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Im Rampenlicht: Spezialstahl für Pkw-Scheinwerfer

Aus selektiertem Stahlschrott wird in aufwendigen Prozessen lupenreiner Formenstahl für Schweinwerfer
Im Rampenlicht: Spezialstahl für Pkw-Scheinwerfer

PKW-Scheinwerfer sind längst mehr als Lichtquellen – Form und Funktion zählen zu den Alleinstellungsmerkmalen der Automarken. Die Zulieferer benötigen zu ihrer Herstellung hochspezialisierte Edelstähle – aber auch für die in ihnen integrierten Motoren. Die Schmolz+Bickenbach-Gruppe als einer der wenigen Lieferanten dieser Qualitäten liefert Einblicke.

Neben Fernlicht, Abblendlicht, Tagfahrlicht, Positionslicht und Blinker zählen heute auch Autobahnlicht, Stadtlicht, Landstraßenlicht, Schlechtwetterlicht sowie statisches oder dynamisches Kurvenlicht zum Repertoire moderner PKW-Scheinwerfer. Dabei geht die Entwicklung schon lange weg von den klassischen Halogen-Lichtquellen und hin zur energieeffizienten LED-Technologie.

Das individuelle Design einzelner Marken gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. BMW ist im Straßenverkehr beispielsweise anhand von ringförmigen Leuchtelementen zu erkennen, während Audi Lichtbänder einsetzt. „Bei künftigen PKW-Generationen werden zudem die einzelnen LEDs als Lichtquellen der Scheinwerfer nicht mehr zu sehen sein“, erklärt Franz-Josef Klegraf, Mitglied der Geschäftsleitung Geschäftsbereich Licht beim Automobilzulieferer Hella. „Vielmehr geht der Trend in Richtung homogener Lichtfelder mit einer gewissen 3-D-Wirkung – etwa als Lichtvorhänge und Lichtleiter, je nach Anwendung am Fahrzeug.“
Spritzformen mit filigranem Profil
Die Hella KGaA Hueck & Co. zählt heute mit 27 000 Beschäftigten in mehr als 30 Ländern zu den weltweit führenden Automobilzulieferern für Lichttechnik und Elektronik. In der Werkzeugfertigung in Lippstadt stellt das Unternehmen einen Teil der Spritzgussformen für die Kunststoffteile der unterschiedlichsten Scheinwerfer her. „Neuartige Lichteindrücke erzeugen wir zum Beispiel über filigrane Oberflächenstrukturen unserer Kunststoffteile oder Optiken, die das Licht aus dem Scheinwerfer verteilen“, verdeutlicht Klegraf. Diese Mikrostruktur, die entfernt an eine Lederoberfläche erinnert, bringt der Lichttechnik-Hersteller über die Spritzgussformen auf die Kunststoffoberfläche auf. Einer der Hauptlieferanten für den Formenstahl von Hella sind die Deutschen Edelstahlwerke, ein Unternehmen der Schmolz+Bickenbach-Gruppe.
Da häufig nur eine einzige Spritzgießform für die Scheinwerferkomponenten eines bestimmten PKW-Modells hergestellt wird, sind die Anforderungen an die eingesetzten Stähle sehr hoch. Sie sollten nicht nur eine hohe Korrosionsbeständigkeit und Härte aufweisen, um einen langfristigen Einsatz der Werkzeuge zu gewährleisten, sondern auch über eine gut zu polierende Oberfläche verfügen. „Für äußerst anspruchsvolle Anwendungen empfehlen wir Hella meist unseren Werkstoff Thermodur 2343 Superclean“, erklärt Hans-Georg Maschetzke, Vertriebsleiter Bearbeitung und Service bei den Deutschen Edelstahlwerken. „Aufgrund seiner Zusammensetzung und unserer ausgeklügelten Produktions- und Bearbeitungsverfahren eignet sich Thermodur 2343 Superclean optimal für das individuelle Anforderungsprofil des Automobilzulieferers.“
Komplexe Formenherstellung
Die Grundlage der Stahlproduktion der Deutschen Edelstahlwerke bildet sortenreiner Stahlschrott, der mit anderen hochwertigen Sekundärrohstoffen in einem 130-t-Elektrolichtbogenofen erschmolzen wird. Nach dem Zuführen der für die Stahlsorte erforderlichen Legierungsbestandteile (wie Chrom, Nickel, Molybdän, Vanadium, Wolfram oder Kobalt) wird der flüssige Stahl zur Weiterverarbeitung in eine Pfanne entleert. Diese Pfanne wird anschließend in die sekundärmetallurgische Behandlung überführt, wo dem Stahl störende Gas- und Sauerstoffgehalte entzogen werden und durch Mikrolegierung die Feinanalyse erfolgt.
„Selbst kleinste Unreinheiten im Stahl können Auswirkungen auf die Kunststoffform und damit auch auf die Bauteile und das Lichtbild des Scheinwerfers haben“, verdeutlicht Hans-Georg Maschetzke. „Daher wird unser Werkstoff Thermodur 2343 Superclean ein zweites Mal eingeschmolzen und bei diesem erneuten Umschmelzvorgang quasi zusätzlich gefiltert, um ihn selbst von kleinsten Einschlüssen zu befreien.“ Das geschieht im ESU/VU-Verfahren. Die anschließenden Diffusionsglühprozesse, das Schmieden an die finale Abmessung sowie umfangreiche Glühbehandlungen führen zu Stahlblöcken mit durchgängig homogener Struktur, die die Grundlage für den Formenbau bei Hella darstellen.
Der Scheinwerferhersteller oder einer seiner Zulieferer führt anschließend einen Großteil der Bearbeitungsschritte an der Form durch und schickt das Werkstück zurück an die Deutschen Edelstahlwerke zur Vakuum-Wärmebehandlung.
