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„In einigen Jahren könnte es eine zweite Laserrevolution geben“

Trumpf-Geschäftsführer Peter Leibinger über Trends und Entwicklungen in der Lasertechnik
„In einigen Jahren könnte es eine zweite Laserrevolution geben“

Welche Möglichkeiten der Laser künftig bieten wird, und welche Auswirkungen das für Materialbearbeiter und Anlagenbauer hat, sagt Peter Leibinger. Er ist Vorsitzender des Geschäftsbereichs Lasertechnik/Elektronik bei der Ditzinger Trumpf GmbH & Co KG.

Das Gespräch führte Haider Willrett

Herr Leibinger, wie groß schätzen Sie das Entwicklungspotenzial in der Lasertechnik für die Materialbearbeitung noch ein?
Das ist immens! Alle Arten von Strahlquellen bieten noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Der Laser wird viele konventionelle Produktionsverfahren substituieren. Und er wird Produkte und Materialien bearbeiten können, die mit anderen Verfahren gar nicht herstellbar wären. Genauso wichtig sind in dem Zusammenhang die Prozessführung und die Peripherie beim Anwender. Auch hier steckt noch sehr viel Entwicklungspotenzial. Beim Ultrakurzpulslaser könnte ich mir sogar vorstellen, dass wir heute an einem ähnlichen Punkt stehen, wie vor 30 Jahren mit dem CO2-Laser. Wenn sich das bewahrheitet, ist in einigen Jahren eine zweite Laserrevolution in der Materialbearbeitung möglich.
Wie könnte diese Revolution aussehen?
Ultrakurzpulslaser haben das Potenzial, klassische Fertigungsverfahren in vielen Bereichen zu ersetzen. Sie ermöglichen aber auch ganz neue Applikationen, die bislang nicht denkbar waren. Ein Beispiel ist das Schneiden von Faserverbundstoffen. Hier sehe ich großes Potenzial. Ultrakurzpulslaser lösen das Material aus dem Bauteil heraus, ohne Wärme- oder sonstige Einflüsse auf die Umgebung. Dadurch eignen sie sich besonders für feine Bearbeitungen und empfindliche Materialien.
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand?
Die heutigen Laser erreichen eine mittlere Leistung im 100-Watt-Bereich. Um wirklich in Wettbewerb mit anderen Verfahren treten zu können, brauchen wir höhere mittlere Leistungen. Aber das ist nicht utopisch. Am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen wurde bereits ein 1,1-Kilowatt-Funktionsmuster vorgestellt. Neben der Strahlquelle selbst, bedarf auch die Strahlführung noch einer Entwicklung. Sie muss extrem schnell sein. Heutige Technik erfüllt die Anforderungen nicht. Es gibt also noch eine Reihe von Aufgaben zu lösen, aber sie sind lösbar.
Ist das Verfahren bereits im Serieneinsatz?
Ja. Unsere Ultrakurzpulslaser werden seit Anfang 2008 industriell genutzt – etwa fürs exakte Schneiden von Handy-Gläsern. Auch Dieseleinspritzdüsen lassen sich in einer Präzision und Feinheit bohren, wie das bisher nicht denkbar war. Das wiederum ermöglicht es, den Kraftstoff so fein zu zerstäuben, dass sich keine Rußpartikel mehr bilden und der Verbrauch sinkt.
Welche Schritte sind als nächstes geplant?
Neben Anwendungen, die überhaupt nur mit dem Ultrakurzpulslaser möglich sind, kommen solche hinzu, bei denen klassische Verfahren, etwa das Zerspanen, an ihre Grenzen stoßen. Ein Beispiel ist hier das Schneiden von Silizium-Wafern. Zudem werden wir innerhalb der nächsten drei Jahre in der Lage sein, klassische Verfahren beim Strukturieren von Oberflächen zu ersetzen. Danach wollen wir auch mit anderen Verfahren in den Wettbewerb treten. Bereits heute sind Ultrakurzpulslaser jene Laserart mit dem größten Wachstum. Es liegt im Schnitt bei über 100 Prozent pro Jahr. Hier muss man allerdings berücksichtigen, dass es diese Technologie erst wenige Jahre gibt, wir es also mit einem Basiseffekt zu tun haben.
Welches Entwicklungspotenzial bieten CO2-Laser noch, etwa beim Wirkungsgrad?
Der CO2-Laser muss und wird sich weiterentwickeln. Ich gehe davon aus, dass wir seinen Wirkungsgrad in den kommenden drei Jahren um 20 bis 30 Prozent verbessern werden. Zudem müssen wir die Strahlparameter für die einzelnen Prozesse weiter optimieren. In absehbarer Zeit wird es aber für dicke Bleche keine andere Strahlquelle geben, die vergleichbare Schnittqualitäten liefert.
Wird sich das Kundeninteresse künftig in Richtung Festkörperlaser orientieren?
