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Ökonomie und Ökologie im Fokus

Kühlschmierstoffe in der Zerspanung
Ökonomie und Ökologie im Fokus

Kühlschmierstoffe dienen dazu, das vorgegebene Arbeitsergebnis hinsichtlich Standzeit, Oberflächengüte und Maßgenauigkeit zu realisieren und Spanbruch sowie Spantransport zu erleichtern. Ihr Einsatz wird jedoch auch durch Herausforderungen im direkten Arbeitsumfeld und bei der Entsorgung geprägt. Diese führen zu einer Vielzahl ökologischer Belastungen, die sich aufgrund zunehmender Gesetze und Verordnungen im Arbeits- und Umweltschutz auch zu einer immer stärkeren ökonomischen Belastung für die Unternehmen entwickeln.

Prof. Dr. Fritz Klocke, Dipl.-Wirt.-Ing. Tolga Cayli, Dr.-Ing. Dražen Veselovac, Dipl.-Wirt.-Ing. Benjamin Döbbeler, WZL der RWTH Aachen

Leckage- und Ausschleppverluste, Emissionen, Waschwasser und nicht zuletzt die Entsorgung der verbrauchten Kühlschmierstoffe (KSS) gefährden Boden, Wasser und Luft. KSS-Bestandteile, Bakterizide und Fungizide, entstehende Reaktionsprodukte sowie eingeschleppte Fremdstoffe können Auslöser für Erkrankungen sein. Der Gesetzgeber reagiert hierauf mit schärferen Vorschriften. Beim Umgang mit KSS ist zwischenzeitlich eine Reihe von technischen Regeln zu beachten.
Für die Unternehmen bedeuten die gesetzlichen Vorgaben und technischen Regeln nicht nur eine Erweiterung ihrer Verantwortung und neue Pflichten gegenüber ihren Mitarbeitern, sondern vor allem höhere finanzielle Belastungen. In Verbindung mit den hohen Aufwendungen für die Entsorgung von Altöl und Altemulsionen rückt der mit dem Einsatz von Kühlschmier-stoffen verbundene finanzielle Aspekt immer stärker in den Vordergrund.
Ein konsequenter Schritt zur Vermeidung aller mit dem Einsatz von Kühlschmierstoffen verbundenen Probleme ist die Trockenbearbeitung. Ihre Realisierung kann allerdings, bedingt durch das Leistungsverhalten der Werkzeuge und die Anforderungen an die Bauteilqualität, erheblichen Einschränkungen unterliegen und ist daher nicht immer umsetzbar. Eine Alternative zur Nassbearbeitung kann in diesen Fällen die Minimalmengenschmierung (MMS) bieten. Aber auch diese unterliegt bei der Bearbeitung von zum Beispiel schwerzerspanbaren Werkstoffen Einschränkungen, so dass konventionelle Kühlschmierstoffe Anwendung finden müssen. Wenn konventionelle Kühlschmierstoffe erforderlich sind, dann sollten sie jedoch so effizient wie möglich eingesetzt werden, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen und Kosten zu senken.
Hochdruck-Kühlschmierstoffzufuhr
Eine Möglichkeit zum effizienten Einsatz von Kühlschmierstoffen ist die Hochdruck-Kühlschmierstoffzufuhr. Bei dieser wird der Kühlschmierstoff zielgerichtet und fokussiert in den Spalt zwischen Spanunterseite und Spanfläche des Werkzeuges geleitet. Speziell beim Drehen reduziert die im Vergleich zur konventionellen Überflutungskühlung viel effektivere Kühlung zum einen den Werkzeugverschleiß, so dass die Schnittgeschwindigkeit meist signifikant gesteigert werden kann. Zum anderen übt der hochenergetische Kühlschmierstoffstrahl eine mechanische Kraft auf den abfließenden Span aus, wodurch meist definierter Spanbruch und sicherer Spanabtransport gewährleistet werden können (Bild 2). Das Ziel aktueller Untersuchungen ist es, durch die richtige Abstimmung von Druck, Volumenstrom, Schnittparametern und Werkzeuggestaltung mit möglichst wenig Druck und Volumenstrom und somit minimaler Pumpenleistung ein Maximum an Produktivität- und Prozesssicherheitssteigerung zu erzielen, um auch den Aspekt der Energieeffizienz zu berücksichtigen.
Kryogene Prozesskühlung
Eine Alternative zur Prozesskühlung mit konventionellen Kühlschmierstoffen, die hohes Potential zur weiteren Reduktion der Werkzeugtemperaturen bietet, ist die kryogene Prozesskühlung. Bei der kryogenen Prozesskühlung werden Stoffe mit extrem niedrigen Temperaturen zur Kühlung verwendet. Die bekanntesten Kryogene sind flüssiger Wasserstoff (Siedepunkt 20,268 K = –252,882 °C), flüssiger Stickstoff LN2 (Siedepunkt 77,35 K = 195,80 °C), flüssiger Sauerstoff (Siedepunkt 90,18 K = –182,97 °C) und CO2-Schnee (Sublimationspunkt 194,5 K = –78,5 °C).
