aufs Konto optimierter Prozesse.

Nach dem Formel-1-Ausstieg von Toyota Ende 2009 musste TMG den Wandel vom Cost- zum Profit-Center schaffen „In der CNC-Fertigung hat uns dabei geholfen, dass wir bereits 2007 beschlossen hatten, unsere Prozesse mithilfe eines externen Toolmanagers zu verbessern“, erzählt Voigt. „Hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Kostenreduktion waren wir mit dem Werkzeughändler, der uns damals bereits zehn Jahre lang versorgt hatte, durchaus zufrieden. Was uns nicht mehr ausreichte, war die technologische Unterstützung.“

Toolmanager braucht Prozess-Know-how

Als der Vertrag mit dem früheren Partner auslief, beschlossen die Verantwortlichen bei TMG, diesen Service neu auszuschreiben. Neben einem weiteren Händler fragten sie bei zwei Werkzeugherstellern an. „Den Ausschlag für unsere Entscheidung gab letztlich das Gesamtpaket“, erinnert sich Voigt. „Mapal überzeugte uns nicht nur mit einem breiten Angebot und großem technologischen Know-how, sondern auch durch die Bereitschaft, als Toolmanager die Produkte anderer Hersteller ins Angebot aufzunehmen. Wir wurden beraten, die Entscheidung, welches Werkzeug wir einsetzen wollten, lag aber letztlich immer bei uns.“

Hinzu kam, dass die CNC-Techniker von Toyota Motorsport den Aalener Werkzeughersteller bereits als verlässlichen Partner kannten: „Klaus Schwamborn, heute Gebietsverkaufsleiter bei Mapal, war bereits seit 1999 als Technischer Berater für uns aktiv“, berichtet Voigt. „Zu unseren Formel-1-Zeiten legte er die Sonderwerkzeuge aus – vor allem komplexe Feinbohr- und PKD-Tools. Wir wussten also, dass wir uns auf die technologische Kompetenz verlassen konnten.“

Die neuen Partner intensivierten ihre Zusammenarbeit schnell. Zur technologischen Beratung kamen die Beschaffung und die Bestandsführung der Werkzeuge. „Anfangs war auch ein Konsignationslager angedacht, aber wir stellten schnell fest, dass dieses Konzept mit einer Prototypen-Fertigung nicht harmonierte“, sagt Voigt. Bis 2009 sanken dann die Werkzeugkosten in der CNC-Fertigung um 61 %. Die Auslastung stieg hingegen um 35 %, die Zahl produzierter Teile gar um 63 %.

Zwei Mapal-Techniker fest bei TMG

Mit Jens Patotzka und Gustav Faff arbeiten heute zwei Mapal-Techniker fest bei TMG. Außerdem ist an mindestens einem Tag pro Woche ein Anwendungstechniker im Haus. Letztere unterstützten bei der Auswahl der Werkzeuge, der Strategie und der Prozessparameter, schließlich sind schwer zerspanbare Materialien bei TMG an der Tagesordnung. Wenn es darum geht, die perfekte Lösung fürs schnelle, zuverlässige und wirtschaftliche Bearbeiten von Composites oder anspruchsvollen Titanlegierungen zu finden, organisiert das Team von Mapal auch Vergleichstests zwischen Werkzeugen verschiedener Hersteller. Sollten Schwamborn und sein Team mal an die Grenzen ihres Wissens stoßen, binden sie die jeweiligen Fachspezialisten in Aalen ein.

Qualitätssicherung hat für TMG auch beim Toolmanagement höchste Priorität. Nicht umsonst lautet eine der ältesten Weisheiten im Motorsport: „Wer siegen will, muss zuerst ins Ziel kommen.“ Zu den Aufgaben von Patotzka und Faff gehört deshalb ebenso die Eingangskontrolle der gelieferten Werkzeuge wie das perfekte Voreinstellen und exakte Vermessen der Tools, die sie dann nach den Vorgaben ihrer TMG-Kollegen an die jeweilige Maschine liefern. Auch die Bestandsüberwachung und der Einkauf der Tools läuft über Jens Patotzka. Er kann bei jedem Lieferanten die benötigten Waren bestellen. Soll ein neues Werkzeug beschafft werden, legt Marcel Voigt gemeinsam mit ihm die Menge fest und gibt die Bestellung frei. „Dass all das über Mapal läuft, entlastet nicht nur unsere Lagerlogistik und unsere Buchhaltung, das gibt uns auch in Sachen Budget mehr Flexibilität“, sagt der leitende CNC-Techniker. „Und dass wir die gesamte Leistung aus einer Hand bekommen, ohne uns selbst darum kümmern zu müssen, lässt mehr Freiraum für unsere Kernaufgaben.“