Über die Hälfte unserer Kunden sind Lohnfertiger. Für sie ist der Laser auch interessant, weil er sehr flexibel eingesetzt werden kann. Mit einer CO2-Anlage haben sie die Möglichkeit, bei Bedarf auch Dickbleche hochwertig zu schneiden. Die Frage ist: Kommt es bei diesen Nutzern verstärkt zu einer Spezialisierung, oder steht weiter die Flexibilität im Vordergrund? Sollen nur Dünnbleche geschnitten werden, ist der Festkörperlaser klar im Vorteil – hinsichtlich Qualität, Produktivität und Wirtschaftlichkeit. Bei Universalanwendungen wird jedoch auch künftig der CO2-Laser die Strahlquelle der Wahl sein.
Wie beurteilen Sie das Entwicklungspotenzial bei den Festkörperlasern? Werden sie sich bald auch für dickere Bleche eignen?
Was die Materialdicke angeht – aus heutiger Sicht nein. Dem widerspricht die Schneidphysik. Dennoch befinden sich diese Systeme ganz klar in einer Wachstumsphase. Produktivität und Wirkungsgrad werden sich weiter verbessern. Wohin das führen wird, ist derzeit schwer zu beurteilen. Während wir mit dem CO2-Laser 30 Jahre Erfahrung haben, beginnt die Entwicklung des Festkörperlasers zum Schneiden jetzt eigentlich erst so richtig.
Sehen Sie Unterschiede hinsichtlich Stand und Entwicklungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Festkörpersystemen?
Derzeit sehe ich den Scheibenlaser als das reifste Produkt, gefolgt vom Faser- und vom Diodenlaser. Letzterer könnte das System der Zukunft werden. Der Diodenlaser hat mit bis zu 50 Prozent den höchsten Steckdosen-Wirkungsgrad. Zudem könnte er sich zur kostengünstigsten Lösung entwickeln, die breit einsetzbar ist. Aber das dauert noch einige Jahre.
Welchen Einfluss hat die Prozessführung?
Alle Laser- und Anlagenhersteller sind auch Prozessexperten. Denn jeder Kunde erwartet, dass er mit der Maschine das entsprechende Know-how geliefert bekommt. Die Prozesse werden heute oft gemeinsam mit dem Anwender für dessen Aufgaben entwickelt oder optimiert. Wo wir noch großes Potenzial sehen, ist die Umsetzung beim Kunden, denn auch die Peripherie in seinem Haus, die Sauberkeit oder die Materialqualität beeinflussen das Bearbeitungsergebnis erheblich.
Wie ließe sich dieses Potenzial heben?
Die heutige Sensorik für die Prozessüberwachung beim Kunden ist noch nicht wirklich zufriedenstellend. Unser Ziel ist – und daran arbeiten wir – dass die Sensorik einer Laseranlage die Regelung des Prozesses übernimmt. Das beim Schweißen umzusetzen, ist viel komplexer als beim Schneiden. Der nächste Schritt wäre, die Regelung so zu optimieren, dass Prozesse gar nicht mehr entwickelt werden müssen. Durch die selbstregelnde Prozesssensorik würde es dann genügen, Grundparameter einzugeben.
Welcher Zeitrahmen wäre hier realistisch?
Erste Ansätze erwarte ich in etwa fünf Jahren. Das Thema ist sehr komplex, aber die gesamte Lasertechnikbranche in Deutschland arbeitet daran – und einer profitiert dabei vom anderen.
Kann die Lasertechnik auch die Ressourceneffizienz in der Fertigung verbessern?
Auf jeden Fall. Nur ein Beispiel: Mittels Laser lassen sich Schweißkonstruktionen herstellen, die konventionell nicht zu realisieren sind. Einsparungen können sich dabei ergeben durch den geringeren Materialbedarf bei Stumpf- statt Überlappungsnähten, das Verbinden sehr dünner Alubleche oder die meist komplett überflüssige Nacharbeit. Das Optimum ist aber nur zu erreichen, wenn man die Ressourcen- und Energiebilanz über die gesamte Prozesskette betrachtet. Um sie jedoch beurteilen zu können, brauchen wir einfache Werkzeuge und Hilfsmittel, die dies möglich machen. Hier ist die Wissenschaft gefordert, diese zu entwickeln.
Welche Auswirkungen haben neue Technologien wie die Elektromobilität?
Gerade die Elektromobilität oder auch das Bearbeiten von Faserverbundstoffen im Leichtbau eröffnen der Lasertechnik Riesenchancen. Gut leitende Materialien für Elektromotoren sehr fein, präzise und zuverlässig zu schweißen, dafür ist der Laser prädestiniert. Ebenso fürs Beschneiden von Carbon-Bauteilen. In diesem Zusammenhang liegt mir eines besonders am Herzen: Alles dreht sich derzeit darum, diese neuen Technologien für die Elektromobilität zu entwickeln. Kaum jemand redet über die Fertigungstechnik, um diese Systeme in Serie produzieren zu können. Wenn wir verpassen, die entsprechenden Produktionsmittel gleich mit zu entwickeln, dann werden wieder nicht wir in Deutschland, sondern andere von der bei uns entwickelten Technologie profitieren.
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