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Roboter, die sich nach dem Spritzguss strecken

Linearroboter werden so quirlig wie 6-Achser – ein differenzierter Vergleich
Roboter, die sich nach dem Spritzguss strecken

Lineargerät oder Knickarm-Roboter? So einfach ist die Entscheidung gar nicht, vor allem hängt sie stark von der Anwendung ab. Sepro hat beide Systeme im Programm und kommt den Spritzgießern mit 5-Achs-Linearrobotern entgegen, die fast so viel können wie Industrieroboter. Ein Überblick.

Wer darüber nachdenkt, sich ein neues Auto zu kaufen, der wird vielleicht zwischen einem Allrad- und einem normalen Antrieb vergleichen oder darauf achten, wieviel Beinfreiheit die neue Karosse denn bietet. Er wird weniger danach fragen, welches der Autos in den technischen Details wirklich besser dasteht, sondern eher, welches sich auf Eis und Schnee am besten bewegen lässt oder in welchem er sich wohler fühl. Ganz ähnlich ist es, wenn sich ein Spritzgießer mit unterschiedlichen Robot-Konfigurationen auseinandersetzt. Mit dem großen Angebot auf dem Markt und den vielen speziellen Technologien muss man sich dezidiert beschäftigen, um zu verstehen, wo die wirklichen Vorteile der jeweiligen Konfiguration und Auslegung zu finden sind.

