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Kundennutzen besser abschätzen

Management
Kundennutzen besser abschätzen

Neben der Fähigkeit kundenindividuelle Lösungen zu marktfähigen Preisen anzubieten, ist die Identifizierung des strategischen Produktnutzens ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg.

Prof. Dr. Günther Schuh, Dr. Christian Dölle, Johanna Ays
WZL der RWTH Aachen

In der produzierenden Industrie ist in den vergangenen Jahren die Variantenvielfalt stetig angestiegen, meist bedingt durch historisch gewachsene Produktprogramme und kürzere Produktlebenszyklen. Um dem steigenden Druck der Erfüllung von differenzierten Kundenanforderungen und -wünschen gerecht zu werden, stehen Unternehmen immer häufiger vor der Herausforderung, kundenindividuelle Lösungen unter der Bedingung geringer interner Aufwände anzubieten und diese in vielen Fällen darüber hinaus nachhaltig in das bereits bestehende Produktportfolio zu integrieren. Eine Frage, die in vielen Unternehmen jedoch häufig nicht ausreichend beantwortet wird, lautet: „Hat der neue Kunde oder der neue Auftrag, den es nun innerhalb des Produktprogramms zusätzlich zu berücksichtigen gilt, überhaupt einen strategischen Nutzen für das eigene Unternehmen?“ Eine schnelle, aufwandsarme Beurteilung, ob neben dem Umsatz ein wirklicher strategischer Nutzen mit dem neuen Auftrag für das Unternehmen erzielt werden kann, ist derzeit nicht realisierbar.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Thema „Ähnlichkeitsbasierte Produktkonfiguration“ wurde am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen ein Modell entwickelt, das bei der Ermittlung des strategischen Kundennutzens unterstützen soll und es produzierenden Unternehmen ermöglicht, eine transparente Darstellung über die Nutzenhöhe eines neuen Produktauftrags zu erzeugen. Der Überblick über das eigene Unternehmen und die adressierten Märkte sowie über das Anforderungs- und Produktprofil bildet die Grundlage des entwickelten Modells. Die drei genannten Ebenen können mit Hilfe von sogenannten Analyselandkarten sortiert und anhand von Ähnlichkeitsmerkmalen bezüglich Kunden, Anforderungen und Produkten zu jeweiligen Segmenten gruppiert werden. Auf Grundlage dieser Merkmale und einem zu ermittelnden Kundenwert lässt sich ein Kunden-, Anforderungs- und Produktsegmentfit ermitteln. Hierbei beschreibt „Fit“ die Positionierung und die Ähnlichkeit zwischen einem neuen Kunden und bereits bestehenden Profilen und Segmenten.

Kunden bewerten

Der Kundenwert stellt den wichtigsten Faktor dar, der vom eigenen Unternehmen zu bestimmen ist. In Abgrenzung zum Kundennutzen wird er als Wert des Kunden aus Sicht des Unternehmens definiert. Dieser richtet sich im Wesentlichen an den Markt- und Ressourcenpotenzialen des neuen Kunden aus und zeigt, in wie weit eine Abweichung von bestehenden Markt-, Anforderungs- und Produktsegmenten erlaubt ist, sodass sich ein Mehrwert für das Unternehmen ergibt. Je höher der Kundenwert, desto höher ist auch die erlaubte Abweichung von bestehenden Segmenten.

Im Sinne des Kundensegmentfit gilt es, Kunden mittels Eigenschaften, wie etwa anhand der Preissensitivität, zu klassifizieren und strategische Kundensegmente zu identifizieren, die unabhängig von den klassischerweise betrachteten Kundenkategorien zu beurteilen sind. Gemeinsam mit dem ermittelten Kundenwert ist es dann möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob Ähnlichkeiten zwischen dem neuen Kunden und bestehenden Kundensegmenten vorliegen. Fragen wie „Passt der neue Kunde in das Kundenportfolio? Können mit diesem Kunden weitere Kunden akquiriert werden? Kann aus einem neuen Kundenbereich des Marktes etwas gelernt werden?“ unterstützen die Ermittlung und Beurteilung des Kundensegmentfit.

Neben der Betrachtung des Kundensegmentfit sollte ein Unternehmen die Kompetenz entwickeln, gezielt und strategisch individuelle Kundenanforderungen abzudecken. Häufig ist jedoch nicht direkt ersichtlich, ob die neuen Anforderungen sich innerhalb des bestehenden Anforderungsprofils des eigenen Unternehmens befinden oder nicht. Einfache Fragen wie „Ist das Anforderungsprofil bekannt oder wurde dieses in der Vergangenheit bereits gelöst? Entspricht das neue Anforderungsprofil einem ohnehin strategisch zu entwickelndem Anforderungsprofil? Ist zu erwarten, dass das neue Anforderungsprofil in Zukunft häufiger nachgefragt wird?“ helfen bei der Identifizierung des Anforderungsfit und der Ermittlung einer entsprechend angepassten Produktkonfiguration für den Kunden.

In der Produktebene besteht das Ziel darin, aus unternehmensinterner Sicht ähnliche Produktprofile zu identifizieren und ein neues Produkt in das bestehende Produktportfolio einzuordnen. Mithilfe der Produktlandkarte und Leitfragen wie: „Kann die potenziell neue Produktvariante die Basis für weitere Produkte bilden? Können Synergien zu anderen Produkten des Unternehmens hergestellt werden?“ wird die Bewertung des Produktsegmentfit unterstützt. Neben der schnellen Nutzenbeurteilung kann die Betrachtung des Produktsegmentfit, in Verbindung mit der Kopplung von ohnehin geplanten Produkten an neue Produktaufträge, zusätzlich eine Reduzierung der Entwicklungskosten ermöglichen. Der Kundenwert dient in der Produktlandkarte hauptsächlich dazu, die Diskussion zu steuern. So wird der strategische Nutzen eines Kundenauftrags mit einem geringen Kundenwert auf der Produktseite nur gering sein, falls das Produktprofil stark von den bestehenden Segmenten abweicht.

Die ermittelten Analyselandkarten sowie die kreisförmige Darstellung des Kundenwertes bilden die Basis für die transparente Beurteilung und Darstellung des strategischen Nutzens. Das vorgestellte Modell ermöglicht damit eine differenzierte Bewertung des strategischen Nutzens eines Produktauftrags in frühen Phasen des Auftragsabwicklungsprozesses. Es befähigt Unternehmen den zuvor meist intuitiv ermittelten strategischen Nutzen als transparenten Entscheidungsprozess zu etablieren. Darüber hinaus wird Unternehmen die Möglichkeit geboten, den strategischen Nutzen bei einer Veränderung der Produktkonfiguration abzuschätzen und zu beurteilen.

Die Autoren der RWTH Aachen bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG für die Unterstützung im Rahmen des Projekts „SimDataSim – Entwicklung einer Methodik zur Steigerung der Skaleneffekte durch eine ähnlichkeitsbasierte Produktkonfiguration“.

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