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Mit ruhigem Lauf zur präzisen Tiefbohrung

Stabiles Maschinenkonzept als Basis für anspruchsvolle, hochgenaue Operationen
Mit ruhigem Lauf zur präzisen Tiefbohrung

Komplettbearbeitung | Bis zu 6 m lange Wellen fertigt Kersten auf seinen Millturn-Zentren. Beide Maschinen sind bewusst umfangreich ausgestattet. Durch die clevere Kombination verschiedener Bearbeitungsverfahren konnte der Zulieferer die Durchlaufzeiten deutlich verkürzen. §

Autor: Haider Willrett

„Als klassischer Zulieferbetrieb müssen wir flexibel auf die Wünsche unserer Kunden reagieren“, sagt Udo Kersten. „Deshalb sind unsere beiden Millturns bewusst groß dimensioniert und auch mit Optionen ausgestattet, die wir nicht täglich brauchen“, fährt der Geschäftsführer der Kersten Maschinenbau GmbH fort. Zu den Kunden des Lohnfertigers aus Niederau bei Meißen gehören unter anderem Druck- und Textilmaschinenbauer sowie Hersteller von Getrieben, Generatoren, Messtechnik oder Anlagenbauer. „Wir fertigen Teile von sechs Millimeter bis sechs Meter, von zehn Gramm bis zehn Tonnen“, umreißt der Diplomingenieur das Spektrum. Zum Angebot gehören komplexe, einbaufertige prismatische und rotationssymmetrische Bauteile, inklusive der erforderlichen Wärme- und Oberflächenbehandlung sowie Schweiß- und Montagearbeiten. Die Losgrößen reichen von Einzelteilen bis hin zu 1000er-Serien.