„Die Wärmebehandlung ist einer der entscheidenden Arbeitsschritte, denn hier geben wir der Form die im Einsatz erforderliche hohe Härte“, betont Maschetzke. Dazu wird die Form in bestimmten Intervallen erhitzt und abgekühlt, um die innere Struktur des Stahls entsprechend den Anforderungen zu verändern.
Die letzten Arbeitsschritte an der Form liegen wiederum bei Hella. Die Spezialisten für Lichttechnik polieren und bearbeiten, je nach gewünschtem Endergebnis, die Oberfläche der Form. „Um zum Beispiel Designeffekte zu erreichen, werden Bereiche einer Form aufwendig mittels Ätzverfahren bearbeitet“, erklärt Klegraf. Nach einigen Probedurchgängen und der Freigabe ist die Spritzform schließlich fertig für die Scheinwerferproduktion von Hella in Lippstadt, Osteuropa, Mexiko oder China.
Neben dem Thermodur 2343 Superclean empfehlen die Deutschen Edelstahlwerke auch weitere Werkstoffe für die Anwendungen im Kunststoff-Spritzguss. Der Werkstoff Formadur 2083 Superclean bietet durch höhere Chromanteile eine nochmals gesteigerte Korrosions- und Verschleißbeständigkeit. Eine Neuentwicklung stellt der Werkstoff PH X Superclean dar, der einen Verzicht auf die sonst übliche Wärmebehandlung ermöglicht und gleichzeitig höchsten Korrosionsanforderungen genügt.
Die Marke Formadur 2738 sowie der neu entwickelte Formadur 320 sind Stähle mit geringerer Härte. Sie ermöglichen eine kosteneffektivere Produktion von Kunststoffformen mit einer weniger aufwendig gestalteten Oberfläche oder geringeren Standzeitanforderungen. „Mit den Deutschen Edelstahlwerken haben wir einen Partner, der uns mit hochwertigen Stählen und qualifiziertem Prozess-Know-how in Deutschland und in unseren Vertriebsländern unterstützt – und das schon seit rund 20 Jahren“, betont Franz-Josef Klegraf.
Dynamisches Kurvenlicht – punktgenau ausgerichtet
In einem zeitgemäßen Xenon- oder LED-Scheinwerfer finden sich neben den lichtgebenden Elementen auch mehrere Motoren, die die Beleuchtung den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Bei Start des Autos messen beispielsweise Sensoren die Höheneinstellung der Scheinwerfer und passen deren Ausrichtung je nach Beladungszustand an, damit der entgegenkommende Verkehr nicht geblendet wird.
Zunehmend komplexer noch ist die Steuerung des dynamischen Kurvenlichts. Im Gegensatz zum statischen Kurvenlicht, das in einem festen Winkel die seitlichen Bereiche des Fahrzeugs ausleuchtet, passt das dynamische Kurvenlicht die Streuung des Lichtkegels flexibel den Umweltbedingungen an. Sensoren messen hierfür kontinuierlich die Geschwindigkeit und den Lenkwinkel des PKWs. Neueste Systeme greifen zudem auf Daten einer PKW-eigenen Kamera oder auf GPS-Daten zurück, um kommende Fahrsituationen vorauszusehen. Der daraus ermittelte optimale Beleuchtungsgrad wird über einen elektrischen Impuls an den Motor des Kurvenlichts weitergegeben und entsprechend umgesetzt. Dabei zählt nicht nur eine schnelle Reaktion, sondern vor allem eine hohe Genauigkeit in der Umsetzung des Drehwinkels.
An dieser Stelle werden Antriebswellen benötigt, die punktgenau arbeiten und den eingehenden Impuls in exakte Bewegungen umsetzen. Ein geeigneter Werkstoff ist der hochspezialisierte Blankstahl ETG 25, der von der zur Schmolz+Bickenbach-Gruppe zählenden Steeltec AG produziert und als Vormaterial für Antriebswellen an verschiedene Automobilzulieferer geliefert wird. „Präzisionsteile für diese Mechanik müssen höchste Anforderungen erfüllen – sicher und verlässlich über Jahre hinweg“, betont Guido Olschewski, Leiter des Bereiches Produktentwicklung bei Steeltec.
Mit dem ETG 25 verfügt das Unternehmen über einen Werkstoff, der scheinbare Gegensätze vereint. Er ist sowohl gut zu zerspanen als auch hochfest in der Anwendung – ohne weitere Bearbeitungsschritte wie etwa einer Wärmebehandlung. „Gerade im Automotive-Bereich wird unser Stahl daher zunehmend als Alternative zu herkömmlichen Werkstoffen erkannt und für Anwendungen mit hohen Ansprüchen an die Belastbarkeit und Genauigkeit eingesetzt“, betont Olschewski.
Fazit: Scheinwerfer im PKW-Bereich werden immer komplexer in Funktionalität und Aufbau. Die Lichtsysteme passen sich heute selbstständig und flexibel an unterschiedlichste Straßen- und Wetterbedingungen an und verarbeiten verschiedenste Daten. Mit der Steigerung dieser Komplexität steigen auch die Anforderungen an hochentwickelte Spezialstähle – eine Entwicklung, die die Schmolz+Bickenbach-Gruppe seit Jahrzehnten mitgeht. Das Unternehmen beliefert Kunden in fünf Kontinenten mit seinen hochentwickelten Stählen und erforscht gemeinsam mit Partnern in Unternehmen und Universitäten neue Anwendungen und Bearbeitungsprozesse. os
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