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Interview mit Mapal-Juniorchef Dr. Jochen Kress

Mapal-Juniorchef Dr. Jochen Kress über die Stärken und die Zukunft des Unternehmens
„Wir zögern nicht, neue Technologien einzuführen“

Mit Präzisionswerkzeugen hat sich die Aalener Mapal Dr. Kress KG Weltruf verschafft. Welche Finessen etwa in Industriebohrern stecken und wie sich ein solches Unternehmen neu erfindet, erklärt Juniorchef Dr. Jochen Kress.

Wolfgang Hess, Redaktionsdirektor Sonderprojekte, Konradin Mediengruppe

Was ist das Besondere an Ihren Bohrern, Fräsern und Spannzeugen, Herr Dr. Kress?

Der Heimwerker kennt Bohrer und andere Zerspanungswerkzeuge aus dem Baumarkt. Wir hingegen stellen Werkzeuge etwa für die Bearbeitung von Auto- oder Flugzeugbauteilen her, die sich in technisch anspruchsvollen Prozessen einsetzen lassen. Wir sehen uns als Technologiepartner unserer Kunden, der ihre Prozesse versteht und sie mit wirtschaftlichen Lösungen rund um ihre Produktion unterstützt.

Wo nehmen Sie das Know-how her? Besuchen Ihre Mitarbeiter ständig wissenschaftliche Fachkongresse?

Werkzeughersteller unterscheiden sich – grob gesehen – in zweierlei Hinsicht. Es gibt zum einen Unternehmen, die sich vor allem an neuen Werkstoffen orientieren. Sie kommen über das eingesetzte Substrat zu Innovationen. Dafür sind neue wissenschaftliche Erkenntnisse sehr wichtig. Andere Hersteller, zu denen ich auch unser Unternehmen zähle, orientieren sich vor allem an neuen Geometrien. Interessant ist, dass hier die Innovationen vielfach von kleinen Firmen und weniger von wissenschaftlichen Instituten ausgehen. Salopp gesagt funktioniert das so: Ein Mitarbeiter wacht morgens mit einer Idee auf, programmiert sie und hat einen völlig neuen Bohrer auf dem Bildschirm.

Nach welchen Gesichtspunkten stellen Sie Mitarbeiter ein?

Wir setzen stark auf unsere eigene Ausbildung und entsprechende Weiterqualifikation. Nicht nur in Aalen, sondern weltweit an all unseren Standorten. Am Hauptsitz arbeiten wir eng mit der Hochschule Aalen zusammen. In unserem Zentrum für Forschung und Entwicklung sind rund 70 Ingenieure und Techniker beschäftigt.

Mapal setzt weiterhin stark auf die in Deutschland geprägte duale Ausbildung?

Ja. Denn der Anspruch an die Auszubildenden ist heute ein anderer als vor Jahrzehnten. Damals ging es vor allem um handwerkliches Können. Heute brauchen unsere Auszubildenden auch mathematisches Verständnis. Sie müssen lernen zu programmieren – und brauchen somit Fähigkeiten, die vor 30 bis 40 Jahren noch einem Ingenieur zur Ehre gereicht hätten. Diese Fähigkeiten vermitteln wir während der Ausbildung.

Wo setzen Sie auf externe Expertise?

Für unser Unternehmen wichtige zeitkritische Produkte und Dienstleistungen entwickeln wir in der Regel selbst. Produkte aus Bereichen, in denen wir uns weniger gut auskennen, kaufen wir zu. Wenn es um die Integration neuer Werkstoffe geht, arbeiten wir intensiv mit wissenschaftlichen Instituten zusammen. Wir vergeben auch viele Studienarbeiten. Hierbei handelt es sich um Inhalte, die uns interessieren, aber nicht unter Zeitdruck erarbeitet werden müssen.

Sie bieten neuerdings ein Datenmanagementsystem an, das zu deutlichen Produktivitätsfortschritten führen soll. Was waren Ihre Beweggründe?

Die Basis, um Prozesse zu automatisieren, sind gute Daten. Doch viele unserer Kunden können auf ihre Daten nicht zurückgreifen – weil sie niemand erfasst hat. Eine Kerneigenschaft von Digitalisierung ist Vernetzung. Da setzen wir an. Ein Werkzeughersteller hat vielfach die Daten für seine Produktion erfasst, die der Kunde nach Kauf eines Produktes erneut zeitaufwendig einpflegen müsste. Im Sinne wirtschaftlicher Effizienz ist es nur logisch, dass die vom Hersteller erfassten Produktdaten automatisiert zum Kunden weitergeleitet werden. Das ist der Kerngedanke unserer Plattform c-Com.

