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„Mit der Initiative wollen wir unsere Vorreiterrolle weiter ausbauen“

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„Mit der Initiative wollen wir unsere Vorreiterrolle weiter ausbauen“

„Mit der Initiative wollen wir unsere Vorreiterrolle weiter ausbauen“
„Werkzeugmaschinen sind Schlüsselfaktoren für eine nachhaltige Produktion in allen anderen Fertigungsbranchen.“
Was die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie mit ihrer Blue-Competence-Initiative bislang erreicht hat, sagt Martin Kapp. Er ist Vorsitzender des deutschen Branchenverbands VDW, Präsident des europäischen Verbands CECIMO und Geschäftsführer der Coburger Kapp-Gruppe.

Herr Kapp, welche Ziele verfolgt der VDW mit der Blue-Competence-Kampagne?

Es geht darum, bei den Herstellern und Nutzern von Werkzeugmaschinen eine neue Denkweise zu fördern. Obwohl gerade die deutschen Werkzeugmaschinenbauer schon lange auf die Effizienz und Nachhaltigkeit ihrer Produkte achten, haben uns geplante Richtlinien seitens der EU aufgeschreckt, weil sie nicht praktikabel sind. Deshalb wollten wir proaktiv handeln und uns so über eine freiwillige Selbstregulierung die nötigen konstruktiven Freiräume erhalten. Wir müssen unbedingt auf die Verordnungen aus Brüssel achten, denn was Brüssel vorgibt, setzt Berlin nur noch um. Und wenn gewisse Vorgaben erst einmal in Gesetze gegossen sind, wird´s schwierig, damit umzugehen.
Wo liegen die Schwierigkeiten?
Es gibt nicht die eine Werkzeugmaschine, die dann auch noch in einem genau definierten Prozess arbeitet. Wir haben vielmehr sehr unterschiedliche Technologien, Verfahren und Maschinen und ganz verschiedene Ansätze, mit ihnen zum fertigen Bauteil zu kommen. Nicht der Energie- und Ressourceneinsatz an einer einzelnen Maschine ist entscheidend, sondern der Verbrauch im Gesamtprozess. Das mit einer standardisierten Klassifizierung vernünftig zu bewerten, ist einfach nicht möglich. Und dabei ist noch nicht mal berücksichtigt, dass eine energieintensivere Fertigung unterm Strich durchaus Sinn machen kann, wenn beispielsweise ein Bauteil, das den Verbrauch eines Autos senkt, nur so herzustellen ist.
Worauf hat sich die Branche im Rahmen der Initiative verständigt?
Wir haben uns auf gemeinsame Verfahren und Prinzipien verständigt, um den Ressourcen- und Energieverbrauch zu senken, verbesserte Managementsysteme für Abfall und Recycling einzuführen sowie Nachhaltigkeitsprinzipien in unseren eigenen Produktionen umzusetzen.
Was bedeutet Nachhaltigkeit im Rahmen von Blue Competence?
Es geht nicht nur um Energieeffizienz. Die Haltbarbeit der Anlagen, ihre Langzeitpräzision und Zuverlässigkeit gehören ebenso dazu, wie ein optimierter Materialeinsatz. Außerdem gilt es etwa, umweltschädliche Betriebsstoffe durch unbedenkliche zu ersetzen. Das Ziel ist, Fertigungsprozesse nicht nur produktiver zu machen, sondern auch die Umweltverträglichkeit sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Damit gehen wir über den ursprünglichen EU-Ansatz hinaus, der zunächst nur den Energieverbrauch berücksichtigte. Natürlich müssen sich alle Maßnahmen rechnen. Aber es gibt noch viele Stellschrauben, um Prozesse zu optimieren – auch für die deutschen Anbieter, die schon auf einem sehr hohen Level sind.
Was können Maschinenbauer tun, um diese Werte zu pflegen?
Werkzeugmaschinen sind Schlüsselfaktoren für eine nachhaltige Produktion in allen anderen Fertigungsbranchen. Unsere Betriebe haben ein immenses Prozess-Know-how. Mit diesem Wissen können sie dazu beitragen, Abläufe zu optimieren. Außerdem gilt es, die Maschinen zu verbessern, wo es noch Potenzial gibt. Optimierte Pausenregelungen oder verkürzte Warmlaufphasen sind Beispiele. Mit intelligenter Steuerungs- und Regelungstechnik lässt sich da noch einiges erreichen.
Wie groß schätzen Sie das Verbesserungspotenzial noch ein?
Das ist heute sehr schwer zu beziffern. Es wird nicht einen einzelnen Aspekt geben, der große Sprünge ermöglicht. Die Summe an kleinen Verbesserungen wird den Unterschied machen.
Welchen Einfluss hat Blue Competence auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Maschinenbauer?
Unser dichtes Netz an Forschungs- und Bildungseinrichtungen, kompetenten Zulieferern, Technologiewissen und erfahrenen Produktionsspezialisten ist ein riesiger Wettbewerbsvorteil. Den wollen wir schnell und konsequent nutzen und unsere Vorreiterrolle weiter festigen. Daran werden sich andere messen müssen – vor allem auch der Wettbewerb aus Asien.
Wo stehen die europäischen und speziell die deutschen Maschinenbauer im Vergleich zu asiatischen Anbietern?