Für die Zerspanprozesskühlung werden aufgrund der guten Verfügbarkeit und der verhältnismäßig sicheren Handhabung insbesondere flüssiger Stickstoff und CO2-Schnee eingesetzt. Die Vorteile der kryogenen Prozesskühlung sind reduzierte Zerspantemperaturen und daraus folgend deutlich geringerer Werkzeugverschleiß beziehungsweise höhere anwendbare Schnittparameter. Untersuchungen beim Außenlängsdrehen von TiAl6V4 und Inconel 718 haben gezeigt, dass durch den Einsatz der LN2-Kühlung anstelle der konventionellen Überflutungskühlung der Werkzeugverschleiß signifikant reduziert werden kann. Vor allem bei höheren Schnittgeschwindigkeiten kam die höhere Kühlwirkung beim Einsatz der kryogenen Prozesskühlung zum Tragen.
Bild 3 zeigt Versuche mit beschichteten Vollhartmetallschaftfräsern mit einem Durchmesser von 12 mm die bei identischen Schnittparametern unter konventioneller Überflutungskühlung (6%-ige Emulsion) und unter Einsatz der LN2-Kühlung ohne Schmiermittelanteil eingesetzt wurden. Der flüssige Stickstoff wurde durch eine Düse extern zugeführt. Als Versuchswerkstücke wurden Platten aus TiAl6V4 genutzt, welche in geraden Fräsbahnen im Gleichlauf bearbeitet wurden.
In Bild 3 (rechts) sind die Werkzeuge nach einer Einsatzzeit von etwa 16 min mit den im Bild angegebenen Schnittparametern gezeigt. Auf den Bildern der Spanflächen wird der Unterschied zwischen der Überflutungskühlung und der LN2-Kühlung deutlich sichtbar. Nach einer Einsatzzeit von 16 min unter Überflutungskühlung ist die Beschichtung durch abrasiven Verschleiß abgenutzt, wohingegen die Schneidkante unter Einsatz der LN2-Kühlung lediglich leichte Materialanhaftungen und Kratzer auf der Beschichtung aufweist. Durch den Schneidkantenversatz, der auf Grund des stärkeren Verschleißes unter Einsatz der Überflutungskühlung zustande kommt, tritt der Unterschied in den Bildern der Freiflächen nicht so deutlich hervor. Wird der Schneidkantenversatz bei der Verschleißmessung berücksichtigt, kann der Freiflächenverschleiß durch den Einsatz der LN2-Kühlung im direkten Vergleich zur Überflutungskühlung von VBmax = 98 µm auf VBmax = 10 µm reduziert werden.
Während bei der externen Zufuhr der Medien in Bezug auf die Werkzeugmaschine nur geringe Änderungen erforderlich sind, gestaltet sich die innere Kühlung mit flüssigem Stickstoff aufgrund der tiefen Temperatur, mit denen dieses Medium zugeführt wird, komplexer. Da Spindellager und Drehdurchführungen nicht auf die geringen Temperaturen ausgelegt sind, muss die Spindel mit einer vakuumisolierten Leitung versehen werden. Der Stickstoff wird auf der Eingangsseite über eine für flüssigen Stickstoff geeignete Drehdurchführung in die Vakuumleitung übergeben, in der Vakuumleitung durch das Spindelrohr zum Spindelkopf transportiert und dort in die Werkzeugaufnahme geleitet. In der Werkzeugaufnahme und den Kühlmittelkanälen im Werkzeug verdampft ein Teil des flüssigen Stickstoffs und kühlt das Werkzeug. Der Rest wird dem Zerspanprozess zugeführt.
Wie diese Beispiele zeigen, ist das technologische und wirtschaftliche Potenzial der kryogenen Prozesskühlung zur Bearbeitung schwer zerspanbarer Materialien groß. Durch die Nutzung der kryogenen Prozesskühlung ist es möglich, den Werkzeugverschleiß deutlich zu reduzieren, beziehungsweise die Schnittparameter zu steigern. Ein weiterer Vorteil der kryogenen Prozesskühlung ist die Eigenschaft, dass die Medien noch während der Bearbeitung vollständig vergasen und dadurch Bauteile, Späne und Maschineninnenräume trocken und sauber bleiben. Ob sich der mit der kryogenen Prozesskühlung verbundene Aufwand wirtschaftlich lohnt, muss im Einzelfall geprüft werden.

