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REACh und die Verchromung – Dichtung und Wahrheit

Dr. Metzner, Fraunhofer IPA: REACh bedeutet keinesfalls das Ende der Galvanik
REACh und die Verchromung – Dichtung und Wahrheit

Rund um die REACh-Verordnung kursiert eine Fülle von Gerüchten und Falschinformationen, die für Verwirrung sorgen. Dr. Martin Metzner, Abteilungsleiter Galvanotechnik beim Fraunhofer IPA, räumt im Folgenden mit Vorurteilen auf und führt fundiert in die Thematik ein.

Über die Konsequenzen der REACh-Verordnung treten leider häufig Unklarheiten auf – vor allem was die Auswirkungen auf galvanische Schichten im Allgemeinen und den Einsatz von Stoffen wie Chromsäure im Speziellen angeht. Dies betrifft beispielsweise Anwendungen wie die Hartverchromung oder auch dekorative Verchromungen in den Bereichen, in denen sie tribologischen Anforderungen unterliegen. REACh ist ein sehr komplexes Thema, das an vielen Stellen sehr emotional diskutiert wurde, wodurch Sachlichkeit verloren gegangen ist.

Wie unhaltbar manches Geäußerte ist, macht ein kleiner Vergleich deutlich: Aussagen wie „Hartverchromen wird in der EU verboten“ haben in etwa denselben Wahrheitsgehalt wie „Autofahren ist in der EU verboten!“ Dass dies falsch ist, weiß jeder. Dass ein Auto in falschen Händen, wie eine SVHC-Chemikalie auch, gefährlich sein kann, weiß auch jeder. Man kann aber einen Führerschein machen, dann darf man Auto fahren. Der Führerschein entspricht der REACh-Zulassung (Autorisierung). Voraussetzung für den Führerschein sind Wissen, Ausbildung und Eignung. Die Voraussetzung für die REACh-Zulassung ist der richtige Umgang mit der Chemikalie und vor allem die Anlagentechnik, die Mitarbeiter und Umwelt zuverlässig vor ihr schützt.
Dieser Artikel soll zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Dementsprechend werden hier nur belegbare Fakten dargestellt, die auch einer kritischen Überprüfung standhalten können. Im Zweifel wurde dabei stets und ausschließlich der Originaltext von REACh in der offiziellen deutschen Übersetzung berücksichtigt. Aus diesem stammen auch alle Zitate, unter Nennung der betreffenden Artikelnummern.
1. Was bedeutet REACh?
REACh steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals. In der aktuellen Form inklusive dreier Berichtigungen umfasst die deutsche Fassung der Verordnung 141 Artikel und 17 Anhänge auf 280 Seiten. Ihre Eckpunkte sind:
  • REACh betrifft den Import, die Herstellung oder Verwendung von Stoffen über 1 t/a in der EU.
  • Die Unternehmen sind für die Verwendung von Stoffen in der Verantwortung. Es gilt: „no data, no market“. Stoffe können nur dann verwendet werden, wenn ausreichende Informationen für eine Beurteilung vorliegen. Grundlage hierfür ist die Registrierung der Stoffe.
  • Alle registrierten Stoffe werden EU-weit in einer zentralen Datenbank verwaltet.
  • Durch REACh werden bestehende Gesetze aufgehoben, um eine einheitliche Rechtsgrundlage in Europa zu schaffen.
  • Die für den REACh-Prozess verantwortliche Einrichtung ist die ECHA (siehe 2.).
REACh insgesamt ist positiv zu werten. Im Sinne einer sicheren und nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung ist es sehr sinnvoll, dass relevante Informationen zu verwendeten Stoffen zentral gesammelt und dokumentiert werden. Wichtig ist daher die Unterscheidung des Oberbegriffs REACh von den Zulassungs- und Beschränkungsprozessen im Zuge von REACh:
  • Innerhalb der REACh-Verordnung gibt es ein Zulassungsverfahren für den Umgang mit besonders besorgniserregenden Stoffen, Substances of Very High Concern (SVHC).
  • Diese Stoffe können in den Anhang XIV (auch Annex XIV) aufgenommen werden.