Heißt das, dass Bohrer signalisieren, wann sie erneuert werden müssen?

Bis ein Bohrer zum cyber-physischen System wird und signalisiert, dass er noch zwölf Bohrungen aushält, dauert es noch eine Weile. Das funktioniert erst, wenn alles vernetzt ist. Die Realität zeigt eher das Gegenteil. Der Kunde weiß heute oft nicht, bei welchen Werkstücken sein Bohrer bisher zum Einsatz kam oder in welchen Zeiteinheiten Bohrungen realisiert werden. Es reicht nicht, die Zahl der Bohrer zu kennen, sondern man muss ihren Zustand einschätzen können. Die hierfür nötigen Daten bekommt der Kunde über unsere Plattform c-Com. Er kann somit den Qualitätsstatus verfolgen. Nötig ist dafür lediglich eine Software, die via Internet Daten visualisiert.

Führt c-Com nicht dazu, dass Mapal weniger Bohrer verkauft, weil der echte Bedarf besser berechnet werden kann?

Wir sind der festen Überzeugung, dass man den Fortschritt in der industriellen Produktion nicht aufhalten kann. Deshalb führen wir neue Technologien stets ohne zu zögern in den Markt ein – egal, ob es um neue Beschichtungen oder Geometrien geht. c-Com ist für uns freilich mehr. Wir haben deshalb eine Tochterfirma ausgegründet. Wir glauben fest daran, dass das Teilen von Daten so viel Mehrwert und Nutzen bringt, dass kein Marktteilnehmer daran vorbeikommt.

Wodurch verdient das neugegründete Unternehmen Geld?

Um einen Bohrer so einzusetzen, dass er einen Mehrwert erzeugt, sind drei Dinge notwendig: Man muss den richtigen Bohrer auswählen und die Bereiche Logistik sowie Nachschliff organisieren. Die c-Com GmbH bietet Softwarepakete an, die diese Prozesse verbessern. Sie kosten je nach Anwendung zwischen einem niederen vierstelligen und einem sechsstelligen Betrag. Unser Preis orientiert sich am Nutzen für den Kunden und an dessen Firmengröße.

Sie haben c-Com vor einem Jahr auf der Messe AMB in Stuttgart vorgestellt. Wurde das Produkt inzwischen weiterentwickelt?

Das war eher eine Studie als ein fertiges Produkt: Wir haben den Fuß ins Wasser gehalten und geschaut, welche Wellen das schlägt. Die Resonanz auf der Messe war positiv, und das hat uns darin bestärkt, den Weg weiterzugehen. Im September wollen wir auf der Messe EMO in Hannover ein verkaufsfähiges Produkt zeigen. Aktuell sind wir im Testbetrieb bei verschiedenen Kunden. Auf der EMO werden wir unsere Technologiedatenbank zu den Werkzeugen zeigen. Der Nachschliff und die Disposition werden wesentliche Themen sein.

Welche weiteren Digitalisierungsbestrebungen unternimmt Mapal derzeit?

Sehr viele. Wir haben unsere bisherige Unternehmensinitiative ‚One Mapal‘ mit dem Schwerpunkt Globalisierung erweitert. Sie heißt jetzt ‚One Mapal digital‘ und bedeutet, dass wir die Firma komplett am Datenfluss ausrichten. Der Datenfluss soll mit einer einmaligen Eingabe beginnen, Rücksprünge sollen nicht mehr vorkommen.

Was heißt das konkret?

Oft schreiben Außendienstler ihre Berichte in einem Programm, mit dem der Innendienst nichts anfangen kann. Der Innendienst muss die Daten erneut eintippen oder kopieren. Eine automatische Übernahme ist nicht möglich. So entsteht ein Datenbruch. Konstruktion oder Arbeitsvorbereitung kommunizieren oft in wieder anderen Programmen. Es kann vorkommen, dass dieselbe Information bis zu zehn Mal erfasst wird. Ein zweiter Bereich ist der digitale Zwilling. Unsere Kunden wollen nicht mehr nur den Hartmetallbohrer, sondern auch die Daten, die ihn virtuell abbilden. Ein dritter Punkt sind unsere digitalen Dienstleistungen. Wir bezeichnen diese drei Bereiche unternehmensintern als ‚digital lean‘, ‚digital twin‘ und ‚digital services‘. Sie werden unsere Firma in den kommenden zwei, drei Jahren erheblich verändern.

