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Schadensfallanalyse – wo’s Probleme gibt

Beweissicherung im Detail: Kombination aus Vor-Ort- mit Labor-Analyse
Schadensfallanalyse – wo’s Probleme gibt

Galvanotechnik | Für Fehler an galvanisch beschichteten Bauteilen gibt es vielerlei Gründe. Nach ihnen muss systematisch gesucht werden, um sie sicher abstellen zu können. Hier ein Einblick, wie das Fraunhofer IPA vorgeht.

Dr. Martin Metzner, Dipl.-Ing. Katja Romankiewicz Fraunhofer IPA, Stuttgart

Das Auftreten eines Beschichtungsfehlers an einem galvanisch beschichteten Bauteil tritt entweder direkt im Fertigungsprozess auf – und wird spätestens bei der Endkontrolle sichtbar – oder erfolgt beim Einsatz des Bauteils im Feld. In beiden Situationen kann dies zu einem vollständigen Produktionsausfall und Maschinenstillstand führen. Hieraus ergibt sich zum einen ein wirtschaftlicher Schaden, zum anderen können fehlerhafte Bauteile im Einsatz eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. In solchen Fällen ist eine unmittelbare Reaktion und schnellstmögliche Problemlösung für alle an der Lieferkette beteiligten Unternehmen essenziell.
Die Ursachen für derartige Ausfälle sind vielfältig. Verschleiß und Korrosion können oftmals zu einem frühzeitigen Bauteilversagen führen, wobei sich dann meist die Frage stellt, inwieweit das Bauteil nicht richtig gefertigt wurde, die Beschichtung nicht an die Einsatzbedingungen angepasst oder vielleicht auch eine fehlerhafte Anwendung der Ursprung für den Ausfall war.
Auf der anderen Seite können vielfältige Probleme direkt im Fertigungsprozess des zu beschichtenden Bauteils auftreten. In den meisten Fällen werden diese Fehler erst am Ende der Produktionskette sichtbar. Je nach Einsatzzweck können bereits mikroskopisch kleine Poren oder Erhebungen zum Ausschuss führen. Dies betrifft zum Beispiel Komponenten im Automobil-Interieur, die eine hohe Anmutung und Wertigkeit darstellen sollen. Ein Beispiel für Schäden an technischen Schichtsystemen sind kleinste Unebenheiten auf einer verchromten Druckwalze, die sich direkt in der Druckqualität einer Hochglanzzeitschrift widerspiegeln.
Die Ursachen für Fehler können im Substratwerkstoff, der Vorbehandlung, den Beschichtungsprozessen selbst oder in der Anlagentechnik liegen. Um diese Vielzahl an möglichen Fehlern und Einflussgrößen bewerten zu können, ist es unumgänglich, Know-how und Erfahrung über die vollständige fertigungstechnisch relevante, galvanische Prozesskette in Verbindung mit Anlagenführung und -ausführung zu haben, um so den Fehler genau zu analysieren. Ein weiteres wesentliches Hilfsmittel zur Darstellung und Analyse der Fehler ist die metallographische und chemische Analytik sowie das Know-how in der Auswertung derselben. Denn nur wenn es möglich ist, die Ergebnisse richtig zu interpretieren und darauf aufbauend fundierte Vorschläge zur Fehlerbehebung zu erarbeiten, lässt sich das Problem zielführend lösen.
Das Zusammenspiel von Know-how und Erfahrung in der kompletten Breite der galvanotechnischen Themen ist die Grundlage für eine zielführende Fehleranalyse. Sie kann nur interdisziplinär erfolgreich durchgeführt werden – mit Wissen, das von den Werkstoffwissenschaften über die Galvanotechnik inklusive Anlagentechnik bis hin zur Chemie reicht.
Das Wesentliche ist das Erfassen der Zusammenhänge zwischen dem auftretenden Fehler und der Produktion. Dies geschieht unter anderem durch eine Vor-Ort-Analyse aller fertigungstechnischen galvanischen Prozesse. Dies umfasst die Beurteilung des Zustandes von Anlagen und Komponenten wie zum Beispiel der Warenträger und der Anlagenperipherie bis hin zur Arbeitsweise einzelner Mitarbeiter.
