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Kleine Märkte, aber oho

Brennstoffzelle: Fürs Automobil auf dem Weg, in anderen Bereichen schon angekommen
Kleine Märkte, aber oho

Wer Potenziale sieht, als Zulieferer in die Brennstoffzellenbranche einzusteigen, sollte nicht zu sehr auf die Fahrzeugindustrie schielen. Es gibt kleinere Bereiche, die schon früher zu interessanten Stückzahlen kommen könnten.

Die Brennstoffzelle ist in den vergangenen Jahren schon des Öfteren hochgejubelt worden. Die Ernüchterung folgte meist auf dem Fuße. Zu teuer, zu unausgereift, zu unzuverlässig, hieß es jedes Mal. An eine Serienproduktion war nicht zu denken. Inzwischen sieht es aber ganz so aus, als sei die Brennstoffzelle erwachsen geworden. Die ersten Hersteller wagen sich in den Markt.

Zwar wird das Wasserstoffauto noch auf sich warten lassen. Dafür sind die Anforderungen – Betriebstemperaturen von -20 bis 50 °C und eine Lebensdauer von mindestens zwölf Jahren – zu hoch. Doch das Auto ist längst nicht allein das Maß aller Dinge. „Es sind vor allem die kleinen Systeme, die kurz vor der Markteinführung stehen – kleine Aggregate für die Bordstromversorgung von Wohnmobilen oder Notstromaggregate“, sagt Klaus Bonhoff, Geschäftsführer der durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geförderten Nationalen Organisation Wasserstoff und Brennstoffzelle (NOW), die die Entwicklung und Etablierung der Technologie vorantreibt. Das klingt vernachlässigbar klein. „Doch diese Märkte sind nicht zu unterschätzen“, warnt Bohnhoff. „Wir rechnen in den nächsten zwei bis drei Jahren bereits mit Stückzahlen von mehreren Tausend jährlich.“
Zu den derzeit weltweit erfolgreichsten Herstellern derartiger Systeme gehört die Firma Smart Fuel Cell (SFC) aus München, die in den vergangenen fünf Jahren kleine Brennstoffzellengeräte zur Stromversorgung von Wohnmobilen, Berghütten oder ferngesteuerten Überwachungskameras zur Serienreife entwickelt hat. Allein 2007 lieferte das Unternehmen 4500 Geräte aus. In der Branche gilt die Firma als Pionier. Zwar gibt es auch in den USA Anbieter wie Plugpower oder Relion, die vergleichbare Systeme anbieten. Keiner aber schafft derartige Verkaufszahlen.
Vorstand Jens Müller erklärt den Erfolg so: „Wir wollten mit unserem System nicht mit etablierten Lösungen wie Batterie oder Solarzelle konkurrieren, sondern eine Ergänzung schaffen: Unsere Anlage bügelt die Schwächen der anderen aus.“ Batterien zum Beispiel eignen sich hervorragend, um kurzfristig Spitzenströme zu erzeugen, besonders lange aber halten sie das nicht durch. Die Brennstoffzelle hingegen liefert über lange Zeit Strom und kann damit eine Standard-12-Volt-Batterie kontinuierlich versorgen.
Die Münchner setzen Methanol als Brennstoffzellen-Treibstoff ein, der in handlichen Transportkartuschen ausgeliefert wird. Bei Bedarf ist auch mehr möglich. Ein Zehnliterkanister etwa kann eine Berghütte bei moderatem Verbrauch bis zu vier Wochen mit Strom versorgen. Ein entsprechender Bleiakku wäre um ein Vielfaches schwerer. „Manche halten unser System für ein Nischenprodukt“, räumt Müller ein. „Aber diese Nische ist riesig. Zwei Millionen Wohnmobile gibt es in Europa. Das allein ist schon ein großer Markt. Daneben bieten wir Elektrifizierung für viele andere Bereiche.“
Das Beispiel macht klar, dass das Brennstoffzellengeschäft erheblich an Dynamik gewinnt. Gerade für Zulieferer tut sich damit ein vielversprechender Markt auf, denn der Bedarf an Komponenten wie Dichtungen, Pumpen, Ventilen und Gebläsen ist riesig.
Noch vor wenigen Jahren hätten die Mitarbeiter der FWB-Kunststofftechnik nicht im Traum daran gedacht, Brennstoffzellenbauteile zu fertigen. Der Autozulieferer aus Pirmasens ist Spritzguss-Spezialist und fertigt unter anderem elektrische Gaspedale. 2005 stieg die Firma in ein vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg koordiniertes Projekt ein – die Entwicklung einer so genannten planaren Mikrobrennstoffzelle, eines handlichen Stromaggregats, das Container-Tracking-Module versorgt.
