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Fakuma 2017: Regelungstechnik macht Spritzgießen smarter

Fakuma 2017
Regelungstechnik macht Spritzgießen smarter

Die Fakuma erweckt zum Leben, was vor einem Jahr auf der Messe K als Innovation vorgestellt wurde – auch im Hinblick auf Industrie-4.0- Konzepte. Etliche auf der K vorgestellte Maschinen sind überhaupt erst jetzt bestellbar. So wird die Fakuma 2017 zur Arbeitsmesse für Investitionen und neue Ansätze in der Praxis.

Olaf Stauß

Vielleicht am stärksten vom Messe-Takt frei gemacht hat sich Sumitomo (SHI) Demag. Nach der „Vor-Premiere“ einer 500-kN-Version auf der Messe K 2016 stellte der Spritzgießmaschinenbauer jetzt im Mai seine von Grund auf überarbeitete Generation elektrischer Maschinen vor, die „neue IntElect“. Diese Reihe umfasst Schließkräfte bis 1800 kN und schließt an die Midsize-IntElects ab 2200 kN an. Sie wird auf der Fakuma erstmals zu sehen sein und ist das Ergebnis einer mehrjährigen Gemeinschaftsentwicklung des deutsch-japanischen Unternehmens.

Herz der neuen Plattform sind hochdynamische Hightorque-Direktantriebe aus Japan. „Wir wollten einen signifikanten Schritt nach vorne gehen. Diese vollelektrischen Maschinen sind eine Investition in die Zukunft“, sagte CEO Gerd Liebig bei der Einführung. Die Spritzgießmaschinen (SGM) zeichnen sich durch Modularität aus, kompakte Bauweise und durch hohe Präzision für technische und optische Bauteile. So ist der Schaltschrank in das Maschinenbett integriert, die Spritzzeit liegt dank Regelung und hoher Dynamik „immer bei genau 1,531 Sekunden“ – sie ist keine Variable mehr. Mehr dazu ist online nachzulesen unter www.industrieanzeiger.de, Suchwort Sumitomo. Eine kleine IntElect 50 produziert nun in Friedrichshafen.

Ähnlich kann auch die Großmaschine Allrounder 1120 H, die Arburg auf der K präsentierte, erst jetzt ab der Fakuma bestellt werden. Zusätzlich führt der Spritzgießmaschinenbauer in Friedrichshafen den zweiten Typ der Reihe in den Markt ein, den Allrounder 920 H.

KraussMaffei berichtet von einer „enormen Nachfrage“ nach der vollelektrischen PX-Reihe, die in Düsseldorf vorgestellt wurde, und will die Produktionskapazitäten im nächsten Jahr verdoppeln. Und auch Wittmann Battenfeld macht den auf der K als Prototypen gezeigten vollelektrischen Schnellläufer EcoPower Xpress ab jetzt für Bestellungen zugänglich. Die neuen SGM haben eines gemein: Sie werden jetzt greifbar, auf der Fakuma kann sich der Besucher ein besseres Bild machen.

Das gilt auch für Industrie 4.0. Die Ideen haben sich gesetzt, konkrete Konzepte schälen sich heraus. Engel Austria kündigt an, auf der Messe intensiv über die Möglichkeiten zu informieren. Der Spritzgießmaschinenbauer richtet dazu „Expert Corners“ ein, die Engel-Angebote für alle drei Bereiche einer „smart factory“ beleuchten: für Maschine, Service und Produktion. Am stärksten sind dabei die Tools für den – meist ersten – Schritt hin zur smart machine. Das intelligente Assistenzsystem „iQ weight control“ etwa ist schon fünf Jahre alt und hält das Einspritzvolumen konstant, „iQ clamp control“ regelt die optimale Schließkraft.

Ab der Fakuma gibt’s den „iQ weight monitor“ in jeder neuen SGM von Engel. Und iQ clamp control wird nun auch für hydraulische Großmaschinen vom Typ „duo“ angeboten. Erst letztes Jahr zur K brachte Engel „iQ flow control“ als neues Industrie-4.0-Tool heraus, das den Temperierwasserstrom regelt und damit erheblich Energie einsparen kann. Auch andere Hersteller bieten solche Tools an. Sie sind aber nicht unbedingt vergleichbar, in Ziel und Umsetzung unterscheiden sie sich teils sehr.

