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Hier steht der Roboter kopf

Automatisierter Werkzeugbau: Fertigungszelle fürs Senkerodieren und HSC-Fräsen von Elektroden
Hier steht der Roboter kopf

Mit einer automatisierten Fertigungszelle hat der Werkzeugbau Ruhla seine Erodierkapazitäten erheblich erweitert. Ein an der Decke fahrender Knickarmroboter bedient zwei Senkerodiermaschinen und eine HSC-Fräsmaschine zur Fertigung von Grafitelektroden. Allein die Herstellzeit für die Elektroden konnte um bis zu 70 % verkürzt werden.

Seit ihrer Gründung 1992 ist die Werkzeugbau Ruhla GmbH in Seebach jedes Jahr um rund 10 % gewachsen. Während die erforderlichen Kapazitätserweiterungen in der Vorfertigung und der Montage laut Geschäftsführer Marco Schülken gut zu bewältigen waren, kam es in der Erodierabteilung zunehmend zu Engpässen. Als Folge musste Erodierleistung extern zugekauft werden. „Leider entsprach die gelieferte Qualität nicht immer unseren Anforderungen“, erinnert sich Schülken. Die zur Erweiterung der eigenen Kapazitäten benötigten Fachkräfte waren jedoch nicht zu finden. In dieser Situation entdeckten die Thüringer 2002 auf einer Hausausstellung bei Agie in Schorndorf das Thema Automatisierung für sich und führten in der Folge einen Palettenwechsler an einer Senkerodiermaschine ein. „Damals gab es bei unseren Mitarbeitern große Widerstände gegen das Projekt. Sie lehnten das Vorhaben ab, weil wir kein Serienfertiger sind“, erzählt Schülken. „Doch die rein kaufmännisch getroffene Entscheidung bewirkte, dass wir in einem Jahr statt 5000 etwa 8000 Stunden Erodierkapazität an zwei Maschinen erreichten.“ Dennoch mussten weiterhin bis zu 4000 Stunden fremd vergeben werden. Um auch diese Arbeiten im eigenen Haus ausführen zu können, wollten die Spezialisten für komplexe Werkzeuge und Formen ihre Kapazität um weitere 3000 Stunden ausbauen. Dazu sollten die HSC-Technologie eingeführt sowie das Elektrodenfräsen und das Erodieren über eine gemeinsame Automatisierungslösung verbunden werden.

