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Präzisionswerkzeuge: Viele Entwicklungen sorgen für Leistungssprünge

Messe EMO 2019: Präzisionswerkzeuge
Vielfältige Entwicklungsansätze sorgen für Leistungssprünge

Auch in der Werkzeugtechnik heißt das große Thema Digitalisierung. Doch signifikante Fortschritte erzielen die Hersteller ebenso in den klassischen Bereichen. ❧

Mona Willrett

Die Werkzeugtechnik entwickelt sich in den unterschiedlichsten Bereichen rasant weiter. Dabei ist die Digitalisierung ein zentrales Thema, beileibe aber nicht das einzige. Nach wie vor lassen sich Produktivität, Ausdauer und Wirtschaftlichkeit von Zerspanwerkzeugen massiv steigern, indem die drei bestimmenden Parameter – Geometrie, Substrat und Beschichtung – optimiert und perfekt aufeinander abgestimmt werden. Kein Wunder also, dass es auf den Ständen der EMO viele Neuheiten zu entdecken geben wird, die zwar auf den ersten Blick eher unspektakulär scheinen, die dem Anwender aber einen unmittelbaren Nutzen liefern.

In vielen Bereichen der Technik sollen Bauteile und Komponenten im Sinne der Energie- und Ressourceneffizienz immer kompakter und leichter werden. Der Trend zur Miniaturisierung führt auch bei den Präzisionswerkzeugen zu Lösungen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Ein Beispiel dafür ist der laut Iscar (Halle 4, Stand E38) kleinste Wechselkopfbohrer der Welt. Der Sumo Cham ist im Durchmesserbereich von 4 bis 6 mm erhältlich. Die Wechselköpfe bestehen aus der PVD-beschichteten Nano-Schneidstoffsorte IC908 und glänzen mit langen Standzeiten.

Geringes Gewicht ist inzwischen auch abseits rotierender Spannfutter ein wichtiger Aspekt. So werden, um die Statorgehäuse von automobilen Elektromotoren wirtschaftlich und zuverlässig bearbeiten zu können, große, stabile und trotzdem sehr leichte Ausdrehwerkzeuge benötigt. Herstellern wie Mapal (Halle 4, Stand A18) oder Ceratizit (Halle 5, Stand B70) ist es durch ausgeklügelte Konstruktionen und den Einsatz additiver Verfahren gelungen, das Gewicht dieser Werkzeuge, die Durchmesser von 200 mm und mehr haben, massiv zu reduzieren. Laut Mapal-Entwicklungschef Dr. Dirk Sellmer wiegen diese Tools nur etwa die Hälfte vergleichbarer Schweißkonstruktionen. Das reduzierte Gewicht wirkt sich positiv auf das Kippmoment des weit auskragenden Werkzeugs aus. Das Ergebnis sind präzisere Statorbohrungen und letztlich bessere Elektromotoren. Außerdem können die leichteren Bohrstangen auf kleineren Bearbeitungszentren eingesetzt werden. Die neuartige Konstruktions- und Stützform des Werkzeugs, das Ceratizit in Hannover zeigt, wird komplett aus einem Stahlwerkstoff gedruckt. Als Schneidkörper fungieren ebenfalls additiv erzeugte Werkzeugkassetten mit PKD-Schneiden. Das Bohrwerkzeug kann individuell für das Bauteil des Kunden ausgelegt werden und bearbeitet Statorbohrungen hocheffizient.

Vernetzung eröffnet neue Strategien

Moderne Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck oder die Laserbearbeitung erlauben es den Werkzeugherstellern vielfach , die Leistungsfähigkeit ihrer Produkte auf ein neues Niveau zu heben. Stichworte sind hier unter anderem: eine optimierte Kühlmittelzufuhr, die nur generativ herzustellen ist, oder absolut scharfkantige Schneiden, die entstehen, weil der Laser selbst härteste Schneidstoffpartikel sauber trennt. Solche Entwicklungen sind die Voraussetzung dafür, dass sich schwer zerspanbare Hochleistungswerkstoffe wirtschaftlich bearbeiten lassen.

Das clevere Zusammenspiel von Werkzeug, Maschine und Software erlaubte es Prozessexperten, neue Bearbeitungsstrategien zu entwickeln, die zu echten Leistungssprüngen führten. Beispiele dafür sind das High Dynamic Turning, das laut Ceratizit komplexe Drehteile um bis zu 200 % produktiver fertigt als konventionelle Drehverfahren (mehr dazu unter: http://hier.pro/lZb5j), oder das Speed-Forming von Horn (Halle 5, Stand A54), mit dem schmale, tiefe Nuten in weniger als der halben Zeit entstehen sollen, als beim bislang üblichen Vollnutfräsen mit Minitools (mehr dazu unter: http://hier.pro/DAx8d).