Zuerst die Einzelprozesse optimieren

Obwohl TMG ein typischer Kleinstserien- und Prototypenfertiger ist, versuchen die CNC-Spezialisten bereits ab dem zweiten Bauteil in Spät-, Nacht- oder Wochenendschichten mannlos zu fertigen. „Und das gelingt uns in 80 Prozent der Fälle“, sagt Marcel Voigt nicht ohne Stolz. Die Basis dafür seien digitalisierte und vernetzte Prozesse. Eine Industrie-4.0-Fertigung erfordere jedoch eine umfangreiche und aufwändige Vorbereitung. Zunächst arbeiteten die CNC-Techniker gemeinsam mit dem Toolmanagement daran, die Werkzeugvielfalt im Bestand radikal zu reduzieren. In den ersten beiden Jahren der Kooperation sank die Zahl unterschiedlicher Tools von 7650 auf 4320, später sogar auf rund 2150. Um das zu erreichen, sortierten die Spezialisten überflüssige Varianten aus und ersetzten – wo immer möglich – Sonderwerkzeuge durch Standardtools. Das Toolmanagement durchforstete die Bestände, bereitete die Zahlen auf und sortierte schließlich in Absprache mit TMG aus. So blieben beispielsweise von 160 Kugelfräsern nach der Aufräumaktion nur noch rund 40 übrig.

Toolmanagement-Handbuch definiert Parameter

Mapal erstellte anschließend gemeinsam mit den Technikern von TMG ein Toolmanagement-Handbuch. Dieses Handbuch dokumentiert definierte Prozesse und schreibt unter anderem fest, wie bestimmte Werkzeuge zusammenzubauen und zu vermessen sind. Auf dieser Basis überführten TMG-Mitarbeiter die übrig gebliebenen Werkzeuge ins CAM-System. Jede Schneide wurde mit den zugehörigen Schnittparametern und Technologiedaten abgespeichert. Nachdem alle Daten digitalisiert waren, erstellten die Fertigungsspezialisten ein Programmier-Handbuch, mit dessen Hilfe sich nun Komplettwerkzeuge ableiten lassen. „Wenn heute ein Werkzeug angefragt wird, können wir die vom Toolmanagement benötigten Datenblätter sehr schnell aus dem CAM-System erzeugen“, erläutert Voigt. „Bestände und Bewegungen der Werkzeuge lassen sich unkompliziert verfolgen und überwachen. Das erleichtert es uns, einmal pro Jahr nicht mehr benötigte Tools auszusortieren.“

Gemäß der Toyota-Philosophie optimierten die Spezialisten von TMG zunächst alle Teilprozesse. Erst als jeder für sich wie gewünscht funktionierte, wurden sie nach und nach verkettet. Dabei erkannte das Team rund um Voigt das Potenzial eines Manufacturing Execution Systems (MES). Es sollte alle Prozesse – von der Anfrage eines Bauteils bis zur Lieferung an den Auftraggeber – durchrouten. „Auch bei dieser Entscheidung hat uns Mapal unterstützt, ohne uns je in eine bestimmte Richtung zu drängen“, sagt der Produktionschef. So organisierten die Aalener unter anderem Referenzbesuche bei Kunden, die ähnliche Abläufe wie TMG hatten und bereits solche Systeme nutzten.

Neues Ausgabesystem ist ergonomischer

Gut zehn Jahre nach Beginn der Zusammenarbeit im Bereich des Toolmanagements setzt TMG unterschiedlichste Produkte aus Aalen ein. Dazu gehören auch die Werkzeugausgabe-Schränke Unibase, für die zu Beginn ein anderer Anbieter die Hard- und Software lieferte. Schnell hat sich laut Marcel Voigt jedoch gezeigt, dass die Systeme für eine umfangreiche Vernetzung nicht leistungsfähig genug waren. Zudem ließ die Bedienfreundlichkeit Wünsche offen. „Nachdem auch andere Key-Account-Kunden diese Kritik geäußert hatten, entschied sich Mapal, ein eigenes Schranksystem anzubieten. In dessen Weiterentwicklung konnten wir regelmäßig unsere Ideen einbringen.“ Später hätten die Aalener ihre weiteren Aktivitäten geteilt und parallel zum Ausgabe- und Verwaltungssystem Unibase die offene Plattform c-Com entwickelt. TMG konzentriert sich derzeit jedoch darauf, das Potenzial der Werkzeugschränke und der Verwaltungssoftware auszuschöpfen.