Die klassischen Drei-Achs-Linearhandlings eignen sich perfekt für Standardanwendungen in der Spritzgießautomation. Demgegenüber sind Sechs-Achs-Knickarm- oder Scara-Roboter für alle industriellen Einsätze geeignet und nicht speziell auf Arbeitsanforderungen im Spritzgießbereich abgestimmt.
Die auch als „karthesisch“ bezeichneten Linearroboter haben eine vertikale Z-Achse, um zwischen die Werkzeughälften einer Spritzgießmaschine einzugreifen. Ihre horizontale X-Achse deckt einen Bereich über der Schließeinheit bis zu einem außerhalb liegenden, definierten Punkt ab. Und die Y-Achse bewegt den vertikalen Arm über die Maschinenlängsachse, um Spritzteile aus den Kavitäten zu entnehmen und sie außerhalb abzulegen.
Wer einen Robot lediglich zur Teileentnahme in einem schnellen und reproduzierbaren Zyklus benötigt, für den wird ein lineares Drei-Achs-Handling die erste Wahl sein. Wenn mehr und spezielle Bewegungen gefragt sind, zum Beispiel zusätzliche Robot-Operationen im Werkzeug oder außerhalb der Maschine, wird der Spritzgießer über einen 3-, 5- oder 6-Achs-Roboter als Alternative nachdenken.
Der Knickarm ähnelt in vielerlei Hinsicht dem menschlichen Arm. So kann der 6-Achs-Roboter seinen Arm um seine Basis rotieren lassen, wie der menschliche Ellenbogen abknicken und hat ebenfalls ein Gelenk an seinem Knickarm, das rotieren sowie Auf- und Abwärtsbewegungen ausführen kann. Er ist also in der Lage, ein Teil in fast jedem beliebigen Winkel und damit fast jedem beliebigen Punkt innerhalb seiner Reichweite aufzunehmen und zu transportieren.
Ähnliche Bewegungen kann auch ein Drei-Achs-Handling mit einer zusätzlichen pneumatischen Drehhandachse am Greifer ausführen. Diese Bewegungen werden etwa bei Sepro als R1- und R2-Rotation bezeichnet. Damit lassen sich Drehhandachse und Greifer von 0° bis 90° oder von 0° bis 180° ohne Zwischenstopp bewegen. Abhängig von der nachgeordneten Automation einer Produktionszelle – etwa Teilezuführung, Vermessung, Entgraten, Verschweißen oder Dekoration – können solche zusätzlichen Pneumatikrotationen an Drei-Achs-Handlings sogar komplexere Handhabungsaufgaben umsetzbar werden lassen.
Servoelektrische 5-Achs-Roboter
Im Oktober 2012 hat Sepro seine 5X-Line vorgestellt. Dabei handelt es sich um servoelektrisch angetriebene Fünf-Achs-Robot-Systeme. 5X-Handlings können Bewegungen in einem ähnlichen Umfang wie 6-Achs-Knickarm-Roboter ausführen, sind aber von Konfiguration und Aufbau her ähnlich den linearen Drei-Achs-Handlings und damit für solche Nutzer geeignet, die diese Technik gewohnt sind.
Die X-, Y- und Z-Achsen sind bei diesen Geräten identisch mit den 3-Achs-Ausführungen. Der Unterschied liegt in der Servo-Drehhandachse am Ende der vertikalen Bewegungsachse: Die bereits beschriebenen R1- und R2-Bewegungen sind hiermit uneingeschränkt möglich, allerdings erlaubt es der servomotorische Antrieb, jede mögliche Position innerhalb von 0 bis 90° beziehungsweise 0 bis 180° exakt anzufahren. Alle Bewegungen lassen sich simultan ausführen, so dass auch kontrolliertes Fahren über alle fünf Achsen gleichzeitig möglich wird.
Realisiert wird das durch die elektrisch geregelten Servomotoren. Bei pneumatisch betriebenen Achsen stoppt erst ein Anschlag am Ende der Drehbewegung das Fahren, indem er das Ventil schließt. Ein elektrischer Servomotor hingegen registriert über einen Positionsgeber exakt, an welchem Punkt sich die Antriebswelle gerade befindet. Die Handlingsteuerung kann dadurch die genauen Positionen über alle fünf Achsen ermitteln und aufeinander abstimmen. Die Lage von Greifer und Teil ist immer exakt bekannt. Das Robot-System kann damit auch hochkomplexe Bewegungsabläufe immer wieder sehr präzise und reproduzierbar ausführen.
Fünf-Achsen-Operationen sind dann notwendig, wenn etwa die zu entformenden Artikel nicht geradlinig aus dem Werkzeug entnommen werden können oder wenn der Platz zwischen Werkzeughälften oder Maschinenholmen zu gering ist. Dann wird es notwendig, die Spritzteile zunächst zu drehen, um sie aus der Schließeinheit zu entnehmen. Die Servo-Drehhandachse kann diese Mehrachsen-Drehbewegungen ähnlich wie die menschliche Hand ausführen, allerdings mit weitaus höherer Präzision und Schnelligkeit.
Ist das Spritzteil aus dem Werkzeug entnommen, müssen unter Umständen noch nachgeordnete Arbeitsgänge wie etwa das Auftragen von Kleber, Montageschritte oder das Entgraten durchgeführt werden. Ohne das Teil neu fassen zu müssen, kann der Fünf-Achs-Robot den Artikel exakt an den verschiedenen Positionen vorbeiführen oder zum Zusammenbau ablegen. Das ist sehr viel effizienter als die manuelle Bearbeitung oder das Positionieren der Teile in einer Haltevorrichtung, um sie durch weitere Peripherie zu bearbeiten.
Hinzu kommt, dass die aktuellen 5-Achs-Linearroboter ihre Vorteile wie hohe Eingriffsgeschwindigkeiten oder hohe Flexibilität innerhalb wie außerhalb der Werkzeuge voll ausspielen können und damit durchaus an die Möglichkeiten eines Knickarm-Roboters herankommen. Fünf-Achs-Linearhandlings sind also heute in der Lage, sehr viele der Bewegungsabläufe ohne Abstriche zu übernehmen, die ursprünglich Knickarm-Robotern vorbehalten waren.
6-Achs-Knickarm-Roboter
Bedenken gegen den Einsatz von 6-Achs-Robot-Systemen im Spritzgießsektor gibt es vor allem aufgrund der komplexen Programmiervorgänge und ihrer anspruchsvollen Steuerungen. Bereits das geradlinige Fahren erfordert hier die Koordination mehrerer unterschiedlicher Bewegungsabläufe. Vielfach ist es in Spritzgießbetrieben auch noch so, dass extra geschultes Personal eingesetzt wird, um diese Robot-Systeme zu programmieren und zu warten. Doch das ist heute nicht mehr nötig: Sepro hat vor rund einem Jahr neben der 5X-Line auch die 6X-Line eingeführt: Knickarm-Roboter, die die gleiche Steuerung nutzen, wie sie auch an den Linear-Handlings zum Einsatz kommt.
Durch die einfache „pick and place“-Programmierung muss der Einrichter lediglich die verschiedenen Punkte und Positionen des Robot-Zyklus (Entnahme, Qualitätskontrolle, Ablage oder Stapeln) festlegen, diese Positionen manuell anfahren und bestätigen (teachen). Die Punkte lassen sich entweder direkt oder über Kurven anfahren. Die Festlegung dieser Bahnen erfolgt nach Eingabe automatisch. Damit lassen sich moderne 6-Achs-Roboter viel einfacher programmieren und bedienen als noch vor kurzem. Deshalb suchen sich die Entscheider heute ihren Robot nicht mehr nach der Art seines Aufbaus aus, sondern erstmals danach, welche Bewegungs- und Bedienphilosophie am besten zu ihren Auftragsanforderungen passt. Was spricht nun für welches System? Dazu mehr im Kasten links.
Keiner der dort aufgeführten Faktoren sollte jedoch als Grund für eine bessere oder schlechtere Bewertung von Linear- oder Knickarm-Systemen dienen. Der Einsatz beider Alternativen hängt allein von Vorgaben und Anforderungen der Produktion in den jeweiligen Spritzgießbetrieben ab. Beide Arten von Robot-Systemen werden sogar oft gemeinsam eingesetzt: So ist es möglich, dass ein Linearroboter die Teile aus der Maschine entnimmt und zur nachgeordneten Bearbeitung an einen 6-Achs-Robot übergibt. Dies ist beispielsweise ein idealer Aufbau bei relativ kurzen Spritzzyklen und mehreren aufeinander folgenden Bearbeitungsstationen, die die Herstellung zeitaufwändig und/oder komplex werden lassen.
Aufgrund der unterschiedlichen Technologien im Produktprogramm von Sepro, seinen Partnern und Lieferanten, haben Spritzgießer heute mehr denn je die freie Auswahl beim Automatisieren ihrer Fertigungsprozesse. Das führt natürlich verstärkt zur „Qual der Wahl“ bei der Entscheidung für das richtige System: Was soll mein Roboter können, welche Funktionen und Möglichkeiten muss er haben? Um wieder zurück zum Vergleich mit dem Kauf eines Autos zu kommen: Auch hier muss ein zuverlässiger und mit entsprechendem Know-how ausgestatteter Hersteller den Unternehmen dabei helfen, das richtige Robot-System für den täglich geforderten Einsatzzweck auszuwählen.
Wer eine solche fundierte Entscheidungshilfe braucht, hat während der K 2013 vom 16. bis 23. Oktober in Düsseldorf Gelegenheit, sie abzufordern: Sepro zeigt seine aktuellen 3-, 5- und 6-Achs-Roboter sowie auch die dazu passenden Steuerungen und weitere Automationstechnologie umfassend und detailliert in Halle 12, Stand A49.
Scott Kendrick Product Project Manager bei Sepro Robotique, Dietzenbach
Sepro Robotique auf der Messe K: Halle 12, Stand A49