  • Nachdem ein Stoff in Anhang XIV aufgenommen wurde, entscheidet die EU-Kommission anhand bestimmter Kriterien, ob die Verwendung dieses Stoffes eine Zulassung erhält oder ob er Beschränkungen unterworfen wird. Weder die Benennung eines Stoffes als SVHC-Stoff noch die Aufnahme in Anhang XIV bedeuten das automatische Verbot dieser Stoffe!
2. Was ist die ECHA?
ECHA steht für European Chemicals Agency, zu deutsch Europäische Chemikalien-Agentur. Sie besteht seit 2007, hat ihren Sitz in Helsinki und ist mittlerweile mit etwa 500 Mitarbeitern eine der größten Einrichtungen der EU. Die ECHA finanziert sich aus einem Zuschuss der EU und aus den von Unternehmen zu entrichtenden Gebühren (Artikel 96). Da die Gebühren für die Registrierung von Stoffen nur bei der Einführung von REACh als relevant anzusehen sind, dürfte sich die ECHA langfristig mit den Einnahmen aus der Zulassung von Stoffen finanzieren müssen.
3. Der Anhang XIV von REACh und
seine Konsequenzen
3.1 Was ist der Anhang XIV (Annex XIV) der REACh-Verordnung?
Der Anhang XIV ist das „Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe“. Die deutsche Fassung von REACh übersetzt den englischen Begriff „Authorisation“ konsequent mit „Zulassung“. Oft wird jedoch in Zusammenhang mit REACh der eingedeutschte Begriff „Autorisierung“ verwendet.
3.2 Wie kommt ein Stoff in Anhang XIV (Artikel 57, 58 und 59)?
Die Aufnahme eines Stoffes in Anhang XIV erfolgt nach folgendem Ablauf:
  • 1. Der Stoff wird als SVHC identifiziert, das heißt die zuständigen Behörden in den Ländern der EU bereiten Dossiers über die Stoffe vor, die ihrer Auffassung nach als SVHC anzusehen sind. In Deutschland ist die zuständige Behörde die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
  • 2. Ein EU-Komitee entscheidet dann über die Aufnahme der Stoffe auf eine „Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV in Frage kommenden Stoffe“ („SVHC-Liste“).
  • 3. Die ECHA erstellt „mindestens jedes zweite Jahr“ Empfehlungen („Priorisierung“) für die Aufnahme von Stoffen der SVHC-Liste.
  • 4. Im letzten Schritt entscheidet dann die EU-Kommission über die Aufnahme der von der ECHA empfohlenen Stoffe der SVHC-Liste in Anhang XIV.
3.3 Was versteht man unter der Zulassung?
Ein Stoff, der in Anhang XIV steht, kann ab dem so genannten „Sunset Date“ (siehe 3.4) nur noch mit Zulassung verwendet werden. Mit der Zulassungspflicht soll erreicht werden, dass „… die von besonders besorgniserregenden Stoffen ausgehenden Risiken ausreichend beherrscht werden und dass diese Stoffe schrittweise durch geeignete Alternativstoffe oder -technologien ersetzt werden, sofern diese wirtschaftlich und technisch tragfähig sind …“ (Artikel 55).
Für eine erfolgreiche Zulassung gelten folgende Voraussetzungen (Artikel 60):
  • Das „… Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, das sich aus der Verwendung des Stoffes …“ ergibt, muss „… angemessen beherrscht …“ werden.
  • Oder der „… sozioökonomische Nutzen …“ überwiegt die Risiken und es gibt keine „… geeigneten Alternativstoffe oder -technologien …“.
Für die Zulassung gelten folgende Rahmenbedingungen:
  • Eine Zulassung kann sich auf eine oder mehrere Verwendungen des Stoffes beziehen.
  • Die Zulassung muss primär vom Importeur oder Hersteller beantragt werden.
  • Auch so genannte nachgeschaltete Anwender können eine Zulassung beantragen. Tun sie dies nicht, so müssen sie auf jeden Fall die Verwendung an die ECHA melden, unter der Voraussetzung, dass ein vorgeschaltetes Unternehmen die Zulassung bereits beantragt hat. Die Zulassung kann für nachgeschaltete Anwender dann von Interesse sein, wenn sie sich nicht zu sehr von den vorgeschalteten Unternehmen abhängig machen wollen.