Udo Kersten führt den 1965 von seinem Vater gegründeten Betrieb heute gemeinsam mit Jürgen Hinz. Vor rund sieben Jahren brauchten die beiden Unternehmer eine zuverlässige Maschine, die anspruchsvolle, wellenförmige Bauteile mit einer Länge von bis zu 4 m komplettbearbeiten kann. Die Sachsen suchten einen Anbieter mit viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Nach intensiver Recherche und durch die Referenz eigener Kunden, die von positiven Erfahrungen berichteten, fiel die Wahl auf eine M65 Millturn der WFL Milltrun Technologies GmbH & Co. KG aus Linz. Die Österreicher gehören zu den Pionieren der Dreh-Fräs-Komplettbearbeitung.
„Bis wir unsere M65 anschafften, mussten wir diese Bauteile in mehreren Schritten bearbeiten“, erzählt Jürgen Hinz. Nach dem Vordrehen gingen die Wellen an einen Kooperationspartner, der über die nötige Tiefbohr-Kapazität verfügte. Anschließend folgten die Fräsoperationen, das Fertigdrehen und Schleifarbeiten wieder im eigenen Haus. Mit den Millturns können diese Arbeiten in einer Aufspannung erfolgen – vorausgesetzt der Prozess erfordert keine Zwischenschritte wie etwa das Spannungsarm-Glühen der Wellen.
Udo Kersten erzählt: „Durch die Millturn wurde die Fertigung für uns deutlich einfacher und effizienter. Wir konnten die Prozesskette verkürzen und die Durchlaufzeiten senken.“ Was das im konkreten Fall heißt, beziffert der Unternehmer am Beispiel einer Generatorwelle für Windkraftanlagen: „Früher hatten wir bei diesem Teil Durchlaufzeiten von rund acht Wochen. Heute liegen wir bei weniger als fünf Wochen. Zudem konnten wir durch die geringere Zahl der Rüstvorgänge die Fertigungspräzision und die Prozesssicherheit verbessern.“
„Seit unsere M65 in Betrieb ging, läuft sie an fünf Tagen pro Woche rund um die Uhr“, berichtet Udo Kersten. Im Jahr kommen so über 5000 Betriebsstunden zusammen. Inzwischen ergänzt eine weitere Maschine aus Linz das Fertigungsnest, in dem insgesamt drei Dreh-Fräs-Zentren stehen: Seit 2013 können die Sachsen auf ihrer M120 Millturn bis zu 6 m lange und 10 t schwere Wellen bearbeiten. Die Personalbelegung richtet sich nach den zu fertigenden Teilen. Stehen anspruchsvolle Werkstücke auf der To-Do-Liste, wird jede Maschine von einem Facharbeiter bedient. Sind dagegen kleinere Serien abzuarbeiten – die Losgrößen auf den beiden Millturns reichen bis zu 50 Teilen –, werden die Programme so optimiert, dass sichere und stabile Abläufe eine Mehrmaschinen-Bedienung ermöglichen.
Beide Millturns von Kersten sind umfangreich ausgestattet. Eine Tiefbohreinheit ermöglicht Bohrungen mit Durchmessern von 120 mm und bis zu 1000 mm Tiefe. Die großen Bohrstangen befinden sich im Ruhezustand in einem Pick-up-Magazin über der Hauptspindel. Zu dieser Option gehört auch eine spezielle Hochdruck-Kühlmitteleinrichtung mit innerer Kühlmittelzufuhr und entsprechenden Schnittstellen fürs automatische Andocken der Werkzeuge. Bruno Reisbeck, regionaler Verkaufsleiter im Deutschland-Vertrieb von WFL ergänzt, beim Tieflochbohren werde mit zwei unterschiedlichen Kühlstrategien gearbeitet: Bei Bohrungen bis etwa 30 mm Durchmesser werden 28 l/min mit 80 bar zugeführt. Für die sichere Späneabfuhr ist bei größeren Durchmessern mehr Kühlschmierstoff nötig. Deshalb wird dann mit 200 l/min und einem Druck von 20 oder 40 bar gespült. Neben diesem Ausstattungspaket sind laut Reisbeck noch andere Merkmale entscheidend für präzise Tiefbohrungen: „Zu den Besonderheiten unserer Maschinen gehören die sehr gute Dämpfung, eine hohe Laufruhe und ein extrem stabiler Aufbau. Unser Kreuzschlittenprinzip sorgt für kleine Wirkabstände zwischen den Kraftangriffspunkten und den Führungen.“
Um möglichst flexibel auf Kundenanfragen eingehen zu können, hat Kersten seinen Maschinen weitere Optionen aus dem Technologie-Baukasten von WFL spendiert. Sie werden in Niederau zwar selten gebraucht, bedeuten aber im Fall der Fälle einen Wettbewerbsvorteil. Dazu gehören das Nutstoßen, das Verzahnungsfräsen sowie ein Rollierwerkzeug fürs Bearbeiten von Gleitlagersitzen. Außerdem schätzt Udo Kersten das Drehfräsen: „Große Wellen mit Nuten neigen beim Drehen zur Unwucht. Da ist es sehr von Vorteil, das Werkstück langsamer kreisen zu lassen und dafür die Rotation des Fräswerkzeugs zu nutzen, um die optimalen Schnittgeschwindigkeit zu erreichen.“ Durch die größere im Einsatz befindliche Schneidenzahl ist der Prozess effektiver. Allerdings erfordert auch diese Operation eine sehr steife, stabile Maschine. „Da das Drehfräsen bei uns Standard ist, können wir auch hier umfangreiche Bearbeitungszyklen zur Verfügung stellen“, sagt Jutta Stöbich, die als Auftragsmanagerin die M120 Millturn von Kersten federführend begleitete.
Ein weiterer Vorteil des stabilen Millturn-Aufbaus: Die Maschinen beherrschen sowohl schwere Schruppoperationen als auch die hochgenaue Fertigbearbeitung. Laut Jürgen Hinz sind Schlichtoperationen der Qualität IT6 mit Ra-Werten um 1,2 µm nicht ungewöhnlich. „Bei bestimmten Bauteilen ist die Qualität so gut, dass wir auf zusätzliches Schleifen verzichten können.“ Hier hakt WFL-Vertriebsmann Reisbeck ein: „Auch fürs Schleifen bieten wir inzwischen ein optionales Ausstattungspaket.“ Wo regelmäßig Schleifarbeiten anfallen, könne eine entsprechend ausgestattete Millturn zwar keine echte Schleifmaschine ersetzen, aber dort, wo nur gelegentlich geschliffen werden müsse, sei die Option interessant.
Programmiert werden die Millturns bei Kersten weitgehend im Büro. Weil auch die Maschinen anderer Hersteller vom selben Programmiersystem versorgt werden sollten, haben sich die Sachsen für Top Solid Cam entschieden, für das WFL entsprechende Schnittstellen bietet. „Allerdings“, gibt Bruno Reisbeck zu bedenken, „kann dieses System nicht wie unser Werkstattprogrammiersystem Millturn Pro auf WFL-Zyklen zugreifen, wodurch der Bediener bestehende Programme direkt an der Maschine einfach ergänzen oder ändern kann.“
Beeindruckt sind Kersten und Hinz auch von Beratung, Termintreue und dem Service der Österreicher. „Benötigte Teile und Techniker waren immer innerhalb von 24 Stunden bei uns, und die Ersatzteilpreise waren stets fair“, sagt Kersten.
Als eine besondere Stärke seines Unternehmens sieht der Chef die Durchgängigkeit des Angebots. Für alle Bearbeitungsschritte stehen Maschinen unterschiedlicher Dimensionen zur Verfügung – auch für die Qualitätssicherung. Im klimatisierten Raum prüfen drei CNC-Koordinatenmessmaschinen verschiedener Größen die Maßhaltigkeit der fertigen Werkstücke. Passend zur Teiledimension der M120 investierten die Meißener 2013 auch in eine Leitz-Messmaschine des Typs PMM-G mit erhöhter Genauigkeit und einem Messbereich von 6, 3 und 2m in X-, Y- und Z-Richtung. •

Unsere Millturns erzeugen an fünf Tagen pro Woche rund um die Uhr Späne
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