Startseite » Technik » Fertigung »

Interview: VDWF-Präsident Prof. Thomas Seul

Interview mit VDWF-Präsident Prof. Thomas Seul
„In Netzwerken auf dem Weltmarkt aktiv werden“

Der Werkzeug- und Formenbau habe auf der Moulding Expo seine Messeheimat gefunden, sagt Prof. Thomas Seul. Die Schau biete den Ausstellern eine Plattform, ihre Kompetenz zu zeigen und auch internationale Kunden zu treffen, so der Präsident des Branchenverbands VDWF weiter. ❧ Mona Willrett

Herr Prof. Seul, was macht die Moulding Expo (MEX) so erfolgreich?
Man sagt ja, bei der Premiere erfolgreich zu sein, ist relativ einfach. Eine erfolgreiche Zweitveranstaltung bestätigt die Idee und das Konzept. Und wenn auch die dritte Auflage ein Erfolg wird, dann hat man eine neue Tradition begründet. Die Anmeldezahlen und die Stimmung im Markt bestätigen den Erfolg der ersten Moulding Expo in der Tat. Aus meiner Sicht entscheidend für den Erfolg ist, dass der Veranstalter bei der Konzeption der Messe die Branche eingebunden und auf ihre Bedürfnisse gehört hat. So entstand eine tolle Plattform, auf der Werkzeug- und Formenbauer ihre Leistungsfähigkeit und Kompetenz präsentieren können. Ich freue mich sehr, dass sich die MEX auch in Sachen Internationalität sehr gut entwickelt. Das gibt Betrieben aus dem deutschsprachigen Raum die Möglichkeit, quasi in ihrem Wohnzimmer auch Kunden aus anderen Ländern und Regionen anzusprechen.
Mit welchen Zielen hat sich der VDWF von Anfang an bei der MEX engagiert?
Die Branche der Werkzeugmacher wollte und brauchte eine Messe, auf der sie ihre Kunden erreicht und nicht von Zulieferern und Ausrüstern belagert wird. Das hatten wir viele Jahre nicht mehr. Im Sinne unserer Mitglieder wollten wir deshalb mithelfen, genau solch eine Plattform zu schaffen.
Welche Bedeutung hat die Moulding Expo für die Werkzeugbau-Branche heute?
Eine große! Der deutsche Werkzeugbau ist eine Marke. Insofern freut es mich besonders, dass die internationale Leitmesse unserer Branche dort ihren Platz gefunden hat, wo die Musik spielt – in Deutschland.
Welche Themen und Trends werden die Schau in diesem Jahr prägen?
Alle reden von Industrie 4.0, aber wenn wir nichts mehr produzieren, brauchen wir auch keine vernetzte, digitalisierte Fertigung. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Deutschland auch künftig ein bedeutender Produktionsstandort bleibt. Wir beherrschen auch die Basics, die nötig sind, um Produkte präzise, zuverlässig und trotzdem flexibel und wirtschaftlich herzustellen. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Mit welchen Erwartungen werden Sie nach Stuttgart reisen?
Ich freue mich auf eine tolle Messe, auf der wir auch 25 Jahre VDWF feiern werden. Wir als Verband werden gerne auch weiterhin als strategischer Partner zur Entwicklung der Moulding Expo beitragen. Übrigens: Ich bin sehr stolz darauf, dass unsere Mitglieder vor 25 Jahren den Verband gegründet haben und uns bis heute die Treue halten und unsere Arbeit so würdigen.
Wie hat sich die Situation im Werkzeugbau in den letzten Jahren verändert?
Generell geht es der Branche gut. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt – auch über einen längeren Zeitraum hinweg. Die guten Betriebe haben schöne Aufträge. Was mitunter Anlass zur Sorge gibt, ist die Zahlungsmoral, gerade bei einigen großen Kunden. Von uns Werkzeugmachern wird viel gefordert, insofern erwarte ich auch, dass wir ordentlich bezahlt werden – ordentlich im Sinne von pünktlich und zuverlässig. Und ohne fragwürdige Verzögerungen. Gerade für viele kleine Betriebe kann das zum Problem werden, wenn vorfinanzierte Gelder, die ihnen zustehen, zurückgehalten werden.
Welche Themen bewegen die Branche derzeit besonders?