Deshalb freut sich Marcel Voigt, dass die Unibase-M-Schränke der jüngsten Entwicklungsstufe deutlich ergonomischer zu bedienen und einfacher zu programmieren sind. Besonders wichtig ist ihm, dass sich die Schränke untereinander effizienter vernetzen lassen. „Dadurch konnten wir ein wesentlich präziseres Reportsystem aufbauen.“ Mit der Beta-Version der neuen Bedien- und Verwaltungssoftware hat TMG in den letzten rund neun Monaten sehr gute Erfahrungen gesammelt. Inzwischen steht die serienreife Ausführung allen Interessenten zur Verfügung.

Schnelle Entwicklung dank Tooltronic

„Nachdem die Fertigungsabläufe bei TMG organisatorisch nun nah am Optimum liegen, ergeben sich größere Verbesserungspotenziale heute meist aus den Anwendungen“, sagt Klaus Schwamborn. Ein Beispiel dafür sei der Einsatz elektrisch angetriebener Aussteuerwerkzeuge fürs Bearbeiten der Ventilsitzringe von Rennmotoren – etwa dem so genannten Gobal Race Engine, der das World Rallye Car von Toyota antreibt. Bis 2013 setzte TMG hierfür Monoblockwerkzeuge ein. „Bedingt durch die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit und die häufigen Optimierungsschleifen mussten wir vor der Umstellung auf die Tooltronic alleine für einteilige Werkzeuge jährlich rund 68 000 Euro kalkulieren“, erinnert sich Marcel Voigt. „Diese Kosten entfallen jetzt komplett.“ Noch wichtiger ist für das Rennteam allerdings die Flexibilität, die das elektrische Aussteuerwerkzeug mitbringt. Wo die Techniker früher oft wochenlang auf ein einteiliges Sonderwerkzeug warten mussten, erzeugt die Tooltronic heute innerhalb weniger Minuten – nach einer einfachen Programmänderung – eine neue Kontur. So stehen weiterentwickelte Bauteile viel schneller zur Verfügung – im Motorsport ein entscheidendes Kriterium. Inzwischen setzt TMG die Tooltronic auch ein, um aufwändige Fahrwerksteile in einer Aufspannung zu bearbeiten.

Clevere Werkzeuge liefern nötige Qualität

Aus der Partnerschaft zwischen Toyota Motorsport und Mapal entstanden noch weitere Werkzeuglösungen, von denen heute auch andere Kunden der Aalener profitieren. So floss die Erfahrung, die der Werkzeughersteller mit dem 3D-gedruckten, superschlanken Hydrodehnspannfutter gesammelt hatte, in die Entwicklung eines Aufsatzwerkzeugs mit innerer Hohlstruktur für die Tooltronic ein. Im Vergleich zur früher aus dem Vollen hergestellten Version hat diese Leichtbauvariante ein erheblich günstigeres dynamisches Verhalten, was wiederum zu einer besseren Bearbeitungsqualität beiträgt – für TMG das wichtigste Kriterium. Denn: Die sichere Funktion jedes einzelnen Bauteils entscheidet gerade bei Langstreckenrennen über Sieg oder Niederlage.

Nach dem Ausstieg von Porsche ist TMG das letzte verbliebene Werksteam, das die Hightech-Hybrid-Sportwagen einsetzt. Damit sind die Japaner in diesem Jahr die großen Favoriten für den Sieg beim 24-Stunden-Klassiker in der Sarthe. „Von der Papierform her sollte unser Auto den privat eingesetzten Prototypen überlegen sein“, gibt Marcel Voigt zu. Doch niemand weiß besser als Toyota: Die Papierform zählt in Le Mans wenig. Dieses Rennen hat seine eigenen Gesetze. Eines lautet: Nur wer nach 24 Stunden aus eigener Kraft über die Ziellinie rollt, kommt in die Wertung. Nach dem dramatischen Finale 2016 – damals blieb der führende TS050 drei Minuten vor Rennende nach einem Defekt liegen – achten die TMG-Techniker nun noch akribischer auf jedes Detail in der Vorbereitung.


 
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