Die digitale Vernetzung von Werkzeugen, Maschinen und übergeordneten IT-Systemen spielt aber auch in zwei weiteren Bereichen eine entscheidende Rolle. Einerseits gelingt es auf diesem Weg, die Prozesssicherheit bei anspruchsvollen Bearbeitungen beträchtlich zu steigern, andererseits werden die Abläufe von der Planung über die Herstellung und den Einsatz von Werkzeugen bis hin zu ihrer Aufbereitung transparent. So sind sie jederzeit nachvollziehbar. Gerade bei Sicherheitskritischen Bauteilen ist das ein wichtiges Argument.

Lösungen wie die von Horn und Kistler gemeinsam entwickelte Echtzeit-Werkzeug-Überwachung PTS fürs Mikro-Drehen geben nicht nur Aufschluss über den Zustand des betreffenden Werkzeugs. Vielmehr kann der Maschinenbediener mithilfe der ermittelten Daten auch Prozess- und Werkstoffanomalien frühzeitig erkennen und entsprechend gegensteuern. Das verhindert Ausschuss, schont die Ressourcen und steigert die Qualität.

Die Digitalisierung der Metallbearbeitung steht und fällt laut Prof. Frank Barthelmä, Geschäftsführer der GFE Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung in Schmalkalden, mit dem intelligenten Werkzeug. „Auch eine sich selbst optimierende Werkzeugmaschine funktioniert nur über die Kommunikation nach außen und nach innen. Und daher spielt das Werkzeug nach wie vor eine entscheidende Rolle.“ Barthelmä fordert Hersteller von Präzisionswerkzeugen, Spannzeugen und Messtechnik dazu auf, sich intensiv mit Digitalisierung und Vernetzung befassen. „Denken wir daran: Vernetzung ermöglicht auch integrierte Dienstleistungen.“

Der thüringer Werkzeug-Wissenschaftler geht in den nächsten fünf bis zehn Jahren von einer noch engeren Vernetzung von Kunden und Lieferanten aus. Der Anwender der Produkte werde künftig wesentlich früher in die gesamte Datentransferkette einbezogen als bisher. Eine wichtige Rolle spielen seiner Ansicht nach künftig prozessvorbereitende oder -begleitende Dienstleistungen wie die vorausschauende Instandhaltung.

Die Botschaft ist in der Branche angekommen und wird bereits in die Tat umgesetzt. Ein Beispiel von vielen ist c-Com (Halle 4, Stand A10), ein Start-up von Mapal. Der IT-Newcomer bietet auf einer offenen Cloud-Plattform Software as a Service (SaaS) an, unter anderem zur Verwaltung von Werkzeugen. „Sehr viel Zeit ist nötig, um Werkzeuge zu disponieren, wiederaufzubereiten und zu optimieren.“ sagt Giari Fiorucci, Geschäftsführer der Mapal-Tochter. „Viele Anwender managen diese Aufgaben, bei denen große Datenmengen entstehen, jedoch weitestgehend manuell.“ Obwohl die Beteiligten oft die gleichen Daten benötigen, werden diese mehrfach generiert und in redundanten Datenbanken gepflegt. Anders läuft es mit Unterstützung einer Cloud ab. Auf einer solchen Plattform entstehen als virtuelles Abbild der Werkzeugdaten digitale Zwillinge inklusive vieler wichtiger Kennwerte wie etwa Schnittdaten, Standmengen oder die Anzahl der Wiederaufbereitungen.

Die zentrale Datenerfassung macht das mehrfache Erzeugen von Datensätzen überflüssig. Doch die Cloud bündelt nicht nur die Daten der Werkzeuge, sie verbessert auch das Zusammenspiel entlang der Prozesskette. Fiorucci zum Alleinstellungsmerkmal: „Wir bringen alle Geschäftspartner der Zerspanungsbranche über die Firmengrenzen hinaus zusammen.“ Dazu zählen zerspanende Unternehmen, Werkzeughersteller und Dienstleister fürs Nachschärfen oder Beschichten.

Ein anderes Beispiel digitaler Services ist das Werkzeugmanagement-System DAC (Data Analyzer and Controller) von Haimer (Halle 4, Stand E16). In der eigenen Fertigung nutzt der Spezialist für Schrumpf- und Auswuchttechnik das System bereits seit längerem. Nach der EMO steht es auch zum Verkauf. DAC managt den Austausch von Soll- und Ist-Werten sowie anderen Werkzeugdaten zwischen den einzelnen Tool-Room-Stationen und stellt die Verbindung mit dem Unternehmensnetzwerk her. Im Zusammenspiel mit RFID-Datenchips, mit denen sich Werkzeugaufnahmen des Herstellers optional ausstatten lassen, über QR- oder Data Matrix-Codes, erlaubt das System eine eindeutige Identifikation des Gesamtwerkzeugs. Durch die Netzwerkverbindung steuert es weitere Werkzeugdaten bei, etwa die Anleitung für den Zusammenbau, Artikelnummern, Lagerbestandsanpassungen oder 3D-Modelle. Zusätzlich unterstützt es den Anwender bei der Analyse der Produktionsdaten und der Prozessoptimierung.



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