Wittmann Battenfeld konzentriert sich bei Industrie 4.0 auf die Vernetzung von SGM und Peripherie – naheliegenderweise, weil die Wittmann-Gruppe über sämtliche Komponenten einer Spritzgießfertigung aus eigener Produktion verfügt. Der Spritzgießmaschinenbauer demonstriert dies auf der Messe unter dem Stichwort Wittmann 4.0: Neben Robotern, Temperiergeräten, gravimetrischen Dosiergeräten und Durchflussreglern lassen sich jetzt erstmals auch Trockner des Typs Aton in die SGM-Steuerung Unilog B8 integrieren.

Interessant ist, wie Wittmann für Cyber-Sicherheit sorgt. In Zusammenarbeit mit einem IT-Partner haben die Österreicher eine Art Zwiebelschalenprinzip als Sicherheitsarchitektur für ihre Fertigungszellen aufgebaut: Jede Zelle ist durch einen eigens entwickelten Router nach außen abgeschlossen, nach innen gibt es diverse Sicherheitsstufen. Will der Anwender eine Fernwartung durch den Hersteller zulassen, kann er „von innen“ heraus den Zutritt gezielt für die Dauer einer Sitzung auf die Steuerung freigeben. Johannes Rella, Leiter Software-Entwicklung, hat dazu eigens einen Fachartikel als Rundschreiben verschickt, der die Zusammenhänge erklärt – er kann online nachgelesen werden unter www.industrieanzeiger.de, Suchwort „Zwiebelschalenprinzip“.

Wie sich die komplette Hardware einer Zelle in die SGM-Steuerung integrieren lässt, zeigt Wittmann Battenfeld auf der Messe am Beispiel einer laufenden Produktion. Eine SGM der vollelektrischen Reihe EcoPower B8, die zur Fakuma mit neuen Features modernisiert wurde, produziert einen Kleiderbügel im Gasinnendruckverfahren. Die gespritzten Bügel entnimmt ein Wittmann-Roboter W818 mit neuer R9-Steuerung. Das Werkzeug stammt von Haidlmair, die Gasinnendruck-Einheit Airmould von Wittmann. Bei diesem „Exponat“ ist die Airmould-Schnittstelle nun ebenfalls in die SGM-Steuerung B8 integriert.

Alle Hersteller visualisieren ihre Highlights mit solchen Live-Produktionen. Die „Exponate“ sind die Perlen der Messe. Denn sie beleuchten den gesamten Spritzgießprozess. Sie richten den Blick auch auf jene Fortschritte, die bei Verfahren, Werkstoffen, Werkzeugtechnik und Peripherie erzielt werden. So sind sie die eigentlichen Indikatoren für die Möglichkeiten der Branche und ihre Stärke. Wer auf der Höhe der Zeit bleiben will, sollte die Exponate sichten. Einige Highlights, rausgepickt:

KraussMaffei produziert live das Gehäuse einer Spielekonsole und füllt damit die kürzlich mit Roctool vereinbarte Zusammenarbeit bei der induktiven Werkzeugtemperierung mit Leben. Das dekorative Gehäuse entsteht in einem 16-Fach-Werkzeug mit 16 verschiedenen Oberflächen und Designvarianten auf einer 2-Plattenmaschine CX 200. „Die Gestaltungsmöglichkeiten der Technologie sind immens“, erklärt dazu Jochen Mitzler, Leiter Strategisches Produktmanagement bei KraussMaffei. „Egal ob Farbschattierungen, Hologramm-, Hochglanz- oder Matteffekte – alles lässt sich im One-Shot-Verfahren ohne zusätzliche Nachbearbeitung realisieren.“

Beim Fertigen von Fresnel-Linsen kommt auf dem KraussMaffei-Messestand eine Anlage aus der neuen PX-Reihe zum Einsatz. Der Werkstoff Silikon (oder auch LSR) ist extrem niederviskos und erfordert hohe Präzision beim Einspritzen, insbesondere bei optischen Anwendungen. Dazu kombiniert die neue PX 50-180 Silco Set eine elektrische Einspritzeinheit mit hydraulischer Düsenanlagenkraft.

Eine besondere Aufgabe kommt dem intelligenten Assistenzsystem APC plus zu: Das Tool erfasst die Viskosität des Werkstoffs und korrigiert noch im Schuss das Füllvolumen. „Das Teilegewicht bleibt konstant. Auch eventuell auftretende Vorvernetzungen des Silikons können mit APC plus sicher ausgeglichen werden“, sagt Jochen Mitzler. Das Ergebnis nimmt er schon vor der Messe vorweg: Die Linse sei „quasi lupenrein“. Dank der hohen Abformgenauigkeit würden keine Strukturen sichtbar.

