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PEM-Chef Prof. Kampker über Chancen und Risiken der Mobilitätswende

Elektromobilität
PEM-Chef Prof. Achim Kampker über Chancen und Herausforderungen der Mobilitätswende

Prof. Achim Kampker plädiert für einen intelligenten Mix der Mobilitätskonzepte. Er wünscht sich einen offenen Wettbewerb der Technologien, um schnell zur bestmöglichen Lösung zu kommen. Der Leiter des Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) an der RWTH Aachen sieht im Mobilitätswandel viele Chancen, aber auch Herausforderungen, die es engagiert anzugehen gilt.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Herr Prof. Kampker, welches Thema rund um die Mobilität der Zukunft hat für Sie derzeit die höchste Priorität?

Das größte Potenzial liegt nicht in den einzelnen Technologien, sondern in deren intelligenter Verknüpfung. In der Vergangenheit wurden der öffentliche Personenverkehr, der Schienenverkehr, das Auto oder das Fahrrad meist für sich betrachtet. Jeder lebte in seiner Welt und sah den Anderen als böse an. Entscheidend wird sein, dass wir die verschiedenen Konzepte kombinieren und aufeinander abstimmen. Darüber wird zwar viel diskutiert, aber die Vernetzung ist noch sehr rudimentär. Deshalb ist es meist zu kompliziert, einen Mobilitätsmix zu nutzen. Ebenfalls elementar ist, eine Kreislaufwirtschaft entlang der Wertschöpfungskette einzuführen. Und last but not least müssen wir natürlich auch die einzelnen Mobilitätstechnologien weiterentwickeln.

Wie lässt sich das umsetzen?

Als erstes brauchen wir genug kompetente Menschen, die all das im wahrsten Sinne auf die Straße, auf die Schiene und in die Luft bringen. Dann geht es – neben den erforderlichen Technologien – aber auch um Ressourcen. Wenn wir uns das Beispiel Batterie anschauen, dann meine ich damit nicht nur die klassischen Batterierohstoffe, sondern auch den Stahl und die Materialien, um die nötigen Fabriken zu bauen. Es geht also auch um Themen, die wir eigentlich im Griff haben sollten, bei denen wir aber immer wieder an Grenzen stoßen. Neben der Bereitschaft aller, über ihren Tellerrand hinauszuschauen, neben der Skalierung der Mobilitätskonzepte und dem Aufbau der Kreislaufwirtschaft, besteht eine weitere große Herausforderung darin, unsere Wertschöpfungsketten so zu gestalten, dass sie zuverlässig funktionieren und nicht ständig ins Stocken geraten.

Wie glücklich sind Sie über die Entscheidung der EU, den Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten?

Obwohl ich in der Elektromobilität zu Hause bin, halte ich das für falsch. Nach meiner Überzeugung nehmen wir uns dadurch die Chance zu diversifizieren. Statt dem Verbot einer Technologie hätte ich mir ein Belohnungsmodell gewünscht, bei dem derjenige, dessen Flotte die CO2-Grenzwerte unterschreitet, die Abgaben desjenigen bekommt, der sie überschreitet. Das würde dann auch Investoren motivieren, auf die bessere Technologie zu setzen. Ich bin überzeugt, so ein Malus-Bonus-System wäre deutlich besser, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen.

Wie schätzen Sie die verschiedenen Fahrzeug-Antriebskonzepte ein?

Egal, welches wir betrachten: Jedes hat auch Nachteile oder Begrenzungen, keines ist in allen Bereichen optimal. Deshalb brauchen wir kluge Köpfe in allen Technologien. Deren Aufgabe ist es, die Konzepte so weiterzuentwickeln, dass wir die negativen Auswirkungen minimieren. Dann können wir die Situation nach einer Weile neu bewerten und unsere Ausrichtung feinjustieren. Wir sind in Deutschland mit unserer technologischen Vielfalt immer gut gefahren, und dabei sollten wir auch bleiben. Wir sind ein Exportland, und ich sehe unsere einzige Chance auf weiteren Erfolg darin, das auch in Zukunft hinzubekommen. Wir müssen uns da jetzt wirklich auf die Hinterbeine stellen und Defizite abarbeiten. Wir haben uns zu lange auf unseren Lorbeeren ausgeruht und merken jetzt, dass die anderen um uns herum auch nicht blöd sind und sich eine gute Position erarbeitet haben.

Wie kommen wir zu einer neutralen Bewertung verschiedener Technologien?

Wir müssen weg vom Bashing der jeweils anderen Technologie und hin zu einem offenen Wettbewerb, wer die Zielvorgaben am schnellsten erreicht. Ich bin überzeugt, das würde uns allen in die Karten spielen. Wir müssen diese schleppenden, oft sinnlosen Diskussionen endlich hinter uns lassen und uns aufs Umsetzen fokussieren. Wir brauchen wieder eine Aufbruchstimmung. Unser Ziel muss sein, wieder Exportschlager zu schaffen, von denen alle sagen: ‚Hey, das ist cool! Das will ich haben!‘ Das muss unser Anspruch sein. Und nicht aus ideologischen Gründen nur darauf zu schauen, wie wir am schnellsten CO2-neutral werden, auf Kosten vieler Arbeitsplätze – und damit am Ende auch der Kraft, den Wandel mitzugestalten. Dieser Weg ist ein Marathon, kein Sprint. Das muss uns allen klar sein, und entsprechend müssen wir agieren.

Sollte sich die Politik nicht eher darauf fokussieren, Grenzwerte festzulegen und Rahmenbedingungen zu schaffen, statt technische Lösungswege vorzugeben?

Absolut. Die Aufgabe der Politik ist nicht, die besten technologischen Lösungen zu definieren, sondern die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Wissenschaftlern und der Industrie erlauben, diese Lösungen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Die Politik sollte Grenzwerte für die zulässigen Emissionen festlegen und deren Einhaltung überwachen. Außerdem sollte sie Sicherheit schaffen, hinsichtlich der Rohstoffversorgung und der Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb. Für jeden Einzelnen – ob in Politik, Forschung oder Industrie – geht es jetzt darum, anzupacken und die Dinge in seinem Aufgabenbereich voranzubringen.

Lässt sich der elektrische Energiebedarf überhaupt decken, wenn wir elektrisch fahren und heizen sollen und das zu verarbeitende Datenvolumen infolge von Digitalisierung und KI explodiert?

Da müssen wir zwei Dinge unterscheiden: die Energie zu gewinnen – und sie zu speichern sowie richtig zu verteilen. Dank Sonne und Wind hätten wir genug Energie. Die Kernherausforderung besteht darin, sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar zu haben. Mobilität wird nicht rein batterieelektrisch funktionieren. Wir brauchen die Brennstoffzelle, wir brauchen Wasserstoff und auch synthetische Kraftstoffe. Schon allein weil sie uns die Möglichkeit geben, Energie zu speichern und zu transportieren. Auch wenn diese Umwandlungsprozesse weniger effizient sind, es wird nicht ohne sie gehen.

Wenn man den kompletten Lebenszyklus betrachtet: Wo steht die E-Mobilität heute hinsichtlich Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz?

Allein auf die lokalen Emissionen zu schauen, ist nur dort sinnvoll, wo Grenzwerte überschritten werden. Ansonsten sollten wir die Auswirkungen entlang der kompletten Wertschöpfungs- und Lebenszykluskette betrachten. Natürlich ist ein batterieelektrischer Antrieb höchst effizient. Wenn wir es schaffen, eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen, dann bietet er uns zumindest theoretisch die Chance, keine Emissionen zu verursachen. Nach unserer Analyse bietet der batterieelektrische Antrieb schon heute – über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – Vorteile. Wir müssen da jetzt dranbleiben und die Entwicklung weiter vorantreiben. Wenn wir schnell in Richtung CO2-Neutralität kommen wollen, dann geht das nur mit einem intelligenten Mix der Technologien. Der rein batterieelektrische Weg kann funktionieren, aber er ist lang und steinig und auch mit sozialen Fragen verbunden.

Welche Rolle werden künftig die Brennstoffzelle und Wasserstoff spielen?

Je schwerer die Fahrzeuge und je länger die Distanzen werden, desto mehr haben Brennstoffzelle, Wasserstoff und E-Fuels ihre Berechtigung. In der Luftfahrt und in der Schifffahrt werden wir synthetische Kraftstoffe und ein Stück weit Wasserstoff sehen. Für große Lkw im Fernverkehr ist die Brennstoffzelle ein Thema, eventuell kombiniert mit einer Batterie. Der städtische Verkehr mit dem Pkw sollte batterieelektrisch sein, weil dieses Antriebskonzept höchst effizient ist. Wo genau die Grenze liegt, das untersuchen wir gerade. Im Moment würde ich sagen, ab dem 7,5-Tonner wird es unterschiedliche Konzepte geben, und ab dem 18-Tonner geht´s mehr in Richtung Brennstoffzelle. Und dann haben wir noch eine riesige Bestandsflotte, die sich nicht umrüsten lässt, aber aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Nachhaltigkeit noch eine ganze Weile genutzt werden muss. Dafür brauchen wir synthetische Kraftstoffe.

Und was ist mit Wohnmobilen?

Im Wohnmobil haben wir zusätzlich interessante Nebenverbraucher, etwa Licht, Heizung, Kühlschrank oder Kocher. Da halte ich die Brennstoffzelle für die Lösung der Wahl. Ich kann mir gut vorstellen, dass Campingplätze zu den ersten Punkten gehören, wo Wasserstoff angeboten wird. So würde ich das jedenfalls machen.

Eignen sich batterieelektrische Fahrzeuge für die Mittel- bis Langstrecke?

Wenn wir über Tagesfahrleistungen von sechs- bis siebenhundert Kilometern sprechen, ergibt der batterieelektrische Antrieb im Pkw Sinn – solange wir dabei nicht einen Wohnwagen ziehen wollen. Eine normale Dienstreise mit fünf- oder sechshundert Kilometern am Tag funktioniert heute noch nicht ganz komplikationsfrei. Das wird aber bald problemlos möglich sein. Rein technologisch könnten wir reale Tagesfahrleistungen von mehr als 1000 Kilometern aus einer Batterie holen. Dabei müssen wir uns aber fragen: Wie oft brauchen wir das? Und: Ist es sinnvoll, für diese Ausnahmen die erforderlichen Ressourcen vorzuhalten? Technologisch wird das in den nächsten Jahren möglich sein. Und dann würde ich gerne den Markt entscheiden lassen. Planwirtschaft zu betreiben, halte ich nicht für zielführend. Dem Wettbewerb freien Lauf zu lassen, hat in der Vergangenheit fast immer zu den besten Lösungen geführt.

Wie viel Entwicklungspotenzial sehen Sie in den Komponenten noch?

In der Lithium-Ionen-Technik steckt noch jede Menge Potenzial. Wir erreichen noch immer alle zwei bis drei Jahre Leistungssprünge von 20 Prozent. Auch die Natrium-Ionen-Technologie bietet tolle Perspektiven. Und im Gesamtsystem steckt ebenfalls noch riesiges Potenzial. Deshalb sage ich: Die Batterie steht erst am Anfang ihres Siegeszuges. Wenn es darum geht, die Leistung dauerhaft und zuverlässig abrufen zu können – das ist ja im Moment ein Merkmal der Differenzierung –, dann ist das aber nicht nur ein Batteriethema. Bei den Motoren geht´s im Kern um intelligente Kühlung und andere Materialien, bei der Brennstoffzelle um Dauerhaltbarkeit und Kosten. Da wird sich in den nächsten Jahren noch viel bewegen.

Wie lassen sich die kritischen Rohstoffe – etwa Lithium und Kobalt – ersetzen?

Dazu brauchen wir einen Dreiklang. Das eine ist, dass wir unbedingt in eine Kreislaufwirtschaft kommen müssen und Rohstoffe nicht mehr auf einer Mülldeponie oder im Ofen entsorgen dürfen. Als zweiten Aspekt müssen wir verschiedene Lösungen und Materialien zulassen, so dass wir da mehr in die Breite kommen, je nach Anwendung und Anforderung. Und schließlich müssen wir darauf achten, bei der Rohstoffgewinnung möglichst umweltschonend vorzugehen. Eingriffe ins Ökosystem lassen sich nicht vermeiden, aber wir sollten sie minimal halten.

Wie werden wir unabhängiger von China, das ja viele Rohstoffe kontrolliert?

China war sehr geschickt darin, sich den Zugriff auf Rohstoffe zu sichern. Da haben wir geschlafen und müssen das jetzt schleunigst korrigieren. Dazu müssen wir nach anderen Partnern schauen und auch selbst wieder Verarbeitungskapazitäten für diese Rohstoffe aufbauen. Aber das können einzelne Unternehmen – insbesondere aus dem Mittelstand – nicht leisten. An dieser Stelle brauchen wir eine europäische Industriepolitik, die die Versorgung sichert. Da müssen wir jetzt die Füße in die Hand nehmen und mehr tun.

Brauchen wir auch neue Batterie- und Motorkonzepte?

Die werden kommen, aber es wird auch noch lange den ‚Standard‘ geben, den wir jetzt kennen. Aus meiner Sicht werden wir eher eine schrittweise Weiterentwicklung erleben als eine Revolution.

Woran arbeiten Sie am Forschungsstandort für E-Motoren bei Ford?

Ähnlich wie wir das mit dem Fraunhofer-Institut in Münster zum Thema Batteriezelle machen, haben wir in Köln Teilprozesse aufgebaut, um im Sinne einer großen Variantenflexibilität einen Produkt- und einen Prozessbaukasten zu kombinieren. Diese integrierte Produkt- und Prozessplanung schauen wir uns für die Hairpin-Technologie an. Das Ziel dabei: unterschiedliche Motorkonzepte – vom Kleinwagen bis zum Lkw – auf einer Linie fertigen zu können. Wir betreiben dort nicht nur Produkt-, sondern auch Produktionsforschung. Nachdem sehr viel über die Batterie diskutiert wird, halten wir es für wichtig, uns auch um den E-Motor zu kümmern. Denn: Am Motor hängen nicht nur viele Arbeitsplätze, er ist auch ein entscheidendes Wettbewerbskriterium.

Wie grenzen Sie sich dabei von Grob ab, deren Fertigungslinien auch eine hochflexible E-Motor-Produktion zulässt?

Wenn ich eines in den letzten 20 Jahren gelernt habe: Je mehr clevere Köpfe nach intelligenten Lösungen suchen, desto schneller kommen wir voran – und das ist für den Standort Deutschland jetzt extrem wichtig. Natürlich sind wir mit Grob im Austausch, aber am Ende kommt jeder zu etwas anderen Ergebnissen, und so können wir uns im internationalen Wettbewerb gegenseitig stärken. Wenn wir da eine gewisse Breite reinbekommen, ist das für alle positiv. Hinzu kommt, dass wir als Hochschule auch Wege verfolgen können, die auf den ersten Blick kommerziell weniger erfolgversprechend erscheinen. Insofern gibt es Differenzierungen, aber auch Überschneidungen, und das ist gut so.

Der Lehrstuhl PEM hat einen Leitfaden ‚Chancen und Risiken in der E-Motor Produktion‘ veröffentlicht. Welche Kernpunkte sind Ihnen hier besonders wichtig?

Wir haben uns die Wertschöpfungsstrategien angeschaut, also: Welche Lieferanten oder potenziellen Partner stehen zur Verfügung? Welche Unsicherheiten gibt es in Bezug auf die Materialverfügbarkeit? Wie entwickeln sich die Kostenstrukturen? Welche Topologien setzen sich durch? Wie sieht die Kundenlandschaft aus? Aus Lieferantensicht muss ich vorhersehen, welche Technologien gefragt sein werden. Außerdem muss ich wissen, welche Entwicklungen bei der Materialverfügbarkeit zu erwarten sind, welche Partner meine Kompetenzen ergänzen und wie ich die Produktion schnell hochrampen kann. Gerade beim Produktionsanlauf fehlt es noch an Kompetenzträgern, die wissen, was zu tun ist, wenn ein Problem auftritt. Bei den alten Technologien gibt´s da jahrzehntelange Erfahrungen. Die fehlen in der E-Motor-Produktion. Weil wir diese Kompetenz jetzt sehr schnell aufbauen müssen, brauchen wir KI und ‚Machine Learning‘. Last but not least haben wir uns das Thema ‚Re-X‘ – also alles um die zwingend erforderliche Kreislaufwirtschaft – angeschaut.

Wo sehen Sie Deutschland und Europa technologisch im Vergleich zu Amerika oder Asien in der E-Mobilität?

Beim Verbrenner war klar, dass wir ganz oben mitspielen. In der E-Mobilität oder auch bei der Brennstoffzelle ist das derzeit nicht so. Da gibt´s schon andere Player, die ganz vorne mitmischen. Es ist nicht so, dass wir meilenweit abgehängt wären, aber die Spitzenposition müssen wir uns erst wieder erarbeiten. Und das in einem Wettbewerb, bei dem noch keineswegs klar ist, wer als Sieger vom Platz geht.

Wo sehen Sie dabei die besonderen Herausforderungen?

Uns fehlt einerseits ein wenig das Tempo in Sachen Innovationen. Andererseits haben wir aber auch Schwachstellen in unseren Wertschöpfungsketten. Unser Vorteil ist, dass wir im Maschinen- und Anlagenbau sehr breit aufgestellt sind und mit unserer Kompetenz schnell gute Lösungen für anspruchsvolle Aufgaben entwickeln können. Anderseits fehlt uns die Kraft, als Generalunternehmer mit der nötigen Konsequenz für die erforderlichen Skaleneffekte zu sorgen – wie das die Chinesen tun. Mit dem kritischsten Aspekt kämpfen die anderen aber auch: hochkompetente Fachkräfte in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben. Unsere Stärke war immer, extrem viele sehr gute Ingenieure zu haben. Diese – ich nenn´s jetzt mal – ‚Kernkompetenz‘ sollten wir schnellstens wieder stärken! Dann haben wir gute Chancen, wieder Vorreiter zu sein. Auf diesem Weg dürfen wir aber keine strategischen Fehler mehr machen. Wenn uns das gelingt, können wir wieder ganz oben mitspielen. Wenn wir das nicht schaffen und ein paar ungünstige Umstände zusammenkommen, können wir aber auch ganz schnell absteigen. Wir haben tolle Chancen. Es gibt aber auch erhebliche Risiken. Das muss jedem klar sein, vom Nachwuchs über die Forschung und die Industrie bis in die Politik.

Inwieweit lassen sich Batterien heute recyclen? Kann man das Schreddern von Batterien als ‚Recycling‘ bezeichnen?

Batterien zu schreddern und dann thermisch zu verwerten ergibt natürlich keinen Sinn. Das Ziel muss sein, die Rohstoffe auf gleichwertigem Niveau wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Das ist mit Hilfe von chemischen und physikalischen Prozessen durchaus möglich. Technologisch könnten wir mehr als 90 Prozent der Rohstoffe wieder nutzbar machen. Die Aufgabe besteht jetzt darin, diese Prozesse so zu skalieren, dass sie wirtschaftlich sind und Wertstoffe wieder effizient in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns, aber das ist machbar.

Wie sieht‘s denn mit dem Energieaufwand beim Recycling aus?

Wenn man das groß skalieren, also im großen industriellen Maßstab betreiben kann, dann ist die Bilanz ganz gut. Klar kostet das Energie, aber eben deutlich weniger, als wenn man die Rohstoffe aus dem Boden holt. Allerdings: Wenn man das im kleinen Maßstab machen wollte, dann ist die Bilanz eher schlecht.

Wie sieht´s mit dem sogenannten Second Life der Batterien aus?

Um bestehende Hürden zu senken, Batterien einer weiteren Nutzung zuzuführen, bauen wir in unserem Projekt ‚Fluxlicon‘ eine ‚Trusted Platform‘ auf. Sie soll dem Kunden die Sicherheit geben, dass die Gebrauchtbatterie so funktioniert, wie ihm das der Anbieter verspricht. Dazu brauchen wir zum einen die Lebenszyklusdaten, also den digitalen Zwilling der Batterie, und zum anderen eine Organisation – analog zum TÜV oder zur Dekra –, die zertifiziert, dass diese Daten nicht manipuliert wurden und die Batterie in einem guten Zustand ist. Zu den spannenden Fragen gehört auch: Wie bekomme ich es organisatorisch und wirtschaftlich hin, ein werthaltiges Produkt einer sinnvollen Zweitnutzung zuzuführen? Da gibt´s auch noch technologische Fragen zu klären.

Der Lehrstuhl PEM arbeitet auch daran, Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf E-Antrieb umzurüsten. Ist das sinnvoll?

Dabei geht´s vorrangig um Nutzfahrzeuge. Wenn ich nur einen einzelnen Lkw umrüsten will, dann wird das natürlich sehr teuer. Deshalb haben wir ein Projekt aufgesetzt, in dem wir die Prozesse standardisieren und Kits entwickeln wollen, mit deren Hilfe sich bestimmte Lkw-Sorten in Serie umrüsten ließen. Das senkt die Kosten massiv und kann für bestimmte Anwendungsfälle durchaus sinnvoll sein.

Sie arbeiten auch an LKW mit Stromabnehmer. Wann ergibt es Sinn, die erforderliche Infrastruktur – die ja auch wieder CO2 verursacht – aufzubauen?

Das Konzept besteht nicht darin, die Energie ausschließlich über Oberleitungen bereitzustellen, sondern durch die Oberleitung mit einer kleineren Batterie auszukommen. Dadurch bräuchte man in ganz Deutschland nur eine begrenzte Anzahl an Oberleitungskilometern. Das wäre überschaubar. Richtig Sinn ergibt dieses Konzept beispielsweise im Hinterland von Häfen, wo Lkws im Pendelverkehr unterwegs sind. Das könnte man sich beispielsweise von Rotterdam bis in den Aachener Raum vorstellen. Auf solchen Strecken wäre das sehr schnell wirtschaftlich. Allerdings müssen wir hier auch Umweltbelange berücksichtigen.


PEM-Leitfäden zur Elektromobilität

Der Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen gibt immer wieder interessante Leitfäden rund um das Thema Elektromobilität und Mobilitätswandel heraus. Beispiele dafür sind:

  • Produktionsprozess einer Lithium-Ionen-Batteriezelle
  • Elektromotoren-Produktion – Die Wertschöpfungskette im Spannungsfeld von „Market Pull“ und „Technology Push“
  • Produktion von Brennstoffzellensystemen
  • Recycling von Lithium-Ionen-Batterien

Zu finden sind die Leitfäden unter: http://hier.pro/DllsW

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