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„Neue Technologie hebt Qualität von Bauteilen auf ein anderes Niveau“

Dr. Heiner Lang, Entwicklungschef bei MAG, über Produktionssysteme der Zukunft
„Neue Technologie hebt Qualität von Bauteilen auf ein anderes Niveau“

Über wirtschaftliche Prozesse hinaus will der Göppinger Maschinenbauer MAG IAS GmbH künftig Mehrwerte bieten, indem er zu optimierten Betriebseigenschaften der Bauteile beiträgt. Was damit gemeint ist, erläutert Entwicklungschef Dr. Heiner Lang.

Herr Dr. Lang, welche Herausforderungen sehen Sie mit Blick auf die Werkzeugmaschine der Zukunft auf sich zukommen?

In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird es nicht mehr nur darum gehen, die Werkzeugmaschine an sich zu optimieren. Wir werden einen Schritt weiter gehen und unseren Kunden Fertigungslösungen bieten, mit denen sie ihre Bauteile auf ein ganz neues Qualitätsniveau heben können. Wir nennen das ECO2-Design.
Was verbirgt sich dahinter?
Bislang werden Werkzeugmaschinen vorrangig hinsichtlich der Fertigungsgenauigkeit, Bearbeitungsgeschwindigkeit und Herstellkosten optimiert. Mit ECO2-Design gehen wir einen Schritt weiter und optimieren die Betreiberkosten der Maschine oder Anlage wie auch das auf der Maschine gefertigte Werkstück im Hinblick auf dessen Eigenschaften im Betrieb. Wir streben dabei Fortschritte auf drei Ebenen an. Bei der Maschine selbst geht´s um ergonomisches und nachhaltiges Design sowie den Einklang aus energieeffizienter und robuster Technik mit hoher technischer Verfügbarkeit. Im Einsatz bei unseren Kunden müssen die Anlagen dazu beitragen, sowohl die Stückkosten als auch den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Hier spielen die Themen Energieeffizienz und Prozessführung eine entscheidende Rolle. Und schließlich sollen die zu fertigenden Bauteile einen ökonomischen Mehrwert beim Endkunden erzeugen.
Gibt es ein konkretes Beispiel dafür?
Im BMBF-geförderten Forschungsprojekt FunkProMikro haben wir gemeinsam mit Partnern einen neuen Fertigungsprozess für Kurbelwellen entwickelt. Die mit diesem Verfahren hergestellten Bauteile reduzieren die Reibung an den Kurbelwellen-Lagerstellen um bis zu 40 Prozent. Dadurch sinkt nicht nur der Verbrauch des Fahrzeugs, sondern auch dessen CO2-Ausstoß. Und das ist für den Fahrzeughersteller doppelt vorteilhaft. Zum einen kann er seinen Kunden durch die höhere Leistungsdichte des Motors einen Zusatznutzen bieten, zum anderen lassen sich die Steuern auf den CO2-Ausstoß senken. Je nach Modell und Verbrauch kann dies Einsparungen zwischen 150 und 800 Euro pro Fahrzeug und Jahr entsprechen.
Um wie viel lässt sich der Treibstoffverbrauch des Fahrzeugs so reduzieren?
Wir haben das für ein handelsübliches Mittelklassefahrzeug mit einem Normverbrauch von acht Litern pro hundert Kilometer hochgerechnet und kamen auf eine Treibstoffeinsparung von etwa 0,1 Liter pro 100 Kilometer. Eine vielleicht noch interessantere Zahl: Wären alle Fahrzeuge in Deutschland mit entsprechend bearbeiteten Kurbelwellen ausgestattet, ließe sich der CO2-Ausstoß um rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren.
Wann könnten die ersten Autos mit entsprechend bearbeiteten Kurbelwellen auf unseren Straßen rollen?
Die ersten Serienmotoren halte ich 2015 für realistisch.
Und wie erreichen Sie diesen Fortschritt?
Durch eine Mikrostruktur, die wir im Bereich der Lagerstellen einbringen. Das Ergebnis ist eine bessere Schmierwirkung. Und damit eine reduzierte Reibung.
Ist das mit dem Laserstrukturieren von Zylinderlaufflächen vergleichbar?
Vom Effekt her, ja. Aber der Laser ist für diese Anwendung nicht ausreichend produktiv und somit unwirtschaftlich. Um die Taktzeiten heutiger, konventioneller Kurbelwellenlinien zu erreichen, setzen wir ein abtragendes Verfahren ein.
Ist für dieses Strukturieren ein zusätzlicher Prozessschritt nötig?
Nein. Wir ersetzen einfach jenes Modul der Fertigungslinie, in dem die Lagerstellen bislang konventionell gefinisht werden. Durch den modularen Aufbau kann die neue Technologie übrigens auch in bestehenden Linien nachgerüstet werden.
Lassen sich mit den konventionellen Verfahren nicht ähnliche Ergebnisse erzielen?
Die Bearbeitungszeit beim konventionellen Finishen führt nicht zum gleichen Ergebnis. Wir bringen geometrisch definierte Strukturen ein und erzeugen eine reproduzierbare, exakt beschriebene Oberfläche. Wie sensibel die tribologische Wirkung ist, zeigt sich schon daran, dass nicht jede Struktur gleich gut funktioniert. Durch dieses Know-how haben wir uns ein echtes Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Die konventionellen Kurbelwellen-Fertigungsanlagen und Finish-Prozesse am Markt liefern fast alle etwa die gleiche Qualität, unsere Strukturierung ist eine Größenklasse besser und das zu ähnlichen Kosten.
Lässt sich die Technologie für unterschiedliche Anwendungen einsetzen?
Wenn die Reibprofile gleich oder ähnlich sind, lässt sich der Prozess übertragen. Grundsätzlich ist das Verfahren überall interessant, wo hohe Abbildungsgenauigkeit und Reproduzierbarkeit mit geringer Reibung und Langlebigkeit gefragt sind. Das ist in einem recht breiten Anwendungsspektrum der Fall. Als weitere Beispiele könnte man die Ventiltechnik nennen – etwa in der Hydraulik – und Stellglieder für ABS- oder Einspritzsysteme.
Ist diese Strategie auch in der Kleinserien- und Einzelteilfertigung sinnvoll?
Nein. Dieser Prozess ist für die Großserie ausgelegt. Um die beschriebenen Vorteile zu erzielen, müssen unsere Entwickler das Bauteil sehr genau betrachten und ihre ganze Expertise einbringen. Deshalb wollen wir uns zunächst auch auf die Kurbelwellenfertigung fokussieren. Für universelle Anwendungen rechnet sich der Prozess nicht. Aus heutiger Sicht könnten Losgrößen ab etwa 10 000 Teilen pro Jahr bedingt wirtschaftlich sein. Richtig interessant wird´s ab 100 000 Teilen im Jahr.
Haben Sie bereits eine Anlage bei einem Kunden im Einsatz?
Derzeit bauen wir die erste Anlage auf, die aber uns als Demonstrator und für Kundenversuche dienen soll. Die erste Anlage bei einem Kunden könnte ich mir bis Ende 2014 vorstellen. Weitere Details stellen wir im September auf der Metallbearbeitungsmesse EMO in Hannover vor.
Was zeigen Sie auf der EMO?
Wir werden konventionell und mit dem neuen Verfahren bearbeitete Bauteile zeigen und den Interessenten erklären, wo die Vorteile der neuen Technologie liegen und was damit möglich ist. Außerdem präsentieren wir unsere neue Kurbelwellen-Maschinen-Baureihe VDF 240 CX.
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