KSS-Tagung am 21. und 22. Oktober 2015 in Aachen
Kühlschmierstoffe sind in der spanenden Fertigung bei vielen Bearbeitungsoperationen auch heute noch unverzichtbar. Neben den technologischen Vorteilen, die Kühlschmierstoffe bieten, ist ihr Einsatz jedoch mit hohen Kosten verbunden.
Am 21. und 22. Oktober 2015 veranstaltet das WZL der RWTH Aachen University in Kooperation mit dem VSI – Verband Schmierstoff-Industrie e.V. und VDMA Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau e.V. die 4. Aachener Kühlschmierstoff-Tagung mit dem Leitthema „Ökonomischer und ökologischer Einsatz von Kühlschmierstoffen in der Zerspanung“. Auf dieser Konferenz zeigen Experten aus Industrie und Forschung praxisnahe Lösungen für einen verschwendungsfeien Einsatz von Kühlschmierstoffen in der Fertigung. Die Konferenz bietet die Möglichkeit, sich über aktuelle Entwicklungen im Umgang mit Kühlschmierstoffen zu informieren und gibt Einblicke in Anwendungsfelder von morgen. Sie dient als Diskussionsforum und beinhaltet die Demonstration von aktuellen Forschungsergebnissen an Prüfständen.
Grundlegende Themenstellungen sind:
  • Arten und Inhaltsstoffe von Kühlschmierstoffen
  • Management von KSS-Systemen
  • Peripherie und Anlagentechnik
  • Innovative Kühlschmierstrategien
  • Arbeitsschutz und Umweltschutz
  • Anwenderberichte aus der Praxis
Datum: 21. bis 22. Oktober 2015
Veranstaltungsort: WZL der RWTH Aachen, Manfred-Weck-Haus, 52074 Aachen
Programm der Tagung und Anmeldung:
Gebühr:
  • 895 Euro
  • 795 Euro für Mitglieder der WZL-Arbeitskreise Technologie und Kühlschmierstofftechnik sowie des Verbands Schmierstoff-Industrie e.V. (VSI).
Kontakt:
Inhaltlicher Ansprechpartner: Dipl.-Wirt.-Ing. Tolga Cayli, WZL der RWTH Aachen, Tel. 0241/80-20524, t.cayli@wzl.rwth-aachen.de
Organisatorische Ansprechpartnerin: Ekaterina Dymova, WZLforum an der RWTH Aachen, Tel. 0241/80-25324, e.dymova@wzl.rwth-aachen.de
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