  • Die Zulassung ist zeitlich begrenzt; eine neue Zulassung wird dann erst nach einer erneuten Überprüfung der Voraussetzungen erteilt.
  • Zulassungen unterliegen der regelmäßigen Überprüfung. Die EU kann Zulassungen auch vor Ablauf entziehen, wenn sich neue Erkenntnisse bei Alternativtechnologien oder Veränderungen hinsichtlich des sozio-ökonomischen Nutzens abzeichnen (Artikel 61).
  • Bei vorhandenen Alternativen ist bei der Zulassung ein Substitutionsplan einzureichen.
3.4 Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
Von der ECHA werden zwei Termine vorgegeben (Artikel 58): a) Der Ablauftermin („Sunset Date“), der jeweils ungefähr 4 Jahre nach der Aufnahme in Anhang XIV anstehen wird. b) Das „Application Date“, welches mindestens 18 Monate vor dem Sunset Date liegt. Nach dem Sunset Date können die betreffenden Stoffe nur noch mit Zulassung eingesetzt werden. Bis zum Application Date müssen Zulassungsanträge erfolgt sein, wenn eine weitere Verwendung der Substanz gewünscht ist. Nach diesem Termin ist dies nicht mehr möglich.
Die Zulassungsverfahren haben einen bestimmten Ablauf (Artikel 64), wie in obigem Diagramm dargestellt:
Der Ablauf des Zulassungsverfahrens RAC steht für Risk Assessment Committee – Ausschuss für Risikobeurteilung, SEAC steht für Socio-Economic Analysis Committee – Ausschuss zur Beurteilung der sozio-ökonomischen Analyse.
  • 4 REACh und die Galvanotechnik
  • 4.1 Welche Stoffe sind aktuell betroffen?
  • Chromtrioxid sowie Chromsäure und ihre Oligomere: Sind seit 17. April 2013 in Anhang XIV. Die Vorbereitungen für das Zulassungsverfahren laufen, siehe auch Punkt 4.3 weiter unten.
  • Borsäure: Seit 2010 auf der SVHC-Liste für die Aufnahme in Anhang XIV.
  • Cobaltsalze (Chlorid, Carbonat, Acetat, Nitrat und Sulfat): Seit 2010 auf der SVHC-Liste für die Aufnahme in Anhang XIV.
4.2 Welche Gerüchte kursieren?
„Alle Stoffe, die auf die SVHC-Liste beziehungsweise in Anhang XIV kommen, werden zwangsläufig verboten.“ Oder: „REACh ist eine Stoffverbotsverordnung.“
Das ist grundsätzlich falsch! Richtig ist: Alle Stoffe, die in Anhang XIV aufgenommen werden, werden einem Zulassungsverfahren unterworfen, bei dem anhand von Daten zu Beherrschbarkeit von Risiken, Exposition, sozio-ökonomischen Nutzen, Umweltgefährdungspotenzial und Alternativen entschieden wird, ob der Stoff auch weiterhin – eventuell unter Auflagen – verwendet werden kann. Nur wenn die EU-Kommission eine Zulassung ablehnt, werden die Stoffe Beschränkungen unterworfen.
„Stoffe dürfen sofort nach ihrer Aufnahme in Anhang XIV nicht mehr verwendet werden.“
Auch das ist falsch. Richtig ist: Stoffe, die in Anhang XIV aufgenommen wurden, können noch bis zum Sunset Date weiter verwendet werden, danach nur noch mit Zulassung.
„Nachdem eine Zulassung erteilt wurde, gilt diese Erteilung zeitlich unbegrenzt.“ Oder: „Eine Zulassung gilt nur 3 bis 4 Jahre“
Beides ist falsch: Richtig ist: Eine Zulassung wird nur für einen bestimmten Zeitraum erteilt. Eine neue Zulassung wird erst nach einer erneuten Überprüfung der Voraussetzungen erteilt.
