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„Werkzeuge haben großen Einfluss auf die Energieeffizienz der Fertigung.“

Kurt Brenner, Technik-Chef von Iscar Deutschland, über aktuelle Werkzeugtrends
„Werkzeuge haben großen Einfluss auf die Energieeffizienz der Fertigung.“

Die Energieeffizienz in der spanenden Fertigung wird immer wichtiger. Wie die Werkzeugtechnik Prozesse verbessern kann, sagt Kurt Brenner. Er leitet die Bereiche Technik und Produktion bei der Ettlinger Iscar Germany GmbH.

Herr Brenner, im Zuge der Finanzkrise ist immer wieder von konjunktureller Abkühlung die Rede. Spüren Sie als Hersteller von Verbrauchsmitteln etwas davon?

Nein, wir sehen keine Anzeichen dafür. Natürlich werden die Zuwächse nicht so riesig ausfallen wie im vergangenen Jahr, aber dabei muss man die Basiswerte betrachten, auf die sich diese Steigerungen beziehen. Wir kamen aus einem tiefen Tal und sind jetzt deutlich über den Rekordumsätzen von 2008. Insofern ist ein moderateres Wachstum durchaus ein Erfolg und kein Vorbote für einen drohenden Abschwung.
Angesichts der massiven Auftragszuwächse zählte im letzten Jahr vielfach nur maximale Produktivität. Ist das noch immer so?
Produktivität muss und wird immer ein zentrales Thema sein. Allerdings wurden im vergangenen Jahr diesbezüglich keine tiefgreifenden Maßnahmen umgesetzt. In den Betrieben war einfach keine Zeit, die Prozesse aufwändig zu optimieren. Jeder war damit beschäftigt, die Bedarfe seiner Kunden zu decken. Wirkliche Verbesserungen werden weder in Boomphasen noch in Krisen erzielt, sondern in den Durchschnittsjahren. In vielen Fällen konnten wir aber unseren Kunden mit Sonderwerkzeugen helfen, ihre Produktivität zu steigern. Mehrere Bearbeitungen in einem Schuss zu erledigen, verbessert den Prozess ohne grundlegende Eingriffe.
Sonderwerkzeuge sind eine Spezialität von Iscar Deutschland. Wie hat sich das Geschäft im letzten Jahr entwickelt?
Die Nachfrage war extrem hoch. Dieser Bereich ist bei uns 2011 um 25 % gewachsen. Ich sehe das auch als Folge dessen, dass wir schon immer mit unseren Kunden gemeinsam deren Prozesse optimieren.
Geht es dabei eher um angepasste Standardtools oder reine Sonderwerkzeuge?
Beides. Wir achten immer darauf, die Lösung für den Kunden so einfach und günstig wie möglich zu halten – gerade auch mit Blick auf die Verbrauchskosten. Wo möglich, verwenden wir deshalb auch bei echten Sonderwerkzeugen mit austauschbaren Schneiden Standardschneidplatten.
Neben der Produktivität ist die Energieeffizienz der Prozesse ein zunehmend wichtiges Thema. Inwieweit können Werkzeuge zu Verbesserungen beitragen?
Das Werkzeug hat einen viel größeren Einfluss auf die Energieeffizienz als allgemein angenommen und gesehen wird. Es kann die Produktivität massiv steigern, und das bei gleichem, manchmal sogar bei einem geringeren Energieverbrauch. In der Regel gilt: Je produktiver ein Prozess ist, desto effizienter nutzt er die zugeführte Energie. Weil überproportional mehr Teile produziert werden, gilt das sogar bei einem moderat steigenden absoluten Energieeinsatz. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Kühl- und Schmierstrategie. Welches Medium wie und mit welchem Druck zugeführt wird – das sind Fragen, die einen großen Einfluss auf die Prozesseffizienz haben. Die reine Trockenbearbeitung ist aktuell kein Thema mehr. Sie ist Stand der Technik und hat sich hauptsächlich in der Automobilindustrie durchgesetzt. Umso heißer werden derzeit die Hochdruck- und die Kryokühlung diskutiert.
Wie passen Hochdruckkühlung und Energieeffizienz zusammen?
Um das Optimum zu finden, muss man grundsätzlich die Gesamtbilanz eines Prozesses betrachten. Die Hochdruckkühlung wirkt punktgenau dort, wo die Kühlung benötigt wird – so nahe wie möglich an der Schneidkante. Durch die rasche Abkühlung in der Schnittzone brechen die Späne früher und leichter und die effizientere Kühlung ermöglicht signifikant höhere Schnittparameter. Genau das nutzen wir mit unseren JHP-Werkzeugen. Sie wurden zwar für Drücke bis 300 bar entwickelt, positive Effekte stellen sich aber bereits ab etwa zehn bar ein.
Um echte Fortschritte zu erzielen, müssen also ganze Prozesse neu gestaltet werden?