Gerade was die Nachhaltigkeit unserer Produkte angeht, haben wir technologisch einen großen Vorsprung. Natürlich wird der Wettbewerb – speziell aus Japan und China – aufholen, aber gerade in diesem Bereich wird das schwierig und teuer. Ich sehe hier ein echtes Alleinstellungsmerkmal für unsere Anbieter, das wir unbedingt ausbauen sollten.
Heißt das, dass die Produktivität als Entscheidungskriterium verliert?
Nein. Produktivität, Präzision, Zuverlässigkeit und die Kosten bleiben weiterhin die entscheidenden Kriterien beim Kauf einer Werkzeugmaschine. Mit der Nachhaltigkeit kommt ein weiterer Aspekt auf unsere Angebotsliste, mit dem wir uns vom Wettbewerb abheben können.
Honorieren die Kunden die Anstrengungen hinsichtlich Ressourceneffizienz?
Zunehmend ja. Die Debatte um den Energieverbrauch und den Schadstoffausstoß sowie die Aussicht auf Strafzahlungen haben ein Umdenken in Gang gebracht. In vielen Betrieben – insbesondere in der Großindustrie wie dem Automobilbau – wird zunehmend daran gearbeitet, mehr Transparenz in die Energie- und Materialkosten zu bringen. Das ermöglicht, den Nutzen energieeffizienterer Anlagen konkreter zu beziffern und dann auch einen eventuellen Mehrpreis in der Maschinenanschaffung zu rechtfertigen. Ich gehe davon aus, dass künftige Verhandlungen diese Akzeptanz bestätigen werden.
Spricht aus diesen Worten eher die Hoffnung oder bereits die Sicherheit?
Augenblicklich noch eher die Hoffnung.
Welche Verpflichtungen gehen Maschinenbauer ein, die sich der Blue-Competence-Initiative anschließen?
Sie verpflichten sich, nachhaltige Ideen umzusetzen, entsprechende Lösungen zu entwickeln und Ziele zu erreichen. Aber Blue Competence ist nicht starr und behindert den Fortschritt nicht. Jeder hat selbst die Entscheidungshoheit, welche Lösung er unterm Strich für die erfolgversprechendste hält. Die Initiative macht keine konkreten Vorgaben. Auf ein Hydrauliksystem zu verzichten, kann beispielsweise im einen Fall der richtige Weg sein und in einem anderen genau der falsche. Die konstruktive Freiheit muss erhalten bleiben. Nur so können wir den nötigen Fortschritt sichern und die bestmögliche Lösung finden.
Inzwischen hat der europäische Verband CECIMO die Leitung der Kampagne für die Werkzeugmaschinenindustrie übernommen. War das von vornherein so geplant?
Ja. Es war von Anfang an klar, dass wir Blue Competence schnellst möglich auf eine europäische Ebene heben müssen. Die EU beschäftigt sich nicht mit Anliegen aus einzelnen Ländern. Deshalb bin ich froh, dass wir mit CECIMO inzwischen eine größere Bühne erreicht haben. Damit können wir unsere Anliegen auf einer viel breiteren Basis transportieren. Diese Aufgabe wäre im Übrigen für einen vergleichsweise kleinen Verband wie den VDW gar nicht zu stemmen gewesen.
Inwieweit ist die Initiative international tatsächlich angekommen?
In Bereich Werkzeugmaschinen ist sie durch CECIMO angekommen. Was den Allgemeinen Maschinenbau angeht, muss sicher noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. In manchen Ländern gibt es noch eigene Ansätze, aber das scheint mir eher durch emotionale als durch fachliche Widerstände begründet. Ich gehe davon aus, dass Blue Competence am Ende die europäische Lösung für den gesamten Maschinenbau sein wird.
Wie viele Mitglieder hat die Initiative inzwischen national, wie viele international?
National haben sich inzwischen rund 50 Werkzeugmaschinenbauer angeschlossen, aus dem Maschinenbau allgemein hat die Initiative derzeit rund 260 Mitglieder. International haben die wichtigen Verbände aus Großbritannien, Frankreich, Portugal, Spanien, der Schweiz, Tschechien und der Türkei und natürlich wir den Kooperationsvertrag unterzeichnet.
Sehen Sie die Gefahr, dass deutsche Standards verwässert werden?
Ich gehe davon aus, dass unsere Standards übernommen werden. Wir wollen vorwärts kommen und keine Rückschritte hinnehmen. Im Gegenteil. Wir werden in einigen Bereichen sogar noch nachlegen müssen um unsere Position auszubauen. Ich sehe aber keinen Grund, warum unsere europäischen Kollegen diese Standards nicht erreichen sollten.
Thema Energielabel – was gibt´s Neues?
Wir denken darüber nach, welche Art der Klassifizierung als Ersatz dienen könnte. Ein reines Energielabel – wie etwa bei einem Kühlschrank – sehe ich aus den genannten Gründen als nicht praktikabel. Die sinnvollste Lösung wäre eine verantwortliche Selbstregulierung. Meine Hoffnung ist, dass die EU das inzwischen auch so sieht und die Politik unsere Anstrengungen honoriert. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.
VDW/Blue Competence auf der AMB: Halle 7, Stand D55
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