Noch ist nicht klar, wie lange eine Zulassung gewährt wird, aber hier sind durchaus ausreichend lange Zeiträume von zweistelligen Jahreszahlen in der Diskussion.
4.3 Wie geht es weiter?
Die Relevanz der Prozesse und die Notwendigkeit, Verfahren wie die galvanische Verchromung in Europa weiter betreiben zu können, sind erkannt. Die Anwendung dieser Verfahren ist erstens notwendig, um die Wettbewerbskraft der anwendenden Industrie wie beispielsweise des Maschinen- oder Fahrzeugbaus zu erhalten. Zweitens sind gerade Verfahren wie die Hartverchromung, wenn sie unter hierzulande gültigen Vorschriften und dem Stand der Technik angewandt werden, in Bezug auf Mitarbeiterschutz, Energieeffizienz und Materialeffizienz (auch ein Aspekt des Umweltschutzes) oft vorgeschlagenen „möglichen Alternativen“ überlegen – auch wenn selbsternannte Experten gerne anderes behaupten. Der Gewässerschutz ist in der Galvanotechnik beispielsweise durch die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes per se gegeben. Zudem muss an dieser Stelle noch deutlich betont werden, dass galvanisch erzeugte Chromschichten aus metallischem Chrom bestehen und kein sechswertiges Chrom beinhalten. Dies dient ausschließlich als Produktionsmittel.
Derzeit laufen die Vorbereitungen für das Zulassungsverfahren für Chromtrioxid und damit die Verchromung in der industriellen Anwendung. In dieser Angelegenheit zu benennen sind vor allem zwei Konsortien:
  • das „Chromium Trioxide REACh Authorization Consortium“ (CTAC) und
  • der „Verein zur Wahrung von Einsatz und Nutzung von Chromtrioxid und anderen Chrom-VL-Verbindungen in der Oberflächentechnik e. V.“ (VECCO).
Herstellern und Anwendern von Schichten, deren Produktion auf Chromtrioxid basiert, kann nur ans Herz gelegt werden, mit diesen Konsortien in Verbindung zu treten und den Prozess der Zulassung aktiv mitzugestalten.
5. Fazit
REACh bedeutet für alle betroffenen Industriezweige in erster Linie einen zusätzlichen administrativen Aufwand. REACh bedeutet allerdings weder das Ende der Galvanotechnik noch das Ende der Hartverchromung oder der Kunststoffmetallisierung. Damit das auch so bleibt, sind zwei Dinge notwendig:
Es ist ein möglichst europaweit koordiniertes Vorgehen der Industrie erforderlich. Die Bedeutung des Europäischen Verbandes „Comité Européen des Traitements de Surfaces“ (CETS, www.cets-surface.eu) wird daher steigen.
Der Vielzahl an Gerüchten, Pauschalurteilen, Verbotsprognosen, Untergangsszenarien und der allgegenwärtigen sonstigen Panikmache ist sachlich aber entschieden entgegen zu treten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass verunsicherte Anwender ohne Not auf qualitativ schlechtere oder teurere und ökologisch nachteilige Beschichtungsverfahren umsteigen. Der mögliche Schaden für die gesamte Industrie, also auch für die Anwender beschichteter Bauteile, ist als bedeutend anzusehen und sollte mit aller Kraft vermieden werden.
Dr. Martin Metzner Abteilungsleiter Galvanotechnik beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Quellen 1. Originaltext von REACh: www.eur-lex.europa.eu/RECH_naturel.do?ihmlang=de (Verordnung anklicken und dann als Jahr 2006 und als Nummer 1907 angeben) 2. Homepage der ECHA: www.echa.europa.eu/de/web/guest/home 3. Homepage des Umwelt Bundes Amt: www.reach-info.de/zulassung.htm 4. Homepage der BAuA: www.reach-clp-helpdesk.de/de/Startseite.html 5. Homepage des Landes Baden-Württemberg: www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/22787/ 6. Liste der Einstufung von Chemikalien nach GHS: www.dguv.de/ifa/de/fac/kmr/kmr_neue_bezeichnungen.pdf 7. www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/REACH-Info/REACH-Info-10.pdf?__blob=publicationFile&v=2
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