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„Müssen vernetzen, um weiter erfolgreich zu sein“

Lothar Horn, Vorsitzender des VDMA-Präzisionswerkzeuge, über die Lage der Branche
„Müssen vernetzen, um weiter erfolgreich zu sein“

„Müssen vernetzen, um weiter erfolgreich zu sein“
BU
Eine vernetzte Fertigung ist die Voraussetzung für künftigen Erfolg, aber die Lösungen müssen praxisgerecht und wirtschaftlich sein, sagt Lothar Horn. Er ist Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA und Geschäftsführer der Paul Horn GmbH in Tübingen. ❧ Mona Willrett

Herr Horn, im Januar haben Sie für Ihre Branche ein Produktionswachstum von zwei Prozent vorausgesagt. Bestätigt der bisherige Jahresverlauf diese Prognose?

Im ersten Halbjahr lag der Auftragseingang ganz knapp unter den Zahlen von 2015. Das war so nicht erwartet und ist vor allem einer Reihe weltweiter Entwicklungen geschuldet, etwa dem anhaltenden Embargo Russlands, der wirtschaftlichen Entwicklung einiger Mittelmeerstaaten, aber auch die USA haben sich hinsichtlich des Produktionswachstums nicht so gut entwickelt, wie wir das erwartet hatten. Neue Märkte wie der Iran sind noch nicht stark genug, um das auszugleichen. Ich gehe aber davon aus, dass das zweite Halbjahr besser läuft.
Welche Auswirkungen haben aktuelle politische Ereignisse wie der Brexit?
In einigen der betreffenden Märkte, etwa in England oder der Türkei, wurde in den letzten Jahren stark investiert. Wenn wir nun eine Beruhigung erleben, muss das nicht mit den aktuellen Ereignissen zusammenhängen. Ich gehe davon aus, dass das Geschäft dort – sobald die Situation wieder definiert ist – auf dem gewohnten Niveau weiterläuft. Welche Auswirkungen sich mittel- bis langfristig daraus ergeben, wird sich zeigen.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für Ihre Branche?
Als eine der großen Herausforderungen sehe ich die Fragen, wie wir unser Angebot an die Anforderungen einer vernetzten Fertigung anpassen müssen und welche Produkte und Leistungen dem Anwender echten Nutzen bringen. Bei den Zerspanwerkzeugen geht es unter anderem darum, mehr Intelligenz ins Werkzeug zu bekommen und es trotzdem marktfähig herstellen und anbieten zu können. Es gibt bereits Forschungsprojekte mit dem Ziel, das über die Beschichtung zu lösen. Die Idee ist genial, aber bis zu einer praktikablen Lösung haben wir noch ein gutes Stück Weg zu gehen.
Welche Erwartungen verbinden Sie und Ihre Mitglieder mit der AMB?
Die AMB ist für uns in den geraden Jahren das Schaufenster schlechthin in Europa, um unsere Produkte und Leistungen zu präsentieren. Viele unserer Mitglieder wie auch viele Kunden sitzen in der weiteren Umgebung von Stuttgart. Insofern ist die AMB immer auch ein Heimspiel. Sehr positiv sehe ich die Flächenerweiterung durch die Halle 10, die ab 2018 auch Unternehmen die Teilnahme ermöglicht, die es bislang nur auf die Warteliste geschafft haben.
Welche technischen Trends werden die Werkzeugtechnik prägen?
Auf der diesjährigen AMB und in der Zeit danach werden bei den Zerspanwerkzeugen noch die klassischen Themen dominieren. Wir werden Werkzeuge sehen, die dem Anwender dank optimierter Geometrien, Schneidstoffe und Beschichtungen einen erheblichen Mehrwert bieten. So sind beispielsweise mit Ultrafeinstkornsorten noch dramatische Leistungssteigerungen möglich – speziell beim Zerspanen moderner Hochleistungswerkstoffe. Verbesserungen wird´s auch bei der Kühlmittelzufuhr durchs Werkzeug geben. Ein weiterer Trend geht hin zu Werkzeugen, die gezielt auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten sind. Denn universelle Lösungen sind und bleiben Kompromisse. Zur AMB 2018 rechne ich dann damit, dass die neuen Themen – Digitalisierung, generative Fertigung oder Sensorik – eine erheblich größere Rolle spielen werden. In der Spanntechnik oder im Formenbau ist das übrigens jetzt schon der Fall.
