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Umformtechnik: Werkstoffverbund ermöglicht anforderungsgerechte Ringe

Umformtechnik
Werkstoffverbunde ermöglichen anforderungsgerechte Ringe

Am Institut für Bildsame Formgebung erzeugen Forscher Ringe aus zwei Werkstoffen in einem Prozess. So lassen sich die Eigenschaften der Ringe verbessern und Kosten einsparen.

Stefan Günther
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildsame Formgebung (IBF),
Prof. Gerhard Hirt
Leiter des IBF, RWTH Aachen University

Nahtlos gewalzte Ringe werden unter anderem in der Luft- und Raumfahrtindustrie im Turbinenbereich, in der Petro- und Energieindustrie als Wände für Druckbehälter sowie in der Schmiedeindustrie benötigt. All diese Bereiche eint, dass höchste Ansprüche an das Bauteil gestellt werden, sodass keine Schweißnähte akzeptiert werden können, die die mechanischen Eigenschaften beeinträchtigen würden. Üblicherweise werden solche Ringe mit Radial-Axial-Ringwalzmaschinen produziert. Diese ermöglichen die Vergrößerung des Außendurchmessers eines Rings durch lokales Verringern des Querschnitts in zwei Walzspalten, dem Radial- und dem Axialwalzspalt. Während des Prozesses rotiert der Ring in der Maschine und durchläuft vielfach beide Walzspalte.

In vielen der genannten Anwendungsgebiete müssen die hohen Ansprüche nur lokal erfüllt werden, etwa nur auf der Innen- oder Außenseite der Ringe. Werkstoffverbunde können hier vielseitige Möglichkeiten bieten, positive Eigenschaften unterschiedlicher Materialien anforderungsgerecht und kostengünstig zu kombinieren. So werden etwa für Gleitlager die hohe mechanische Belastbarkeit von Stahlwerkstoffen mit den guten Gleiteigenschaften von Kupfer- oder Messingwerkstoffen kombiniert. Bisher werden solche Verbundringe durch Eindehnen oder Aufschrumpfen hergestellt. In diesem Fall liegt nur ein kraftschlüssiger Verbund vor, was den Einsatz für sicherheitskritische Anwendungen meist nicht zulässt. Ein stoffschlüssiger Verbund ist hier besser, weil er vor dem Versagen elastische und plastische Verformung durchläuft, höhere Kräfte aufnehmen kann und mehr Sicherheit bietet.

Potentielle Einsatzgebiete für Verbundringe aus dem Bereich sicherheitskritischer Anwendungen sind neben Gleit- und Rollenlagern auch Druckbehälter. Bei Rollenlagern wird große Härte und Verschleißfestigkeit auf den Laufbahnen gefordert. Zur Sicherheit des Bauteils ist jedoch eine Mindestzähigkeit notwendig, um ein sprödes Versagen des Bauteils auszuschließen. Das geht jedoch zu Lasten der Verschleißresistenz. Durch Kombination eines harten Rings an der Laufbahn und eines zähen Materials als Grundwerkstoff könnte die Härte der Laufbahnen erhöht und so die Lebenszeit von Rollenlagern verlängert werden – ohne Einbußen in Bezug auf die Sicherheit.

Viele Druckbehälter bestehen vollständig aus Duplexstählen oder nichtrostenden Edelstählen, allerdings wird nur für die Innenseite ein guter Widerstand gegen Korrosion benötigt. Der Rest des Materials dient allein zum Tragen der auftretenden Lasten. Durch den Einsatz von Verbundringen könnte teures Material eingespart werden, indem ein kostengünstiger mit einem hochwertigen Werkstoff kombiniert wird.

Am Institut für Bildsame Formgebung (IBF) der RWTH Aachen wird dazu eine Vorform aus einem Außen- und einem Innenring in einem Schritt auf einer vorhandenen Ringwalzmaschine gewalzt. Um diese Prozessvariante genauer untersuchen und die Verbundentwicklung reproduzierbar voraussagen zu können, wird ein am IBF vorhandenes Finite-Elemente-Modell des Ringwalzprozesses mit vollständiger Regelung der Werkzeugbewegungen herangezogen. Das Modell wird um ein Modul (Subroutine) zur Beschreibung der Verbundbildung und -trennung innerhalb des Prozesses erweitert und mit Hilfe eines eigens entwickelten Modellversuchs zur Charakterisierung der Verbundentwicklung kalibriert.

Der entwickelte Modellversuch ermöglicht eine systematische und quantitative Bewertung der Verbundfestigkeit und des Einflusses von Störfaktoren, wie der Oxidation.

Bei Kombination der Stahlsorten 1.4401 und 1.7335 wurde in Testserien ein Verbund erzeugt und anschließend unter Zugbelastung getrennt. Dabei verformte sich der weichere Vergütungsstahl vor Abreißen der Verbindung zum Teil deutlich. Ebenfalls konnte nachgewiesen werden, dass dieses Verhalten durch Zunderbildung stark verschlechtert wird. Beim Herstellen der Vorform der Ringe muss deshalb darauf geachtet werden, keinen Sauerstoff in die Fügezone eindringen zu lassen. Möglich ist das etwa durch Verschweißen der Ringe vor dem Prozess.

Verbund ist so fest wie das Grundmaterial

In Simulationen und Walzversuchen untersuchten die Forscher am IBF die Einflüsse von Material- und Prozessparametern. Zudem ermöglicht das Simulationsmodell detailliertere Betrachtungen des zeitlichen Verlaufs der lokalen Verbindung im Prozess. Als Beispiel dafür zeigt die Grafik oben für einen kleinen Bereich von etwa 13 mm² (0,2 % der gesamten Kontaktfläche) den zeitlichen Verlauf der Normalspannung (blau), der Schubspannung (orange) sowie der Verbundfestigkeit (schwarz) in den ersten Sekunden des Prozesses. Ein starker Abfall in der Normalspannung bedeutet, dass dieser Bereich durch den Radialwalzspalt läuft und der Ring lokal durch Druck zwischen den Walzen umgeformt wird, was nach den getroffenen Annahmen den Materialverbund zwischen den Ringen stärkt. Obwohl der anfangs schwache Verbund wie hervorgehoben zweimal im Prozess wieder aufreißt, stabilisiert sich die Situation und der Verbund wird ab 6 s Prozesszeit zunehmend stärker, bis gegen Prozessende (nach rund 24 s) der Verbund ähnlich stark ist wie die Festigkeit des Grundmaterials.

Im Rahmen der Untersuchungen konnte ein Verbundring aus den genannten Stahlsorten erfolgreich hergestellt werden. Dieser Ring hat werkstoffbedingt eine hohe Warmfestigkeit bis etwa 550 °C, wobei der Edelstahl-Außenring eine deutlich höhere Korrosionsresistenz hat. Weiterhin liegt der Materialpreis des Innenrings rund 50 % niedriger, sodass trotz zunächst höherem Vorbereitungsaufwand das Potential besteht, die Gesamtkosten zu senken.

Auf dem ASK Umformtechnik am 28. und 29. März 2019 bietet das IBF die Möglichkeit sich zu diesem – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten – Projekt sowie weiteren Themen umfassend zu informieren. Zusätzliche Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung sind unter www.ask.ibf.rwth-aachen.de zu finden.

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