Natürlich sollte jedes Teilsystem möglichst effizient und sparsam sein. Beispiele sind Stand-by-Systeme in Maschinen, die gerade nicht benötigte Komponenten abschalten oder Werkzeuge, die durch einen weichen Schnitt mit einer geringeren Antriebsleistung der Maschine auskommen. Auch regelbare Kühlmittelpumpen, die nur den Druck aufbauen, der für die jeweilige Anwendung nötig ist, sparen Energie. Durch die optimale Kombination aller Teilsysteme lassen sich viele Prozesse noch erheblich verbessern. Um das zu erreichen, müssen aber alle beteiligten Ausrüster – vom Maschinenbauer über die Werkzeug- und Spanntechnikhersteller bis zu den Steuerungs- und Automatisierungsspezialisten – rechtzeitig eingebunden werden und ihr Know-how einbringen.
Wie groß ist das Optimierungspotenzial?
Effizienz- und Produktivitätssteigerungen von 20 oder 30 Prozent, in Einzelfällen auch mehr, sind durchaus drin. Wenn dann beispielsweise zwei Maschinen die gleiche Teileausbringung erreichen wie davor drei, dann bedeutet das einen erheblich reduzierten Energieverbrauch.
Aber es nützt nichts, die eigentliche Bearbeitung zu verkürzen, wenn dadurch beispielsweise im Vorfeld infolge höherer Programmieraufwände mehr Zeit verloren geht. Das muss alles zusammenpassen.
Sind die Vorteile der Hochdruckkühlung so groß, dass sich die Investition in neue Maschinen rechnet?
Das kommt auf die Bearbeitungsaufgabe an. Wie bei der Kryokühlung ist das Einsatzfeld für Hochdruck eingeschränkt. Die größten Vorteile bringen beide Verfahren beim Bearbeiten von Werkstoffen mit schlechter Wärmeleitfähigkeit. Beim Zerspanen von Inconel lassen sich mit unseren JHP-Hochdruck-Werkzeugen die Schnittgeschwindigkeiten um 50 bis 100 Prozent steigern, beim Bearbeiten von Titan gar um 300 Prozent. Selbst bei normalen Stählen und geringen Drücken sind durch die gezielte Medienzufuhr um 20 bis 50 Prozent höhere Schnittparameter möglich. Um den Nutzen abzuschätzen, muss auf alle Fälle die Gesamtbilanz des jeweiligen Prozesses betrachtet werden.
Welche Auswirkungen haben moderne Leichtbauwerkstoffe für die Werkzeugbranche?
Der breitere Einsatz von Werkstoffen wie Aluminium, Magnesium oder faserverstärkten Kunststoffen haben den Trend zu Diamantwerkzeugen verstärkt. Eine Alternative zum Schneidstoff PKD sind diamantbeschichtete Tools. Lässt sich der Schneidenbereich aber aus PKD herstellen, ist diese Lösung einem beschichteten Werkzeug immer überlegen.
Der PKD-Bereich ist bei Iscar noch relativ jung und klein. Wie wollen Sie hier zu den etablierteren Anbietern aufschließen?
Wir entwickeln diesen Bereich seit einigen Jahren konsequent weiter – sowohl in technologischer Hinsicht als auch was die Marktpräsenz angeht. Vor einigen Jahren wurden wir hier noch kaum wahrgenommen, inzwischen kommen immer mehr Kunden auf uns zu und fragen, ob wir bei einem Projekt dabei sein wollen. Technologisch gibt es innerhalb des IMC-Konzerns Spezialisten, von deren Know-how wir profitieren und auf deren Expertise wir bei Bedarf zurückgreifen können.
Preise und Verfügbarkeit von Rohstoffen wurden in den letzten Monaten für manchen Werkzeughersteller zum Problem. Wie hat sich beides entwickelt?
Die Rohstoffpreise sind nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Für den Hartmetall-Bestandteil APT bezahlen wir heute fast zehnmal so viel wie vor acht Jahren. Diese Mehrkosten konnten wir nicht an unsere Kunden weitergeben. Letztlich mussten wir andere Wege suchen, um das auszugleichen. Der Trend weg vom Vollhartmetall-Werkzeug, hin zum modularen System mit Hartmetall-Wechselkopf und Stahlschaft ist eine Konsequenz daraus. Was die Verfügbarkeit angeht, haben wir bei Iscar bislang keine Probleme.
Während der Messe EMO wurde in diesem Zusammenhang viel über Rohstoffalternativen und neue Werkzeugkonzepte gesprochen. Was hat sich hier getan?
Jeder arbeitet daran, teure Elemente zu ersetzen, vom großen Durchbruch habe ich aber noch nichts gehört. Bei den Werkzeugkonzepten werden teure Rohstoffe, speziell Hartmetall, möglichst sparsam und sinnvoll eingesetzt. Die gerade beschriebenen modularen Systeme sind dabei ein Weg, Wendeplatten mit immer mehr nutzbaren Schneiden ein anderer.
Welche Neuheiten zeigen Sie Ende Februar auf der Messe Metav in Düsseldorf?
Im Wesentlichen jene Neuheiten, die wir vor wenigen Monaten auf der EMO präsentiert haben. Eine zentrale Rolle werden wieder unsere kostenlosen Online-Tools spielen, mit denen wir Kunden bei der Prozessplanung sowie der Auswahl der richtigen Werkzeuge und Bearbeitungsparameter unterstützen. Zur Stuttgarter Messe AMB im Herbst dürfen die Besucher wieder spannende Premieren erwarten.
Iscar auf der Messe Metav Halle 14, Stand A47
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