Neben dem Dauerthema Fachkräftemangel stellt das regelmäßige Aktualisieren des Maschinenparks die Betriebe vor große Herausforderungen. Aber nur so bleiben sie hinsichtlich Schnelligkeit, Präzision und Flexibilität wettbewerbsfähig. Auch die Digitalisierung der Betriebsabläufe und der Prozesse kommt. Allerdings brauchen wir hier Lösungen, die sich an unterschiedliche Bedarfe anpassen lassen. Ein Acht-Mann-Betrieb braucht etwas anderes als ein Werkzeugbau mit 200 Mitarbeitern. Und dann höre ich immer wieder, das Geld werde am Span verdient. Das halte ich nur für bedingt richtig. Verschwendung und unproduktive Nebenzeiten zu vermeiden, bietet heute ein erheblich größeres Potenzial, die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit zu steigern, als das reine Optimieren der Zerspanung.
Inwieweit sind die Digitalisierung und die Vernetzung in den Betrieben angekommen?
Im VDWF verfolgen wir das Thema auf drei Ebenen. Zunächst geht es darum, die Abläufe im Werkzeugbau und dessen Fertigung zu digitalisieren. In Grundzügen ist das mit dem Aufkommen von CAD-CAM-Systemen in den Betrieben angekommen. Heute geht das natürlich viel weiter. Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die da mittlerweile recht gut aufgestellt sind. Der nächste Schritt ist die Vernetzung mit der Peripherie, mit Partnern, Zulieferern oder Kunden. Auch hier sehe ich teileweise schon gute Ansätze, aber in der Breite muss sich hier noch einiges bewegen. Gerade viele kleinere Betriebe könnten davon noch erheblich profitieren. Die dritte Ebene der Digitalisierung betrifft die Werkzeuge selbst, indem diese intelligent als Produktionsmittel mit der Fertigungsumgebung vernetzt werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier noch eine Reihe von Meilensteinen setzen können.
Wie können kleinere Betriebe von einer externen Vernetzung profitieren?
Beispielsweise indem sie innerhalb eines Partnernetzwerks fehlende Kapazitäten zukaufen oder brach liegende anbieten können. Oder indem sie strategische Allianzen bilden, um internationale Märkte zu erschließen, die für den Einzelnen nicht erreichbar wären. Gemeinsam können mehrere kleine Werkzeugbauer auf Feldern aktiv werden, die sie sonst den großen Anbietern überlassen müssten. Industrie 4.0 beginnt in den Köpfen. Erst wenn die nötige Offenheit und das Vertrauen zueinander da sind, kann man davon wirklich profitieren.
Wie wird die Digitalisierung die Werkzeuge an sich verändern?
Wir erleben das zum Teil schon heute: Da werden Stanz- oder Umformwerkzeuge mit Sensorik ausgestattet und mit der Maschinensteuerung vernetzt, so dass sie sich im Prozess selbst optimieren können. Ähnliche Entwicklungen sehen wir auch bei Spritzgießwerkzeugen. Dadurch sind heute komplexe Geometrien wirtschaftlich herstellbar, die noch vor kurzem so nicht denkbar waren. Bei den Spritzgießwerkzeugen geht der Trend zudem hin zu flexibleren Prozessen. Unterschiedliche Varianten eines Bauteils können dann mit demselben Werkzeug gespritzt werden. Beides wird deutlich zunehmen und beides erfordert vom Werkzeugbauer ein hohes Maß an Präzision und Prozessverständnis. Das ist wieder eine Chance, sich vom Wettbewerb abzuheben. Und es wird die Werkzeuge verteuern.
Hat die additive Fertigung das Potenzial, zu einem Standardverfahren zu werden?
Muss sie das? Muss ich als Werkzeugmacher alle Fertigungsverfahren und Betriebsmittel selbst besitzen und betreiben? Ich denke: Nein! Die additiven Verfahren sind ein gutes Beispiel dafür, dass es sinnvoller sein kann, bestimmte Leistungen zuzukaufen. Ich denke eher, dass es hier künftig Spezialisten geben wird, die diese Anlagen rund um die Uhr auslasten können.
Was bedeuten diese Entwicklungen für die nötige Qualifikation der Mitarbeiter?
Die Platitude vom lebenslangen Lernen gilt mehr denn je. Und wir müssen Spezialisten aus anderen Fachbereichen anwerben und für unsere Branche fit machen.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de