Zunächst ging es nur darum, das Gehäuse für das Funk-Überwachungsgerät aus Kunststoff zu fertigen. Schnell aber war klar, dass sich auch andere Komponenten spritzgießen lassen – zum Beispiel die Bipolarplatten, jene Brennstoffzellen-Bauteile, die den Strom ableiten und das Methanol ins Herz der Zelle leiten. In der Regel stellt man Bipolarplatten aufwendig aus Grafit her. Eine Spritzgussmaschine kann sie im Minutentakt auswerfen. „Derzeit testen wir die Zellen bei mehreren Anwendern“, sagt Alexander Dyck, Projektleiter Brennstoffzelle bei FWB. „2010 wollen wir mit der Vermarktung beginnen.“
Die Kunststoff-Brennstoffzelle zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie ohne Pumpen auskommt, die für gewöhnlich Methanol und Luft in die Reaktionskammer einer Brennstoffzelle treiben. Erst dadurch wird das kleine Baumaß von nur 10 cm Kantenlänge möglich. Für Dycks Kooperationspartner Ulf Groos vom ISE ist diese „passive“ Bauweise der Schlüssel für eine weitere Miniaturisierung der Brennstoffzelle – und einen künftigen Einsatz im Multifunktions-Handy oder in anderen elektrischen Kleingeräten.
Im Haus hält die Brennstoffzelle ebenfalls langsam Einzug – für die Produktion von Wärme und Strom. Vorangetrieben wird die Entwicklung dieser stationären Brennstoffzellen derzeit vor allem auch von der NOW, die Brennstoffzellenhersteller und potenzielle Zulieferer zusammenbringt. Eine ähnliche Vermittlerrolle übernimmt die Arbeitsgemeinschaft Brennstoffzellen im VDMA.
Trotz dieser Bemühungen hat momentan in Sachen Haus-Energieversorgung Japan die Nase vorn. Während in Deutschland bislang nur etwa Hundert Testanlagen in den Kellern von Eigenheimen schnurren, sind es im fernen Osten mehr als 3000. Für das nächste Jahr haben japanische Hersteller die Markteinführung angekündigt. „Das ist durchaus ernst zu nehmen“, sagt Volker Banhardt, Brennstoffzellen-Experte bei der Freudenberg Fuel Cell Technologies (FFCCT), „die Japaner haben in dieser Branche einen Entwicklungsvorsprung von einigen Jahren.“
Auch er ist davon überzeugt, dass die Brennstoffzellenbranche derzeit deutlich an Schwung gewinnt. Firmen wie P21 aus München, die Notstromaggregate mit Brennstoffenzellenherz für Mobilfunkstationen herstellen oder Unternehmen wie Proton-Motor, die Antriebe für Omnibusse oder Gabelstapler entwickeln, zeigen, was inzwischen alles möglich ist. Natürlich sind das zunächst Nischenlösungen. Doch derer gibt es viele.
„Für mittelständische Unternehmen lohnt es sich inzwischen definitiv, in die Technik zu investieren“, sagt NOW-Vorsitzender Klaus Bonhoff. Im Automobilsektor rechnet er ab 2015 mit einer Brennstoffzellen-Flotte von etwa 10 000 Fahrzeugen, bis 2020 dürften es nach seiner Einschätzung einige 100 000 sein. „Doch davon sollte man sich nicht leiten lassen. Schon jetzt gibt es Märkte – in vielen Branchen, in denen die Hürden nicht so hoch sind, wie in der Automobilindustrie.“
Tim Schröder Fachjournalist in Oldenburg
Schwächen der anderen Systeme ausbügeln

Zukunftsmärkte
Wer sich mit seinen Chancen in der Brennstoffzellen-Branche näher befassen will, kann sich an verschiedene Institutionen wenden. Die in Berlin ansässige Nationale Organisation Waserstoff und Brennstoffzellentechnologie NOW GmbH stellt sich, die Märkte, Projekte und Grundwissen im Internet vor unter www.now-gmbh.de. In der VDMA Arbeitsgemeinschaft Brennstoffzellen sind etwa 50 Unternehmen und Institutionen organisiert, die die gesamte Wertschöpfungskette repräsentieren: Das Potenzial der Brennstoffzellen-Technik für den Maschinen- und Anlagenbau sei riesig.
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