Wie hat sich die Werkzeugtechnik in letzter Zeit mit Blick auf Industrie 4.0 entwickelt?
Wir sollten uns zunächst darüber einig sein: Eine automatisierte Maschine oder die Prozesssimulation sind lediglich Elemente von Industrie 4.0. Eine vernetzte Fertigung in der vollen Ausprägung setzt eine durchgängige Datenkette vom Auftragseingang bis zum Versand voraus und ermöglicht die automatisierte Fertigung ab Losgröße 1. Davon sind wir noch ein Stück entfernt. In der Spanntechnik ist auf diesem Weg aber bereits einiges passiert. So sind bereits Spannzeuge verfügbar, die Daten aufnehmen, an die Maschinensteuerung weiterleiten und so die Möglichkeiten der Prozesssteuerung und -regelung erweitern. Auch im Werkzeug- und Formenbau gibt´s spannende Lösungen, die schon heute im praktischen Einsatz erheblichen Nutzen bringen. Was dort an Technologieentwicklung geleistet wurde, ist phänomenal und in anderen Ländern so nicht zu finden.
Welche Potenziale bietet die Werkzeugtechnik hier noch?
Wir stehen im weltweiten Wettbewerb. Um hier weiterhin bestehen zu können oder gar unsere Position auszubauen, müssen wir die Möglichkeiten zur Vernetzung in den kommenden zwei bis vier Jahren für einen Großteil der Prozesskette umsetzen. Denn damit können wir schneller, präziser und wirtschaftlicher fertigen.
Welche Rolle spielen generative Verfahren in der Fertigung von Werkzeugen heute?
In einigen Bereichen bieten diese Verfahren ganz neue Möglichkeiten. Etwa beim Gestalten von Kühlkanälen. In den letzten Jahren hat sich hier viel getan. Vor allem auch in der Werkstoffentwicklung. Dennoch: Die heutigen technischen Möglichkeiten beschränken den Einsatz meist auf Nischenbereiche. Wenn sich die Anlagentechnik weiterentwickelt, kann das aber durchaus in die Breite gehen. Wir sollten dabei allerdings auch die Möglichkeiten nicht aus den Augen verlieren, die andere Verfahren bieten. Ein Beispiel: In meinem eigenen Unternehmen haben wir eine technologisch breit aufgestellte Hartmetallfertigung. Dort lösen wir manches, wofür andere generative Verfahren einsetzen, schneller und wirtschaftlicher.
Wie verändern sich die Anforderungen an die Mitarbeiter infolge neuer Technologien?
Der Qualifikationsbedarf verschiebt sich in Richtung Allgemeinwissen und die Nachfrage nach Ingenieuren wird zunehmen. Einfache Tätigkeiten in der Produktion werden hingegen zunehmend automatisiert. Dafür steigt der Aufwand fürs Programmieren, in der Prozesssteuerung oder in der Qualitätssicherung. Und auch in der Konstruktion von Produkten, Komponenten oder Einzelteilen sind neue Denkweisen gefragt. Wir brauchen keine Ja-Sager, sondern Querdenker, Mitarbeiter, die Grenzen verschieben wollen – auch bei bereits bestehenden und vermeintlich ausgereiften Produkten.
Was bedeutet das für die Aus- und Weiterbildung?
Die ist elementar wichtig und muss an die neuen Anforderungen angepasst werden. Nur mit sehr guten Fach- und Führungskräften haben wir im internationalen Wettbewerb eine Chance. Das gilt in Zukunft mehr denn je.
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