Im Labor muss dann mit metallographischen Untersuchungen ein Einblick in den Fehler gewonnen werden. Hierfür werden meist Zielpräparationen durchgeführt, die selbst bei Fehlerausmaßen im Mikrometerbereich eine Aussage liefern. Die chemische Analytik, beispielsweise mit verschiedensten chromatographischen Verfahren, ermöglicht es, geringste Veränderungen im galvanischen Elektrolyt zu erkennen, die die Abscheidungsbedingungen negativ beeinflussen und zu Fehlern in der Schicht führen können.
Praxisbeispiele für Schadensfallanalysen
Bei Untersuchungen an Bauteilen aus dem Feld ist oft Detektivarbeit erforderlich. Diese Problematik zeigt eine Schadensfallanalyse an vernickelten, sicherheitsrelevanten Stahlelementen für Kraftwerksanlagen: Die schadhafte Komponente wies Haftungsprobleme der chemisch aufgebrachten Nickelschicht bis hin zu großflächigen Abplatzungen auf. Ein wesentliches Problem in derartigen Situationen ist oftmals der Zustand des zu untersuchenden Bauteils, wie beispielsweise eine fortschreitende Korrosion des Grundmaterials. Diese erschwert in vielen Fällen die eindeutige Fehlerzuordnung. Querschliffuntersuchungen zeigten jedoch eine mechanische Deformation der Schicht aufgrund äußerer Beanspruchung, die zu einem Schichtversagen führte.
Aber auch bei Ausfällen im Produktionsprozess ist die Fehlersuche nicht ohne, wie folgendes Beispiel zeigt. Bei der galvanischen Beschichtung von Kunststoffbauteilen im Automobilbereich trat eine inakzeptabel hohe Ausschussquote auf. Die Schichtfehler wurden anhand metallographischer Untersuchungen beurteilt und geclustert. Darauf aufbauend erfolgte die Vor-Ort-Analyse des Produktionsprozesses bis hin zur Begleitung der Anlagenwartung. Nun wurden die Ergebnisse korreliert und Abhilfemaßnahmen erarbeitet, die zum Erfolg führten. Aufgrund verschiedener Fehlerbilder wurden unterschiedliche Maßnahmen mit einer entsprechenden Priorisierung vorgeschlagen.
Eine Schadensfallanalyse, die den industriellen Ansprüchen gerecht wird, setzt eine Reihe von Fähigkeiten der Untersuchenden voraus:
  • Schnelle Reaktionszeit
  • Vor-Ort-Analyse
  • Zeitliche und räumliche Flexibilität
  • Neutralität
Eine schnelle Reaktionszeit ist für die meisten Unternehmen extrem wichtig, wenn ein Schaden erkannt wird. Denn nur so können Folgekosten reduziert werden. Und eine schnelle und fundierte Vorgehensweise ist essenziell bei der Bearbeitung des Gesamtthemas.
Die Vor-Ort-Analyse ist je nach Problemstellung einer der wesentlichen Dienstleistungsaspekte in der Galvanik. Bei der Begleitung des Produktionsprozesses, in dem der Fehler auftritt, sind die Elektrolytzustände und deren Wartung ebenso relevant wie das Anlagenlayout und der Anlagezustand.
Problemstellungen treten in einer globalisierten Welt zwangsläufig weltweit auf. Ob in China, Amerika oder Deutschland – in der Galvanik gibt es unabhängig von der Weltkarte ähnliche Fehlerquellen.
Neutralität muss bei der Fehleranalyse und Problembehebung im Vordergrund stehen. Nur mit Ergebnissen, die auf einer objektiven Beratung basieren, lassen sich weitere Schadensfälle und Kostensteigerungen vermeiden. •

Am 24. Juni findet am Fraunhofer IPA ein Workshop zu Analysenmethoden in der Galvanotechnik statt – eine gemeinsame Veranstaltung mit der Deutschen Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik DGO
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