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KI hilft, Produktionsprozesse schneller zu entwickeln und einzuführen

Künstliche Intelligenz lässt unreife Prozesse schnell reifen
KI hilft, Produktionsprozesse effizienter zu entwickeln und einzuführen

Produktionsprozesse auszulegen wird immer anspruchsvoller. Forscher – unter anderem am Karlsruher KIT oder am ILT in Aachen – nutzen künstliche Intelligenz, um die Abläufe schnell zu verstehen und gezielt zu optimieren. Das Ziel: In kürzer Zeit und mit geringerem Kostenaufwand hochwertige Produkte herstellen.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Die Herausforderungen für Produktionstechniker wachsen kontinuierlich. Kürzere Produktlebenszyklen, volatile Märkte und das Streben nach mehr Nachhaltigkeit beschleunigen diese Entwicklung. Nachhaltigere Produkte sind oft verbunden mit schwer zu bearbeitenden Materialien, neuen Fertigungsverfahren und extremen Qualitätsanforderungen. Zugleich steigt der Wettbewerbs- und Preisdruck weiter. Das alles zwingt die Verantwortlichen, die Grenzen des technisch Machbaren auszureizen. Das Dilemma dabei: Die Voraussetzung, um hochwertige Produkte kosteneffizient zu produzieren, sind ausgereifte Prozesse. Sie zu entwickeln, erforderte aber schon in der Vergangenheit viel Expertenwissen, Erfahrung, eine umfangreiche Planung und viele Versuche bis zum Ramp-Up.

Prozesse gezielt durchdringen

Die Forschungsgruppe „KI-basierte Methodik für die schnelle Ertüchtigung unreifer Produktionsprozesse“ des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Fraunhofer Gesellschaft will der Industrie den Weg ebnen, auch komplexe Produktionsprozesse – etwa in Feldern wie dem Leichtbau oder der Elektromobilität – künftig schneller gesamtheitlich zu durchdringen, um sie dann gezielt und schnell zu gestalten oder anpassen zu können. Durch den systematischen Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) soll die Prozessgestaltung effizienter und kostengünstiger möglich werden. Das Ziel sind nicht nur hochwertige, zuverlässige und wettbewerbsfähige Produkte, sondern auch eine kürzere Zeit bis zu deren Markteinführung.

So lernt die KI schnell

„Wir betrachten zunächst den Prozess der Umformung von Faserhalbzeugen“, sagt Prof. Jürgen Beyerer vom Institut für Anthropomatik und Robotik des KIT und Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB. Hier seien aktuell manuelle Nacharbeiten wie erneutes Erwärmen oder Umformen notwendig, bis die richtigen Prozessparameter und -schritte gefunden und eingestellt sind. „Unser Ziel ist es, den Vorgang möglichst schnell zu verstehen, um auf dieser Basis den Prozess so regeln zu können, dass früher Produkte mit guter Qualität entstehen.“

Dafür stattet das Team den Produktionsvorgang mit erweiterter Aktuatorik und Sensorik aus – etwa mit Robotik und zusätzlichen Messinstrumenten. Mithilfe dieser „Überinstrumentierung“ wollen die Forschenden möglichst viele Informationen wie Temperaturen, Drücke oder Kräfte erfassen. Je nach Vorhersage eines selbstlernenden Modells können dann die Größen identifiziert werden, die zur Prozesskontrolle benötigt werden. „Wir wollen die unreifen Prozesse systematisch so ausstatten, dass eine KI relativ schnell lernen kann, wie Prozessparameter und -ergebnis mit der Produktqualität zusammenhängen“, erzählt Beyerer.

KI gibt Empfehlungen

Damit dieser Vorgang nicht für jeden einzelnen Prozess wiederholt werden muss, wollen die Forschenden die Erkenntnisse verallgemeinern und einen Baukasten entwickeln, der für alle ähnlichen Prozesse verwendet werden kann. Mittels dynamischer Modellierung soll ein digitales Abbild des Prozesses datenbasiert erstellt werden, um schon vorab die Datenbasis testen zu können. „Dieser Ansatz, noch nicht vollständig ausspezifizierte Produktionsprozesse schnell reif zu machen, ermöglicht es zudem, die Erkenntnisse aus der Forschung schnell in die Industrie zu übertragen“, stellt Prof. Jürgen Fleischer, Leiter des wbk Instituts für Produktionstechnik des KIT in Aussicht. „Unternehmen erhalten sowohl eine Vorgehensweise, um ihre Prozesse schnell anzupassen, als auch Möglichkeiten, den Prozessreifegrad zu messen.“