Im Dialog mit GF AgieCharmilles Deutschland in Schorndorf entstand die Idee, einen Knickarmroboter zu verwenden, der an der Decke fahren sollte. Die entsprechende Hardware bot die Stuttgarter HandlingTech Automationssysteme GmbH an. Franz-Josef Sendler, Marketing-Leiter bei Agie Charmilles, begründet: „Wir hatten uns gefragt, wie der Boden nach dem wochenlangen Einsatz eines flurgeführten Systems aussehen würde. Zudem hat die Automation von oben den Vorteil, dass man auch mit dem Werkstattwagen an die Maschinen ranfahren kann.“
Entscheidend für die Akzeptanz im Betrieb war, dass Schülken seine Mitarbeiter vom ersten Tag der Planung an in das Projekt eingebunden hatte. „Unsere Leute hatten genaue Vorstellungen, wie viele Werkstückpaletten- und Elektrodenplätze gebraucht werden.“ Schließlich war klar, wie die Fertigungszelle aussehen sollte, die seit Juni in Betrieb ist. Sie besteht aus
  • einer Senkerodieranlage Agietron Impact 2,
  • einer Senkerodieanlage AT Hyperspark 2 HS,
  • einem Hochgeschwindigkeits-Bearbeitungszentrum Mikron HSM 300 GraphiteMaster mit 27-fach Werkzeugwechsler,
  • einer 3D-Messmaschine Vista von Zeiss,
  • einem Knickarm-Industrieroboter von HandlingTech, der auf 300 Elektroden- und 24 Palettenstationen zugreift,
  • dem Identifikationssystem Flashident und einer System-Software von Zwicker und
  • einer Rüst- und Einschleusstation.
„Diese Zelle ist im europäischen Werkzeug- und Formenbau einmalig“, sagt Marco Schülken stolz. „Sie wurde speziell für uns konzipiert.“ Mit kleineren Anfangsschwierigkeiten hatten die Verantwortlichen deshalb gerechnet. Insbesondere in den Bereichen Sicherheitstechnik und Crash-Vorsorge seien noch einige Anpassungen und Korrekturen nötig gewesen. Inzwischen sei das aber erledigt, und die Zelle arbeite heute rund um die Uhr. Zwei der drei Schichten laufen mannlos. Insgesamt vier Mitarbeiter sind für die Fertigungsplanung, die Konstruktion der Elektroden, die Arbeit am Rüst- und am Messplatz sowie das Geschehen in der Fertigungszelle zuständig. Sie sorgen auch für den Betrieb in der bedienerlosen Zeit.
In der bemannten Schicht kann der Werker bestimmen, welcher Auftrag gerade abzuarbeiten ist. „Das ist wichtig, weil wir auch viele Reparaturarbeiten an Spritzgieß-Werkzeugen ausführen“, erläutert Schülken. „Dafür wurde früher der Maschinentisch abgeräumt und alles war mit langen Einrichtzeiten verbunden. Die automatisierte Werkstückpaletten- und Elektrodenhandhabung ist heute flexibler und viel besser zu steuern. Dass das so ist, hatten unsere Mitarbeiter schon bei der Automatisierung einer einzelnen Senkerodiermaschine erfahren.“
Für mehr Effizienz sorgt auch, dass sich die Seebacher bei Standardanwendungen auf vier Elektrodengrößen beschränken. Deren Kantenlängen messen jeweils 15, 25, 40 und 50 mm. Nach dem Gebrauch werden diese Elektroden entsorgt. „Da wir die Herstellzeit der Elektroden mit der Zelle um bis zu 70 % senken konnten, ist das Neufertigen schneller als das Suchen im Archiv“, begründet Schülken. Lediglich große und aufwändige Elektroden, etwa für Mittelkonsolen-Elemente von Pkws, werden noch archiviert.
„Wenn wir nicht permanent investieren würden, dann wären wir auf lange Sicht nicht wettbewerbsfähig“, zieht Marco Schülken Bilanz. „Wir wollen aber zu den besten Werkzeug- und Formenbauern in Deutschland und zu den Technologieführern gehören. Dazu brauchen wir nicht nur moderne Fertigungssysteme und -methoden, sondern auch Fachkräfte. Um sie zu bekommen und halten zu können, müssen wir als Unternehmen interessant sein und attraktive Arbeitsplätze bieten.“ Schülken betont jedoch auch: „ Hätten wir nicht bereits vorher mit automatisierten Systemen gearbeitet, wäre diese Anlage für uns nicht in Frage gekommen. Für erste Erfahrungen mit einer Automation ist sie ein zu großer Schritt.“ Kollegen, die eine ähnliche Lösung suchen, rät der Geschäftsführer, sich von kompetenten und zuverlässigen Partnern unterstützen zu lassen. Nur so lasse sich die bestmögliche Kombination aus Maschinentechnik, Automation, Software und Ablauforganisation für die jeweilige Anwendung erzielen. Der Werkzeugbau Ruhla nutzte die Erfahrung von GF AgieCharmilles. Die Schorndorfer übernahmen die Projektleitung und damit die Gesamtverantwortung für die Zelle. hw
Mitarbeiter waren von Anfang an ins Projekt eingebunden Reparaturaufträge lassen sich effizient einschleusen

Werkzeugbau Ruhla
Die Werkzeugbau Ruhla GmbH in Seebach wurde 1992 gegründet. Ihre Wurzeln gehen auf den Werkzeugbau der Uhrenwerke Ruhla zurück. Das Unternehmen hat 46 Mitarbeiter, von denen 17 in der Wartung und Reparatur kundeneigener Spritzgießtools tätig sind. Die Aufträge kommen aus der Automobilindustrie, der Biochemie- und Medizintechnik, der Elektro- und Haustechnik sowie der Kosmetik. Zum Produktportfolio gehören Werkzeuge für die Kunststoff- sowie für die Stanz- und Biegetechnik und zwar sowohl für hochpräzise Funktionsteile als auch für Sichtteile mit anspruchsvollen Oberflächen und Konturen.
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