Die Maschinenbaubranche wandelt sich. Innovationsdruck und Entwicklungsgeschwindigkeit steigen und globale Netzwerke und Wertschöpfungsketten stellen die Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen. Über Auswirkungen und Lösungsansätze referiert Prof. Siegfried Russwurm. Er ist Vorstandsmitglied der Siemens AG und CEO Sector Industry.
Die weltweiten Megatrends Klimawandel, Urbanisierung, Globalisierung und demographischer Wandel führen derzeit auch in der Maschinenbaubranche zu einer radikalen Veränderung des Geschäfts. Dies gilt sowohl in Bezug auf das Angebots- und Nachfrageverhalten als auch hinsichtlich der steigenden Preissensibilität. Daher müssen globale und etablierte Anbieter ihre regionalen, technologischen und wirtschaftlichen Ansätze, ihr Produktportfolio und ihre Markteintritts- und Marketingstrategien grundsätzlich überdenken.
Die aktuellen Veränderungen finden auf zwei Ebenen statt. Zum einen auf der technologischen: Die erhöhte Innovationsgeschwindigkeit und immer kürzere Entwicklungszyklen verlangen von Kunden und damit auch von ihren Lieferanten neue, bessere, günstigere und schnellere Entwicklungs- und Produktionsmethoden. Eine durchgängige, softwarebasierte Automatisierung wird künftig die Entwicklung des Produktes und die parallele Entwicklung der dafür erforderlichen Produktionssysteme miteinander vernetzen.
Zum anderen kennzeichnet eine neue geo-ökonomische Dimension die aktuellen Entwicklungen. Die Wachstumsmärkte – vor allem in Asien – stellen westliche Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen, führen zu neuen globalen Netzwerken der Wertschöpfung und lassen die Bedeutung des Standorts Deutschland in einem neuen Licht erscheinen.
Der Erfolgsfaktor heißt hierbei mehr denn je: Innovationen. Sie sind gerade für deutsche Unternehmen die große Chance, um nachhaltig Werte zu schaffen und Wachstum zu erzielen. Innovationen entstehen dabei durch konstruktives Zusammenwirken aller Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette. Dazu müssen vor allem bestehende Konfliktlinien zwischen Entwicklung und Produktion aufgehoben werden. Dies kann nur gelingen, wenn Produktentwicklung, Produktionsvorbereitung, und Produktionsautomatisierung in einer homogenen Datenwelt stattfinden.
Inzwischen besitzt die Branche Werkzeuge wie Product-Lifecycle-Management-Software (PLM), die zunehmend mit der Automatisierungstechnik zusammenwachsen und eine integrierte Entwicklung von Produkt und Produktionsautomatisierung ermöglichen. In der Produktionstechnik werden die Steuerungssysteme in die PLM-Welt integriert. Werkstücke werden digital entwickelt, und ihre Fertigung wird digital simuliert. Fertigungszeiten lassen sich präzise vorherbestimmen. Einfahrzeiten bei der Umstellung auf neue Werkstücke verkürzen sich deutlich. In Zukunft werden Produktentwicklung und Produktionsplanung nicht mehr zeitversetzt, sondern durchgängig parallel ablaufen.
Weder Produkt- noch Fertigungssimulation sind neue Erfindungen. Neu ist aber nun die Nutzung einer durchgängigen Digital-Engineering-Umgebung, in der beispielsweise die reale Steuerung schon in der Planungsphase den virtuellen Prozess steuert und dabei das tatsächliche physikalische Verhalten der Maschinen berücksichtigt. Das bedeutet die Zusammenführung der virtuellen mit der realen Fabrik. Schnittstellen werden reduziert, um die Produktivität zu steigern und die Flexibilität zu erhöhen. Das Ergebnis besteht in bis zu 50 % kürzeren Markteinführungszeiten – bei gleichzeitig höherer Qualität.
Das Ziel, nachhaltig Werte zu schaffen, beinhaltet neben der ökonomischen auch eine ökologische Komponente. Industrieunternehmen können und müssen ihre Energieeffizienz durch den Einsatz neuer Technologien erhöhen, um Betriebskosten zu senken und gleichzeitig CO2-Emissionen und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Der Widerspruch zwischen höherer Produktivität und höherem Energiebedarf kann durch die richtigen Technologien, ein durchdachtes Gesamtkonzept und ein genaues Betrachten der Lebenszykluskosten aufgelöst werden.
Wenn westliche Industrieunternehmen Wirtschaftswachstum und Wohlstand in Europa und Deutschland sichern wollen, müssen sie zudem vom schnellen Wachstum der Schwellenländer profitieren. Sie sollten dafür vor Ort eigene Wertschöpfungsketten aufbauen, um den lokalen Markt zu bedienen und um Wettbewerbern aus diesen Staaten bereits in ihren Heimatländern zu begegnen. Eine erfolgreiche Marktdurchdringung erfordert genau auf den Markt zugeschnittene Produkte, die durch lokales Produktmanagement sowie lokale Forschung und Entwicklung spezifiziert und entwickelt werden.
Der zukünftige Erfolg der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie wird auf drei Säulen stehen: Höhere Produktivität, mehr Energieeffizienz und durchdachte Geschäftsstrategien in den Schwellenländern. hw
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Jetzt downloaden und über neue Ansätze erfahren, die nicht nur helfen, Unfälle zu vermeiden, sondern auch die Frage beantworten „Wie kann die Technik heute im Bereich Arbeitsschutz die Wirtschaftlichkeit in meinem Unternehmen erhöhen?“
Teilen: