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Produktion in der Blechbearbeitung energieflexibel managen

Energieoptimierte Blechbearbeitung
Produktionsplanung in der Blechbearbeitung energiegerecht managen

Energieeffizienz ist schon seit geraumer Zeit ein Thema in der Blechbearbeitung, häufig in Verbindung mit Maßnahmen zur Ressourceneffizienz und CO2-Reduzierung. Angesichts der aktuellen Lage am Energiemarkt geht es jetzt um echte Kosten. Welche Maßnahmen wirken und welche Ideen zur Energiekosteneinsparung noch in der Pipeline stecken, fassen wir zusammen.

» Volker Albrecht, Fachjournalist in Bamberg

Lange Zeit galten die Energiekosten bei den Blechbearbeitern als vernachlässigbar, jetzt sind sie zu einem ernstzunehmenden betriebswirtschaftlichen Faktor geworden. In der aktuellen Situation steuern die Unternehmen mit Maßnahmen zum Energiesparen gegen, die bisher erst im Zug von Investitionen in neue Anlagen in Angriff genommen wurden. Allerdings kündigten sich die Preisentwicklungen schon als Nebenwirkung der Energiewende seit geraumer Zeit an, nicht erst seit dem Ukrainekrieg und den ausgesetzten Gasimporten aus Russland. Entwicklungen im Energiemarkt, die sich ansonsten noch über Jahre hingezogen hätten, vollziehen sich jetzt schneller als erwartet. Mit dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energiequellen ändern sich die Anforderungen an die Stromnetze und damit auch das Energieangebot und die Preisstrukturen. Energieeffizienz reicht für die Unternehmen als alleinige Gegenmaßnahme nicht aus, neue Strategien zur industriellen Energienutzung sind gefragt.

Geringer Verbrauch pro Teil reicht nicht

Ressourcen- und Energieeffizienz sind bei dem Werkzeugmaschinenbauern bereits seit einigen Jahren ein Dauerthema, beides wird regelmäßig als Verbrauch pro Teil definiert. Entsprechend sind neu vorgestellte Maschinen nicht nur produktiver als ihre Vorgängerversionen, sondern auch energieeffizienter. Wo immer es geht, werden hydraulische und pneumatische Antriebe durch elektromotorische ersetzt und wo es nicht geht, reduzieren automatische Standby-Schaltungen den Energieverbrauch in Ruhephasen. Vielfach wurden die Bearbeitungsverfahren selbst verbessert und Steuerungen mit intelligenten Assistenzsystemen optimieren Schneid-, Biege- oder Schweißoperationen automatisch, indem sie die Bearbeitungsparameter an das zu bearbeitende Material anpassen.

Neumaschinen nur ein Teil der Lösung

Nicht vermeidbare Verlustleistungen werden beispielsweise für die Gebäudeheizung genutzt, oder sie dienen durch maschinenübergreifende Rekuperation dazu, Lastspitzen zu reduzieren. Das funktioniert nicht nur bei großen servoangetriebenen Umformpressen, sondern auch im kleineren Maßstab. So wandelt etwa die Profilieranlage Xellar von Profilmetall die Bremsenergie der zum Ablängen der Profile eingesetzten fliegenden Schere in elektrische Energie um, die dann in die Antriebe der Umformeinheit der Profilieranlage eingespeist wird. Bei einfachen Profilen seien damit Energieeinsparungen von bis zu 50 % erreichbar, heißt es.

Da Investitionen in energieeffiziente Neumaschinen keine kurzfristige Angelegenheit sind, konzentrieren sich viele Unternehmen in der aktuellen Situation allerdings zunächst auf die naheliegenden Einsparpotenziale wie Licht, Heizung, Lüftung, Kühlung oder Druckluft. Zudem werden Mitarbeiter durch Schulungen für Energiefragen sensibilisiert. In der Folge führen Wartungsmaßnahmen an älteren Maschinen und Korrekturen an den Betriebsparametern der Maschinen schon zu einem geringeren Energieverbrauch.

Energieeffizienz in der Produktion beginnt bereits in der Teilekonstruktion mit der Festlegung der Fertigungsmethode und in der Produktionsplanung mit der Wahl der Produktionsanlagen. Für eine energieorientierte Auswahl der effizientesten Anlagen fehlen in der Praxis allerdings oft Informationen über den erwartbaren und tatsächlichen Energieverbrauch einzelner Maschinen. Und nicht nur die Stromzähler an den Geräten fehlen, es fehlt oft auch Software zur gezielten Auswertung entsprechender Daten, um einerseits energieintensive Anlagen zu identifizieren und andererseits einen energieoptimierten Mix bei der Belegung der Anlagen zu finden.

Energie oder Energiekosten sparen

Die Produktionstechniken und -anlagen sind aber nur ein Teil der Antwort, wenn es darum geht Energiekosten zu sparen. Denn mit dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energiequellen für die Stromgewinnung, dem verminderten Einsatz von Kohle- und Gaskraftwerken zum Abdecken von Lastspitzen sowie fehlenden Speichersystemen wird das Energieangebot insgesamt volatiler. Entsprechend ändern sich die Strategien, das Stromnetz stabil zu halten, und damit ändert sich auch das Strompreisgefüge. Dieser Aspekt der Energiewende wird insbesondere im Rahmen des Synergie-Projekts erforscht, das zu der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung begründeten Forschungsinitiative der Kopernikus-Projekte gehört und aus dem einige Grundsatzüberlegungen hier dargestellt sind.

Der Strompreis setzt sich aus Strombeschaffungskosten, Netznutzungsentgelten sowie Abgaben zusammen. Die Preise für die Strombeschaffung werden am Strommarkt ausgehandelt und variieren von Stunde zu Stunde. Netznutzungsentgelte sind dagegen vom Energieversorgungsunternehmen regional unterschiedlich festgelegt und machen häufig den größten Teils des Strompreises aus. Sie errechnen sich aus dem Arbeitspreis für den durchgeleiteten Strom und dem Leistungspreis für die Bereitstellung des Netzes. Der Endpreis summiert sich aus dem Arbeitspreis mal dem Stromverbrauch im Jahr und dem Leistungspreis mal der maximalen jährlichen Leistung, der sogenannten Lastspitze. Speziell die Netznutzungsentgelte können Unternehmen durch organisatorische sowie technische Lösungen reduzieren, indem sie ihr Stromverbrauchsverhalten anpassen. Die Möglichkeiten reichen vom klassischen Lastmanagement mit der Reduzierung von teuren Lastspitzen bis zum Minimieren des Blindstromanteils.

Kleinere Lastspitzen reduzieren Kosten

Unternehmen, die den Energiebedarf ihrer Produktion einerseits flexibel an das volatile Energieangebot und die damit variierenden Strompreise anpassen und andererseits dabei Lastspitzen gering halten, können ihre Energiekosten deutlich reduzieren, ohne weniger zu produzieren. Sinngemäß gilt das auch für Unternehmen, die Photovoltaikanlagen nicht nur wegen der Einspeisevergütung betreiben, sondern zusammen mit Speicherelementen zur Eigenversorgung ihrer Produktionsanlagen nutzen.

Es geht darum, die Nachfrageflexibilität für Energien zu erhöhen, indem Unternehmen den Energieverbrauch in ihre Produktionsplanung und -steuerung als gleichberechtigtes Produktionsziel neben den herkömmlichen Planungszielen wie der Einhaltung von Auftragsterminen oder die Materialverfügbarkeit aufnehmen. Ideal wird die Planung dann, wenn der Energieverbrauch und das zeitlich variierende Energieangebot aufeinander abgestimmt werden.

Entsprechende Ansätze in Planungssystemen gibt es bereits. So kann für den lang- bis mittelfristigen Bereich im ERP-System und im mittel- bis kurzfristigen Bereich das Manufacturing Executions Systeme (MES) den für die Produktion erforderlichen Energiebedarf in der Planung berücksichtigen und anpassen. Dabei geht es im Grunde darum, die Produktion bei einem hohen Energieangebot hoch und bei geringem Energieangebot runterzufahren, wobei in der kurzfristigen Steuerung das Vermeiden von Lastspitzen im Vordergrund steht. Da im Betriebsablauf Störungen unvermeidbar sind muss ein entsprechendes System kurzfristig regelnd und steuernd eingreifen können. Was voraussetzt, dass den entsprechenden IT-Systemen die real auftretenden Energieverbräuche der unterschiedlichen Betriebsmittel und Maschine in Echtzeit zur Verfügung stehen.

Selbstversorger mit energieflexibler Produktion

Dass eine Produktion mit einem großen Anteil an Blechfertigung energieflexibel organisiert sein kann, demonstriert die Alois Müller Gruppe an ihrem Standort in Ungershausen im Allgäu. Seit 2019 betreibt die Unternehmensgruppe dort ihre Green Factory. In dem 18.000 m² großen Produktions- und Bürogebäude arbeiten rund 250 Mitarbeiter und fertigen Lüftungskanäle und versorgungstechnische Komponenten des Anlagenbaus wie zum Beispiel Rohrleitungssysteme aus Stahl und Edelstahl. Zudem produziert das Unternehmen dort Elemente für mobile Energiezentralen in Containerbauweise sowie für Energiemodulsysteme.

Die Energie für die Produktionsanlagen und das Gebäude liefern eine Photovoltaikanlage mit einer maximalen Leistung von 1,2 MW, ein Blockheizkraftwerk und eine Pelletheizung. Unterschiedliche Speichermedien gleichen Schwankungen in der Energieerzeugung aus. Der gesamte Produktionsprozess ist auf die Stromerzeugung abgestimmt. Intensive Stromverbraucher wie die Lasermaschine werden vorrangig dann betrieben, wenn die PV-Anlage genügend Strom bereitstellt. Schweißgeräte sowie Flex- und Biegemaschinen kommen durchgängig zum Einsatz und werden permanent mit Strom versorgt. Lackier- und Sandstrahlarbeiten wiederum sind bevorzugt bei ausreichend Solarstrom im Einsatz. Gleiches gilt für die hausinterne Produktion verschiedener Medien wie Stickstoff und vollentsalztem Wasser sowie Druckluft. Überschüssiger Strom der PV-Anlage wird ins Netzt eingespeist.

Eine Grundlage für die energieflexible Produktion ist die genaue Analyse aller Stoff- und Energieströme für jeden einzelnen Fertigungsschritt. Über mehrere Jahre hat die Alois Müller Gruppe dafür Produktionsdaten erfasst, die heute in einem intelligenten Enterprise-Ressource-Planning-System (ERP-System) zusammen mit der aktuellen Wettervorhersage, der Auftragslage und den verfügbaren Mitarbeitern zur Planung genutzt werden. Das Konzept der Green Factory sei adaptierbar, erklärt Andreas Müller, Geschäftsführer der Alois-Müller-Gruppe, im Firmenvideo.

Intelligente Planungs- und Steuerungssystem

Mit hinsichtlich des Energieverbrauchs konfigurierten ERP-, MES- oder PPS-Systemen können auch Unternehmen, die Strom nur von externen Energieversorgern beziehen, durch entsprechende Produktionsplanung die Lastenverteilung managen. An Planungs- und Steuerungssysteme die dezentral und automatisiert die Betriebsmittel innerhalb einer Produktionsumgebung energiekostenoptimiert steuern wird im Rahmen des Synergie-Projekts geforscht.

Aber auch ohne diese Systeme ist es ratsam, sich eher früh als spät auf die strukturellen Änderungen in der Energieversorgung einzustellen. Energieeffiziente Maschinen alleine werden dabei nicht reichen. Das Umdenken in Sachen energieflexible Produktionsstrategien hat bereits angefangen.

Kontakt:
Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP
Universität Stuttgart
Nobelstr. 12
70569 Stuttgart
Tel.: +49 711 970–1241
kopernikus-synergie@eep.uni-stuttgart.de
www.eep.uni-stuttgart.de
https://synergie-projekt.de
www.kopernikus-projekte.de

Alois-Müller-Gruppe
Gutenbergstraße 12
87781 Ungerhausen

Tel.: +49 8393 9467-0
info@alois-mueller.com
www.alois-mueller.com

Profilmetall GmbH
Wagnerstr. 1
72145 Hirrlingen
Tel.: 07478/9293–0
team@profilmetall.de
www.profilmetall.de

Profilmetall Engineering GmbH
Dillberg 22
97828 Marktheidenfeld
www.profilmetall.de


Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger
Bild: Tom Oettle

Energie pro Bauteil greift zu kurz

Unter den steigenden Energiepreisen leiden nicht nur die Verbraucher. Auch für viele Unternehmen sind sie ein großes Problem. Angesichts weiterer Herausforderungen wie dem Streben nach Klimaneutralität und Nachhaltigkeit, greift der bisherige Ansatz – die Energieeffizienz pro gefertigtem Bauteil zu optimieren – jedoch zu kurz. Es gilt, den Energieverbrauch absolut zu minimieren und ihn möglichst regenerativ zu decken. Dazu muss es jedoch gelingen, den Verbrauch flexibel ans Energieaufkommen anzupassen.

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