Die Innovations-Allianz Baden-Württemberg kritisiert, dass die Innovationskraft im Südwesten Deutschlands nachlässt. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?

Mir fehlt der große Überblick. Wenn ich mich beim Thema Digitalisierung in unserer Branche weltweit umschaue, erkenne ich keine Schwäche bei der Dynamik. In der Fertigungstechnik – speziell bei der Zerspanung – sind wir im Südwesten führend in der Welt. Die Digitalisierung ist das dominierende Thema bei uns.

(Seniorchef Dr. Dieter Kress stößt zum Gespräch dazu)

Welche Zukunft geben Sie dem Mittelstand in Deutschland? Sehen Sie ihn bedroht?

Jochen Kress: Wenn ich auf einen regionalen Markt reflektiere, ist Mittelstand wunderbar. Ein mittelständisches Unternehmen ist hinsichtlich Flexibilität und Kundenorientierung unschlagbar. Bedroht sind aber mittelgroße Unternehmen möglicherweise, weil sie die Anforderungen durch die ganz Großen nicht umsetzen können – in Bezug auf Digitalisierung oder Globalisierung.

Dieter Kress: Auch kleinere Firmen müssen heute in der Lage sein, global zu agieren. Früher entschied man: Wir exportieren! Man hat Vertreter gesucht und gesagt: Jetzt sind wir weltweit tätig. Heute reicht das längst nicht mehr. Heute muss man weltweit den gleichen Service bieten, dieselbe Produktionsgeschwindigkeit gewährleisten. Und wenn man als Unternehmen ein Problem hat, ist das im Nu überall bekannt.

Zurück zur Produktionstechnik. Welche Rolle spielt bei Mapal der 3D-Druck?

Jochen Kress: Wir beschäftigen uns damit seit einigen Jahren intensiv. Mittlerweile haben wir drei 3D-Laseranlagen im Unternehmen und fertigen einige Produkte in Serie.

Beispielsweise?

Jochen Kress: Wir haben Bohrer im Durchmesserbereich von 8 bis 13 Millimetern mit speziell geformten Kühlkanälen entwickelt. Durch diesen geometrischen Trick lässt sich der Kühlmitteldurchfluss steigern und die Bohrgeschwindigkeit verdoppeln.

Dieter Kress: Als wir das Thema Leichtbau mittels 3D-Druck angingen, machte das schnell die Runde. Ein Experte kam zu uns und wollte ein Werkzeug mitnehmen, um es anderswo zu zeigen. Das machte er vor Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg. Einige nahmen unser innovatives Produkt dann mit nach Berlin. Dort wanderte es durch ein Ministerium. Daraufhin wurde mein Sohn gebeten, in Berlin einen Vortrag über Leichtbau zu halten. Die Geschichte ist damit nicht zu Ende: Eines Tages rief ein Wissenschaftler des renommierten Massachusetts Institute of Technology MIT aus den USA bei uns an und wollte mehr über unsere Technologie wissen.

Jochen Kress: Bei aller Euphorie: Der 3D-Druck ist teuer. Wenn wir ein Werkstück mit herkömmlichen Methoden fertigen können, machen wir das weiterhin. Nur dort, wo wir einen Funktionsvorteil haben, setzen wir den 3D-Druck ein.

Wie stellt sich Mapal auf die Herausforderungen durch die E-Mobilität ein?

Jochen Kress: Die uns bekannten Prognosen gehen davon aus, dass die Zerspanung innerhalb der nächsten Modellgeneration – etwa bis 2025 – annähernd konstant bleibt. Über das, was folgt, spekulieren die Institute heftig. Ungeachtet dessen gehen wir bei Mapal davon aus, dass der Verbrennungsmotor deutliche Marktanteile verlieren wird.

Dieter Kress: Die Zerspanung wird insgesamt an Bedeutung verlieren, nicht nur in der Automobilindustrie. Somit haben wir langfristig zwei Optionen: Werkzeuge für jene Bereiche bereitzustellen, die wir heute noch nicht beliefern. Oder auf völlig andere Technologien zu setzen.

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