Laserprozesse schnell anpassen

Wie das in der Praxis aussehen könnte, zeigt beispielsweise das BMBF-Verbundprojekt Dipool, in dem vier Industrieunternehmen und zwei Forschungsinstitute gemeinsam Demonstratoren fürs Laserschneiden und Laserschweißen entwickeln. Mit deren Hilfe sollen auch kleine und mittlere Betriebe in die Lage versetzt werden, Laseranlagen selbst bei häufig wechselnden Anwendungen schnell und zuverlässig im optimalen Bereich zu betreiben, ohne für das Feintuning Laserexperten beschäftigen zu müssen.

„Wir sind auf dem Weg von der automatisierten zur autonomen Lasermaschine“, berichtet Dr. Dirk Petring, Gruppenleiter Makrofügen und Schneiden am Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen und wissenschaftlicher Koordinator des Verbundprojekts. Dabei könne KI helfen, die Autonomie und Funktionalität von Maschinen in einem bisher nicht erreichten Maß zu erhöhen. „Von Experten gut ausgebildete KI erkennt Systemabweichungen, Fehler und Qualitätsmängel schneller und zuverlässiger als klassische Überwachungs- und Regelungssysteme. KI kann Sensorsignale auf umfangreichere und sogar bisher unerkannte Mustereigenschaften hin analysieren.“

Industrie profitiert bereits

Im Projekt kombinieren die Spezialisten die zeitliche und räumliche Programmier- und Kontrollierbarkeit von Laserwerkzeugen mit maschinellem Lernen (ML). Konkret geht es um die automatische und robuste Überwachung, Qualitätssicherung und Optimierung von Lasermaschinen bei wechselnden Fertigungsaufgaben.

Dipool soll erstmals die Vorteile der Integration maschinellen Lernens bei den umsatzstärksten Laserfertigungsverfahren Schneiden und Schweißen demonstrieren. „Von den Ergebnissen profitieren außer den Laserherstellern alle Branchen, die Bleche verarbeiten“, sagt Petring. „Unterstützt werden wir vom Karlsruher Institut für Industrielle Informationstechnik IIIT, von denen die Grundlagen einer effizienten Signalanalyse für das maschinelle Lernen stammen.“ Das Implementieren der trainierten ML-Algorithmen in das sogenannte Inferenzsystem der Lasersteuerung übernimmt Marx Automation.

Für die Datenerfassung nutzt das Projektteam unter anderem eine neuartige, multispektrale Sensorik von 4D Photonics. „Wir erhoffen uns, mit ihr den mit ML verwertbaren Informationsgehalt der Prozesssignale insbesondere beim Laserstrahlschweißen zu steigern“, sagt Petring. Die smarte Systemtechnik und Sensorik für Laserschneidanlagen stammt von Precitec. Die neueste Generation Laserschneidkopf wird mit für die KI-Software und den Dipool-Ansatz entwickelter Sensorik und Datenschnittstelle ausgestattet.

Automatic-Systeme Dreher nutzt die Technik in seinem Demonstrator zum Laserstrahl-Hochgeschwindigkeitsschneiden von Formplatinen aus dem laufenden Blechband. In dieser Versuchsanlage soll mit den intelligenten ML-gestützten Algorithmen der Schneidprozess überwacht und bei Abweichungen automatisiert angepasst werden. Geschlossene Regelschleifen sollen die geforderte Schnittqualität und Produktivität sicherstellen. Laserdienstleister LBBZ demonstriert mit der gleichen digitalen Optimierungstechnik in einer Laserroboterzelle, wie sich das 3D-Schweißen verbessern lässt.

Projektkoordinator Petring geht davon aus, dass sich die Gesamtanlageneffektivität, die sogenannte Overall Equipment Effectivity OEE, um 25 % erhöhen lässt.

Kontakt:
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Kaiserstraße 12
76131 Karlsruhe
Tel.: +49 721 6080
info@kit.edu
www.kit.edu

Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
Steinbachstraße 15
52074 Aachen
Tel.: +49 241 8906-0
redaktion@ilt.fraunhofer.de
www.ilt.fraunhofer.de

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