Linear- oder Knickarmroboter?

Pro und Contra

Der große Unterschied zwischen 5- und 6-Achs-Robotern besteht im Erreichen eines 360°-Rundumzugriffs. Linearroboter sind dabei auf eine gerade Bewegungsrichtung angewiesen und kombinieren Verfahrwege längs und quer zur Maschinenachse. Längere Achsen können mehr seitliche Bewegung, bedeuten aber auch mehr Längsbewegung über die Maschinenachse. Damit lassen sich Teile am Ende der Spritzgießmaschine ablegen, was zu einer geringeren Aufstellfläche für die Gesamtkonfiguration führt und eine optimierte Maschinenbelegung pro Halle mit sich bringt.
Linearroboter werden normalerweise oben an der festen Aufspannplatte der Maschinen montiert. Sie können also die Einspritzseite der Maschinen nicht erreichen. Dagegen hat ein 6-Achs-Roboter einen größeren Arbeitsbereich, da er zu allen Seiten hin über die gleiche Reichweite verfügt. Da eine Montage über der Maschine nicht notwendig ist, sind 6-Achs-Roboter in vielen Fällen die einzige Automationsalternative für Produktionshallen mit geringer Höhe. Knickarm-Roboter greifen meist seitlich in die Schließeinheit ein, weshalb sie auch besser zur Arbeit an vertikalen Maschinen geeignet sind, etwa beim Positionieren von Einlegeteilen. Ihre Bewegungen werden durch die vertikal zufahrende Schließeinheit nicht limitiert und sie können auch mehrere Stationen an Drehtisch-Maschinen einfach und schnell erreichen.
Diese Vorteile können unter Umständen aber auch problematisch werden. Eine bodengebundene Montage funktioniert zwar bei niedriger Hallenhöhe, wird aber schwierig, wenn die Platzverhältnisse rund um die Maschinen sehr eng sind. Der seitliche Eingriff von 6-Achs-Robots macht normalerweise das Aufstellen der Geräte auf der Maschinenrückseite notwendig, wo sie den Zugang von Einrichtern und Bedienern zum Terminal der Maschinensteuerung nicht einschränken. Mit einem Linearroboter hingegen ist der Zugang zu jeder Seite der Maschinen kein Problem. Obwohl die Geschwindigkeit der Knickarm-Roboter in den letzten Jahren zugenommen hat, gelten Linearroboter grundsätzlich immer noch als schneller, wenn es um die Ein- und Ausfahrbewegungen im Werkzeug bei der Teileentnahme geht. Dies kann ein kritischer Entscheidungsfaktor gerade bei schnelllaufenden Anwendungen sein.
Die Anschaffung von linearen oder Knickarm-Robotern ist nicht zuletzt auch eine Frage des Geldes. Generell gilt, dass ein Linear-Robot, auch mit einer zusätzlichen Drehhandachse, rund 30 % kostengünstiger bleibt als ein 6-Achs-Roboter.
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