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Schwenkfutter ermöglicht Komplettbearbeitung in einer Aufspannung

Spanntechnik
Schwenkfutter ermöglicht Komplettbearbeitung in einer Aufspannung

Die Herzstücke des Luxusuhren von IWC fräsen und bohren Präzisionszentren von Kern. Sicher und sanft gehalten werden die wertvollen Platinen dabei von einem Röhm-Schwenkfutter.
Die Fertigung der Uhrenplatine ist die Geburtsstunde eines Manufakturkalibers, dem Herzstück hochpräziser, mechanischer Luxusuhren. Schon beim Blick in die Fertigungshalle lassen die zahlreichen roten Kern-Maschinen Besonderes erwarten. Christian Indlekofer, Produktionsleiter für Werkteile bei IWC Schaffhausen, erzählt, dass die wertvollste Uhr des Hauses 750 000 Schweizer Franken kostet.
Dass die Herstellung der Bauteile für die Kaliber – so nennen Uhrenmanufakturen ihre eigens entwickelten, hergestellten und montierten Uhrwerke – nur mit modernsten CNC-gesteuerten Präzisionsmaschinen möglich ist, ändert nichts an der Wertigkeit der Uhren. Die Kunden erwarten neben hochwertigen Materialien, Design und Komplikationen – das sind Funktionen wie Datum, zweite Zeitzone oder Jahreskalender – auch höchste Ganggenauigkeit. „Das prozesssichere und wiederholgenaue Fertigen der Einzelteile ist nur maschinell möglich. Die Montage findet dagegen nach alter Tradition von Hand statt“, erklärt Heiko Zimmermann, der für die Industrialisierung verantwortlich ist.
Der Handlingroboter legt eine Messingplatine der Abmessungen 50 mm x 50 mm x 3,25 mm in eine rote Maschine. Stephan Zeller, Gebietsverkaufsleiter von Kern, sagt: „Mit unserer Micro hat IWC ein sehr kompaktes 5-Achsen-Bearbeitungszentrum auf nur vier Quadratmetern Stellfläche, das hervorragend automatisierbar ist und bis in den Nano-Bereich präzise arbeitet.“ Garant dafür ist unter anderem die Temperierung aller wärmeeinbringenden Komponenten in der Maschine. Mit 101 Werkzeugen im gut zugänglichen Werkzeugkabinett, das maximal 209 Werkzeuge aufnehmen kann, werden alle Prozessschritte abgedeckt.
Im aufgeräumten Arbeitsraum ist das Kraftspann-Schwenkfutter von Röhm aus der micro-technology-Reihe montiert. Mit dem von Röhm in der Schweiz ausgedachten und im Zweigwerk Dillingen konstruierten Platinenfutter fertigt IWC in einer Aufspannung der Platine alle notwendigen Operationen. Dies sind Fräsen, Bohren, Gewindeschneiden und Einstechen sowie die Feinbearbeitung der Kanten. „Früher mussten wir die Platine auf drei Maschinen aufspannen“, erinnert sich Zimmermann. Das dauerte insgesamt länger und barg die Gefahr, dass das Ergebnis weniger präzise war. Nach einem Einmessen, des Werkstücks, das Toleranzen des Rohlings berücksichtigt, holt sich das System seinen Nullpunkt.
Die Uhrenplatine ist das zentrale Bauteil einer mechanischen Uhr. Auf ihr werden später alle Bestandteile des Uhrwerks platziert, von der Brücke über die Unruhkloben bis zu den Lagersteinen aus Rubin sowie Stifte, Achsen, und Zahnräder. Je nach Komplikation kann ein solches Uhrwerk aus mehreren hundert kleinsten Teilen bestehen.
Bis das Spannfutter den Rohling als fertige Platine wieder für die Entnahme loslässt, führt die Kern Micro auf der Werkseite und der Zifferblattseite 270 Operationen mit insgesamt 54 Werkzeugwechseln in einer Präzision von ±2 µm durch. Dabei kommt jedes Werkzeug nur einmal zum Einsatz. Die Bearbeitungsschritte und deren Reihenfolge sind genau durchgeplant. Weil das Schwenkfutter die Platine schneller wendet als ein Werkzeugwechsel durchgeführt wird, werden mit einem Werkzeug stets Operationen auf beiden Seiten der Platine durchgeführt, bevor es gewechselt wird.
Und so entstehen auf der später 40 mm im Durchmesser großen Uhrenplatine Bohrungen, von denen die kleinsten nur 0,38 mm Durchmesser haben, Gewindelöcher und Raum für die Werksbestandteile. An manchen Stellen wird das Material des Rohlings bis auf 0,5 mm abgetragen. Das stellt nun wiederum eine ganz besondere Herausforderung an das Spannfutter. Denn keinesfalls darf sich das Werkstück aus Messing durch die einwirkende Kraft durchbiegen oder gar zerbrechen. Vor allem bei Einstechprozessen ist die einwirkende Kraft nicht zu unterschätzen. Ein Durchbiegen würde zu ungenauen Ergebnissen führen. Also muss eine Werkstückabstützung, eine Art Anschlag her.
Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Abstützung, die die Platine von unten unterstützt und gegen ein Durchbiegen wirkt, muss ja nach einem Schwenk wiederum genauso von unten wirken. Hier hat Röhm eine clevere Lösung gefunden. „Ein pneumatisch betätigtes Spannjoch rotiert nach dem Schwenk des Futters um 180° und stützt das Werkstück somit wieder von unten ab“, erklärt Damiano Casafina, Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing bei Röhm, der sich diese innovative und einfache Lösung ausgedacht hat.
Die Abstützung wird sanft herangeführt
Dennoch steckt auch hier die Schwierigkeit im Detail. Denn nach der Drehung des Spannjochs darf es nicht mit dem vollen Drehschwung auf die Platine durchschlagen. Die könnte dabei verbogen, zerstört oder aus den Spannbacken herausgeschleudert werden. Also hat Röhm eine Art Bremse eingebaut, die die Abstützung auf beiden Platinenseiten sanft von unten heranführt und einrastet. Die Bearbeitung kann so mit der notwendigen Präzision bei sämtlichen Prozessen durchgeführt werden.
Seit Oktober 2015 ist die Kombination aus Kern Micro und dem schwenkbarem Kraftspannfutter von Röhm im Einsatz. „Die Einheit produziert inzwischen an 140 Wochenstunden“, wie Zimmermann nicht ohne Stolz berichtet. Tausende der Platine sollen innert eines Jahres darauf prozesssicher und wiederholgenau gefertigt werden. Und der nächste Schritt ist bereits geplant, wie Indlekofer verkündet: „Wir wollen vor allem die Flexibilität aber auch die Produktivität weiter erhöhen.“ Hierzu ist an ein 4-fach-Futter mit Schwenkfunktion gedacht. Kern und Röhm sind bereits an der gemeinsam abgestimmten Planung.
Jürgen Fürst, Fachautor in Stuttgart
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