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Staub und heiße Späne sicher im Griff des Tools

Präzisionswerkzeuge: Bohren von CFK-Titan-Verbundstoffen
Staub und heiße Späne sicher im Griff des Tools

Kohlefaser-Metall-Verbundwerkstoffe gewinnen in der Luftfahrt immer mehr an Bedeutung. Sie wirtschaftlich zu bearbeiten, ist eine Herausforderung. Wer das nötige Know-how hat, kann diese jedoch gelassen annehmen.

„Verbundwerkstoffe aus Kohlefasern und Titan zu zerspanen, ist eine kniffelige Aufgabe“, sagt Dr. Peter Müller-Hummel. „Aber wenn man die Prozesstheorie und die Materialeigenschaften verstanden hat, ist das gar nicht so schwer zu beherrschen“, relativiert der Leiter des Geschäftsbereichs Aerospace bei der Aalener Mapal Dr. Kress KG. „Deshalb sind wir gegenüber unseren Kunden sehr offen und erklären, warum und wie ein Werkzeug funktioniert.“ Ohne umfassendes Prozess-Know-how sei es nicht nur schwierig, wirtschaftliche Werkzeuge für diese Aufgabe herzustellen, auch der effiziente Einsatz sei dann nur bedingt möglich.

Der Luftfahrtspezialist erläutert, warum das so ist: „Im Flugzeugbau ist es üblich, den Aufbau dieser Verbundwerkstoffe an die lokalen Anforderungen anzupassen.“ Die Kohlefaserschichten werden mit verschiedenen Titan- oder Aluminium-Legierungen kombiniert. Die Dicken der einzelnen Schichten variieren ebenso wie deren Reihenfolge. Dazu kommt, dass unterschiedliche Bohrungsdurchmesser und verschiedene Maschinenarten einen Einfluss auf die ideale Prozessführung haben. Dadurch ergeben sich unzählige Bearbeitungssituationen, mit denen ein Bohrwerkzeug klar kommen muss. „Denn die Anwender legen Wert darauf, nicht viele verschiedene Tools einsetzen zu müssen, sondern möglichst mit einem Allrounder auszukommen. Das alles zusammen macht es extrem schwierig, das ideale Werkzeug in Versuchen zu ermitteln“, resümiert Müller-Hummel. Auf alle Fälle würden die enorm aufwändigen Versuchsreihen die Werkzeuge so verteuern, dass sie nicht mehr wirtschaftlich anzubieten wären. Deshalb geht Mapal einen anderen Weg: Die Tools werden auf theoretischer Basis ausgelegt. Und das funktioniert laut dem Werkzeugspezialisten so gut, dass nach dem ersten Test meist nur noch ein Feintuning nötig sei.
Doch nicht nur wegen wechselnder Prozessbedingungen ist das Spanen von Kohlefaser-Titan-Verbundstoffen eine Aufgabe für Spezialisten. Eine weitere Herausforderung resultiert aus den unterschiedlichen Materialeigenschaften der Schichten. Während Kohlefaser (CFK) mit Schnittgeschwindigkeiten von 100 bis 200 m/min zerspant wird, verträgt Titan lediglich zwischen 20 und 50 m/min. Zudem treten beim Zerspanen von Titan extrem hohe Temperaturen auf. Die abzuführenden Späne sind noch immer mehrere Hundert Grad heiß. CFK hingegen verträgt maximal 120 °C. „Deshalb muss das Werkzeug so gestaltet sein, dass die Späne in den Nuten abgeführt werden, ohne mit dem CFK in Berührung zu kommen“, erläutert der promovierte Ingenieur. Um das zu erreichen, gestalten die Entwickler den Schneidenbereich des Bohrers so, dass kleine Späne entstehen, und für die Spannut gilt es, das Optimum zwischen Werkzeugstabilität und gutem Spänetransport zu finden.
Die Schneidengeometrie und der Anschliff sind noch aus einem anderen Grund wichtig: Wird das CFK nicht sauber geschnitten, können Fasern ins Material gedrückt werden und nach dem Bohren wieder in ihre Ausgangslage zurück springen. Die Folge wären Bohrlöcher, deren Durchmesser zwischen den einzelnen Materialschichten nicht konstant ist.
Mapal bietet eine ganze Reihe von Werkzeugen an, um moderne Werkstoffe wie CFK, GFK, Titan oder Aluminium wirtschaftlich zu bearbeiten. Den Bereich von 3 bis 32 mm decken Vollbohr-Tools ab. Für größere Durchmesser, vor allem in der Windkraftindustie, enthält das Produktportfolio der Aalener auch Kernbohrer. Je nach Ausführung haben die Tools spezielle Geometrien, leistungsfähige Diamantbeschichtungen oder kostengünstige Wechselkopfsysteme. So ist beispielsweise ein spiralisierter PKD-Bohrer gezielt dafür ausgelegt, diese Materialien zu bearbeiten. Die PKD-Bestückung an den Schneidecken sorgt für eine hohe Bohrungsqualität bei gleichbleibendem Durchmesser. Beim Bohren von CFK gilt es vor allem, Delaminationen und Faserüberstände zu vermeiden. Die Bohrertypen UD- und MD-Composite Drill stellen sich mit ihren leistungsfähigen Diamantbeschichtungen den Herausforderungen dieser komplexen Materialien und sind für lange Standzeiten ausgelegt. Dabei haben die UD-Bohrer für unidirektional verlegte Fasern am Bauteilrand einen aufwändigeren Schliff als die MD-Tools für die weniger empfindlichen multidirektionalen Gewebe.
Für die Titanbearbeitung bieten die Schwaben einen Vollhartmetallbohrer an, den HPC-Drill. Dessen Geometrie verhindert das Klemmen der Späne während der Bearbeitung, was häufig durch einen auffälligen Pfeifton wahrnehmbar ist. Das deutet wiederum auf erhöhte Reibung hin und kann zu erheblichen Standzeitverlusten führen. Der HPC-Drill läuft laut Mapal fast geräuschlos und soll eine gleichbleibend hohe Bohrungsqualität erzielen. Auf der HPC-Reihe basieren auch die Tools für CFK-Titan-Verbundwerkstoffe.
„Das Gros der Anfragen, die wir aus der Luftfahrtindustrie erhalten, zielt entweder aufs Bearbeiten von Kohlefaserwerkstoffen oder eben von CFK-Metall-Verbünden, und hier insbesondere auf die Kombination CFK-Titan. Weil wir immer wieder feststellten, dass die Kunden in diesem Bereich einen hohen Beratungsbedarf haben, liegt unser Schwerpunkt seit gut einem Jahr auf den Kombinationswerkstoffen“, sagt Müller-Hummel.

Marktchancen
Wer fertigungstechnische Herausforderungen beherrscht, hat auch heute noch gute Chancen auf lukrative Aufträge. Eine solche Herausforderung ist das Bearbeiten von Kohlefaser-Titan-Verbundmaterialien. Aufgrund einer Vielzahl von Bearbeitungssituationen und unterschiedlicher Materialeigenschaften vordergründig schwierig, ist diese in der Luftfahrt immer wichtigere Materialkombination mit dem entsprechenden Know-how durchaus wirtschaftlich zu bearbeiten.
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