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Spritzgegossen aus Kunststoff und Metall

Hybridbauteile aus der Spritzgießzelle bringen die Elektronik voran
Spritzgegossen aus Kunststoff und Metall

Hybridfertigung | Noch ist das Verknüpfen von Technologien zum Ein-Stufen-Prozess eine Domäne der Kunststoffverarbeitung. Doch der Trend setzt sich fort: Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) erforscht zwei Methoden, um Spritzgussteile aus Kunststoff mit metallischen Schichten oder Leitern auszurüsten.

Prof. Christian Hopmann Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) der RWTH Aachen Prof. Kirsten Bobzin Leiterin des Instituts für Oberflächentechnik (IOT) der RWTH Aachen M.Sc. Philipp Ochotta, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des IKV M.Sc. Mehmet Öte Oberingenieur am IOT Dipl.-Ing. Thomas Frederik Linke Leiter der Gruppe Thermisches Spritzen am IOT M.Sc. Xifang Liao Wissenschaftlicher Mitarbeiter des IOT

Diese Teile übernehmen zusätzliche elektrische Funktionen. Da beide Werkstoffe, Kunststoff und Metall, auf einer Spritzgießmaschine und in einem Spritzgießwerkzeug kombiniert verarbeitet werden, entfallen Handling und Montageschritte – der Fertigungsaufwand sinkt.
Zum Einsatz kommen solche Hybridbauteile in der Elektroindustrie. Mit einem globalen Marktvolumen von rund 3703 Mrd. Euro im Jahr 2013 zählt sie zu den weltweit größten Wirtschaftszweigen [1]. Die Entwicklung wird bestimmt von immer komplexeren Anwendungen und einem hohen Druck, in die Baugruppen zusätzliche Funktionen zu integrieren. Die Markttrends sind verstärkte Miniaturisierung und Modularisierung. Darüber hinaus werden neue Produkte wie Inverter oder Batterien für E-Mobile entwickelt, die besondere Anforderungen hinsichtlich elektrischer Isolierung und Berührungsschutz, Wärmeableitung, EMV-Abschirmung und Crashsicherheit stellen. Sie erfordern neue Konzepte mit neuen Werkstoff- und Verbundlösungen.
Das Spritzgießen und das Druckgießen gehen eine Kooperation ein
Bereits seit 2009 befasst sich das IKV an der RWTH Aachen im Rahmen der Exzellenz-Clusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ mit der Kombination der Urformverfahren Kunststoff-Spritzgießen und Metall-Druckgießen [2]. Beim Integrierten Metall/Kunststoff-Spritzgießen (IMKS) werden Leiterbahnen aus einer niedrig schmelzenden Metalllegierung auf Zinn-Basis auf einen spritzgegossenen Kunststoffträger aufgespritzt. Der Schmelzpunkt der Legierungen liegt dabei je nach Zusammensetzung zwischen 140 und 230 °C [3,4].
Für diese Verfahrenskombination entwickelte das IKV zunächst ein dem Mikro-Spritzgießen entlehntes, am Werkzeug anzubringendes Metalldruckgießaggregat, das später mit Unterstützung der Krallmann Kunststoffverarbeitung GmbH, Hiddenhausen, weiterentwickelt wurde. Die Herstellung von komplexen Kunststoff/Metall-Hybriden wie Schaltelementen mit dem IMKS bietet eine stark erhöhte Geometriefreiheit – wie generell das Mehrkomponentenspritzgießen. Aufwendige Nachfolgeprozesse oder geometrisch komplexe Einlegeteile werden eingespart. Die erzielbare elektrische Leitfähigkeit liegt dabei im Bereich gängiger Metalle.
Das IMKS als innovatives Fertigungskonzept ist eine Alternative zu den aktuellen Herstellverfahren für elektrisch leitfähige Kunststoffbauteile. So wird es möglich, elektrische Komponenten direkt zu kontaktieren. Beispielsweise können Leuchtdioden, Kondensatoren, Widerstände oder integrierte Schaltkreise (IC’s) mit der Metalllegierung ohne zusätzliche Verbindungselemente auf einer Trägerplatine angespritzt werden. Ebenso denkbar ist das Substituieren von metallischen Stanz-/Biegeteilen in elektrischen Schaltelementen durch die Metalllegierung.