Bei Dr. Boy sind Teile und SGM kleiner. 14 Exponate zählt der Maschinenhersteller auf der Fakuma, acht davon auf dem eigenen Stand. Die neue Boy XXS ist mit 63 kN Schließkraft sogar so klein, dass sie auf einen Tisch passt – der Hersteller sieht sie als „willkommene Programmerweiterung“ für viele Anwender. Zu ihr gehört ein Werkzeug-Wechselsystem für kurze Rüstzeiten. Auf der Messe fertigt die Table-Top-Maschine kleine Spielfiguren aus PP, die trotz ihrer geringen Größe geschäumt sind.

Bei einem weiteren Exponat setzt eine Boy 35 E eine Neuentwickung des Konstruktionsbüros Hein um, bei der das Werkzeug nur partiell temperiert wird. Das spart Energie. Die Basis ist ein isoliertes Stammwerkzeug „IsoForm“. Auf der Fakuma wird nur der Werkzeugbereich temperiert, der für den Spritzgießprozess relevant ist, nämlich die 3D-gedruckten Formeinsätze aus Metall.

Auf dem Stand von Engel kommt die Clearmelt-Technologie zu neuem Glanz, die der Maschinenbauer vor Jahren mit Partnern entwickelt hat. Sie ermöglicht das Spritzgießen hochwertiger Automobilkomponenten, ohne dass Lackieren oder andere Nacharbeit nötig wird. Nun gibt es auch eine Exterieur-Anwendung: Auf der Messe produziert eine Engel duo 2460/500 Außenverkleidungen in Hochglanzoptik. Ihre hohe Kratzfestigkeit sollen die Musterteile auf der Waschstraße bewiesen haben.

Bei Clearmelt wird zunächst ein thermoplastischer Grundträger spritzgegossen und in einer zweiten Kavität mit Polyurethan überzogen. Das Verfahren lässt sich mit IML kombinieren, wobei dekorative und kapazitive Folien ebenso wie Holzfurniere verarbeitet werden können. Die PUR-Deckschicht sorgt für den hohen Glanz und die Kratzfestigkeit. Exklusiver Entwicklungspartner für die PUR-Verarbeitung ist Hennecke. Auf die in Friedrichshafen gezeigte Komponente darf man gespannt sein.

Zuletzt ein Blick auf eine schmackhafte Tasse Kaffee, für die Spritzgießmaschinenhersteller Netstal das Rohmaterial auf seinem Stand produzieren will: Eine Elion 1200 (1200 kN Schließkraft) spritzt die dünnwandigen, IML-dekorierten Aroma-Verpackungen für Kaffeekapseln. Gefordert sind hohe Geschwindigkeit und Dynamik. Der Knackpunkt ist aber der Aroma-Schutz. Denn es gilt das hier unbestechliche Aluminium zu ersetzen, das bei seiner Herstellung extrem viel Energie verschlingt.

„Die Lösung von Netstal setzt auf das präzise Coinjection-Verfahren und die herausragende Barrierewirkung von EVOH und PVOH“, sagt Reto Gmür, Applikations-Ingenieur bei Netstal. Dabei wird Schmelze von zwei Aggregaten durch den gleichen Angusskanal in die Werkzeugkavitäten eingespritzt. Das zuerst eintreffende Material umhüllt die Formteile aus der zweiten Komponente. „Im Fall unserer Kaffeekapseln umgeben zwei Schichten PP eine Lage barrierewirksames EVOH und bilden so ein extrem dünnes Sandwich mit einer gesamten Wandstärke von lediglich 0,4 Millimeter“, erklärt Gmür.

Während das EVOH (0,06 mm) den Kaffee schützt, übernehmen die PP-Schichten (jeweils 0,17 mm) den Schutz des EVOH vor Feuchtigkeit. Das Resultat ist eine aromadichte Kapsel, ohne dass Sekundärverpackungen wie Portionenbeutel nötig werden. Das Coinjection-Spritzgießen lässt sich natürlich auch für andere Kunststoffanwendungen nutzen.


Fakuma-Messestände

  • Arburg: Halle A3 , Stand 3101
  • Dr. Boy : Halle A7, Stand 7101
  • Engel Austria: Halle A5, Stand 5204
  • KraussMaffei: Halle A7, Stand 7303
  • Milacron: Halle B3, Stand 3203
  • Netstal: Halle A7, Stand 7304
  • Sumitomo Demag: Halle B1, Stand 1105
  • Wittmann Battenfeld: Halle B1, Stand 1204
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