Die Materialpaarung Kunststoff-Metall ist weiter auch aufgrund ihres breiten Eigenschaftsspektrums und besonders wegen ihrer Gewichtseinsparung gegenüber rein metallischen Konstruktionen interessant: Viele Gehäusebauteile müssen die elektromagnetische Verträglichkeit der Elektronik sicherstellen. Oft reicht dafür jedoch eine dünne Metallschicht oder der Einsatz elektrisch leitfähiger Kunststoff-Compounds [5,6]. Die Integration metallischer Bereiche auf der Kunststoffoberfläche ermöglicht nun das neu entwickelte In-Mould-Metall-Spraying (IMMS), an dem Forscher des IKV und des Institus für Oberflächentechnik (IOT) der RWTH Aachen gemeinsam arbeiten.
Dieser integrierte Prozess kombiniert das thermische Spritzen von Metallen und das Kunststoffspritzgießen in einem Werkzeug. Im ersten Schritt wird zunächst eine Metallschicht inline, also unmittelbar vor dem Spritzgießen, durch thermisches Spritzen auf bestimmte Bereiche der Kavitätsoberfläche im Werkzeug aufgetragen. Im nächsten Schritt wird diese Metallschicht mit Kunststoff hinterspritzt. Die Metallschicht überträgt sich – ähnlich wie beim In-Mould-Labeling – auf das Kunststoffbauteil. Das Ergebnis ist ein Spritzgussteil mit integrierter flächiger oder partieller Metalloberfläche, das nur noch entformt werden muss.
Die neue Technik zur Metallisierung von Spritzgussteilen kann den gängigen Verfahren wie dem Hinterspritzen von Metalleinlegern und Folien eine deutlich verkürzte Prozesskette entgegensetzen. Eine integrierte Fertigungszelle aus einer Spritzgießmaschine, einer robotergeführten thermischen Spritzanlage und einer entsprechenden Werkzeugtechnik setzt den hochintegrierten Prozess um.
Das Ziel der Forschungsarbeiten ist es, eine seriennahe Fertigung von Kunststoff/Metall-Hybriden in kürzesten Zykluszeiten zu realisieren. Dabei soll eine feste, durch Mikroverklammerungen induzierte formschlüssige Verbindung zwischen Kunststoff und Metallen zustande kommen. Und die Metallschicht soll sich in definierten Bereichen konturscharf abbilden lassen. An Demonstratorbauteilen überprüfen die Forscher die elektromagnetische Verträglichkeit, die elektrische Funktionalität und die Maßhaltigkeit der Bauteile. Die Machbarkeit des Fertigungsansatzes ist bereits anhand der Übertragung von Zink- und Kupferschichten nachgewiesen worden.
Die Herausforderung ist groß: Um eine optimale Metallbeschichtung auf dem Kunststoff zu gewährleisten, muss die auf der Werkzeugkavität aufgebrachte Metallschicht während des Einspritzens des Kunststoffs am Werkzeug haften. Durch den Schmelzestrom darf sie nicht beschädigt werden. Beim Entformen des Bauteils hingegen soll sich die Metallschicht leicht vom Werkzeug lösen und gut auf dem Kunststoff haften [7]. Zudem besteht noch erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich der Abformbarkeit komplexer Geometrien, beispielsweise von Wanddickenübergängen, Durchbrüchen oder Rippenkonstruktionen.
Ein Ausblick: Um den Zielkonflikt zwischen Haftung und Nichthaftung aufzulösen, wird aktuell untersucht, welche Oberflächeneigenschaften das Werkzeug generell aufweisen muss, damit sich eine aufgebrachte Metallschicht wieder ablöst. Forschungsgegenstand sind der Einfluss unterschiedlicher Werkzeugstähle, deren Oberflächenrauigkeit, die verwendete Metallbeschichtung, die unterschiedlichen Kunststoffe sowie die Geometrien auf der Kavitätsoberfläche.
Da die eingestellten Parameter sowohl des Spritzgießens als auch des thermischen Spitzens großen Einfluss auf die Transplantationsfähigkeit der Beschichtung und ihre Qualität haben, müssen beide Prozesse an den IMMS-Prozess angepasst werden. Um die geschilderten Forschungsparameter überprüfen zu können, entwickeln die Partner ein geeignetes Werkzeug. Unter anderem konzipieren sie einen Demonstrator mit besonders strukturierter Oberfläche, mit dem sie erweiterte Evaluationen zur Bauteilauslegung und Prozessführung durchführen werden.
Die Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ finanziell gefördert. Der DFG gilt unser ausdrücklicher Dank. •

Integriertes Metall/Kunststoff- Spritzgießen (IMKS)

3658109


In-Mould-Metal-Spraying (IMMS)

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