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„Wollen in fünf Jahren eine Zwei-Milliarden-Dollar-Company sein“

Alain Reynvoet, Europa-Chef von Haas CNC, über die Zukunft des Werkzeugmaschinenbauers
„Wollen in fünf Jahren eine Zwei-Milliarden-Dollar-Company sein“

Wie der Markt das 5-Achsen-Zentrum UMC-750 aufnahm und was der amerikanische Werkzeugmaschinenbauer Haas Automation Inc. künftig plant, sagt Alain Reynvoet, Geschäftsführer Haas Automation Europe in Zaventem/Belgien.

Herr Reynvoet, Haas hat auf der Messe AMB im September sein erstes 5-Achsen-Bearbeitungszentrum vorgestellt. Wie kam die Maschine seither bei Kunden an?

In den ersten beiden Monaten nach der Messe haben wir bereits über 100 Einheiten verkauft. Das ist ganz gut, meine ich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es ein für uns neues Maschinenkonzept ist. Allein auf der Prodex in Basel konnten wir spontan fünf UMC-Maschinen verkaufen. Ein Kunde kam zu uns und war erstaunt, dass wir ein 5-Achsen-Zentrum im Programm haben. Er stornierte die gerade georderte Maschine bei einem anderen Hersteller und bestellte gleich zwei bei uns.
Was hat diesen Kunden überzeugt?
Er hat bereits Haas-Maschinen mit denen er zufrieden ist. Also setzte er voraus, dass wir auch eine solche Maschine bauen können. Außerdem meinte er, für den Preis der Anderen könne er bei uns zwei Maschinen kaufen, was er dann auch tat.
Die UMC-750 kostet in der Basisversion rund 100 000 Euro. Wie können Sie die Maschine zu diesem Preis anbieten?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen können wir bei einigen Komponenten auf unseren Baukasten zurückgreifen. Das heißt, dass wir diese Teile in großen Stückzahlen mit entsprechenden Volumeneffekten herstellen können. Zum anderen optimieren wir sämtliche Kostenfaktoren. Ein Beispiel: Die Außenmaße der Maschine sind nicht zufällig gewählt. Es ist die maximale Größe, die noch in einen Seecontainer passt. Dadurch sparen wir beim Versand viel Geld und die Maschinen sind zudem besser vor Seewasser geschützt. Und auch unsere einfachen, effizienten Produktionsprozesse helfen, die Kosten im Rahmen zu halten und günstige Verkaufspreise zu bieten. Im Übrigen sind gute, aber nicht übertrieben ausgestattete Maschinen schon immer unsere Spezialität.
Inwieweit sind die Maschinen in Leistung und Präzision mit anderen vergleichbar?
Unsere Maschine ist etwas langsamer und bietet auch nicht ganz die hohe Präzision eines Highend-5-Achsen-Zentrums. Aber für 90 Prozent aller Anwendungen ist sie definitiv gut geeignet. Das reicht vielen Anwendern. Und was die Geschwindigkeit betrifft: Zwei Maschinen von uns sind zusammen sicher produktiver als eine – wenn auch etwas schnellere – vom Wettbewerb zum gleichen Preis.
In welchen Märkten haben Sie die 100 Maschinen verkauft?
Bislang kamen die Bestellungen fast alle aus Amerika und Europa. Wobei wir etwas mehr als die Hälfte in Europa verkauften – vor allem im deutschsprachigen Raum.
Wie viele UMCs sind bereits ausgeliefert?
Wir haben seit Mai oder Juni einige Beta-Kunden, die das Konzept in der Praxis erprobt haben. Die eigentlichen Auslieferungen starten jetzt im Januar.
In welche Branchen gehen die Maschinen?
Die Käufer kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, aus der Automobil- und Zulieferindustrie, aus der Luftfahrt, der Uhrenindustrie, der Medizintechnik, der Windenergie oder dem Werkzeug- und Formenbau. Traditionell sind unsere Kunden eher die kleineren und mittelgroßen Betriebe, weniger die OEMs.
Was plant Haas noch im 5-Achsen-Bereich? Kommen weiter Maschinen?
Als nächstes kommt eine SS- oder Super-Speed-Version der bestehenden Maschine. Sie wird einen dynamischeren Tisch haben. Gerade im Bereich des Drehtischs müssen wir nachlegen, wenn wir echte simultane 5-Achsen-Bearbeitung bieten wollen. Grundsätzlich geht das zwar heute schon, aber bei Geometrien, die sehr schnelle Schwenk- und Drehbewegungen erfordern, stoßen wir an Grenzen. Das soll sich ändern. Bis wann das der Fall sein wird, kann ich noch nicht definitiv sagen. Ich schätze, dass wir Ende des Jahres eine dynamischere Version anbieten können. Weitere 5-Achsen-Modelle sind im Moment nicht konkret in Vorbereitung. Wir sind ein Volumenhersteller. Neue Modelle bringen wir nur, wenn entsprechende Stückzahlen zu erwarten sind.
Wie steht´s mit dem Service? 5-Achsen-Neulinge brauchen sicher Unterstützung, um das Potenzial der Maschine zu nutzen?
Wir konzentrieren uns weiterhin auf eine zuverlässige Ersatzteilversorgung und schnelle Hilfe in Problemfällen. Weitere Leistungen – etwa eine Hilfe beim Einstieg in die 5-Achsen-Technologie – sind im Bedarfsfall Sache unserer Vertragshändler.
Welche Bedeutung hat der Werkzeug- und Formenbau als Kundenbranche für Sie?
Eine große. Leider beobachten wir, dass viele Zerspanungskapazitäten im Formenbau nach Osten abwandern. Die Maschinen, die wir an Formenbauer verkaufen, gehen zunehmend nach Tschechien, Polen oder in die Ukraine. Gerade unsere 5-Achsen-Maschine ist für Unternehmen dort sehr interessant. Sie konnten sich diese Technik bislang nicht leisten. Nun können sie entsprechende Arbeiten anbieten.
Wie groß ist der Anteil des Formenbaus an Ihrem Umsatz?
Das lässt sich nicht genau beziffern. Da wir über eigenständige Händler – so genannte Haas Factory Outlets – verkaufen, erfasst unser System nicht im Einzelnen, in welche Branche eine Maschine geht.
Wie groß ist der aktuelle Marktanteil von Haas in Europa?
Der liegt bei rund zehn Prozent. Wobei das in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist. In Deutschland liegt er bei etwa acht Prozent, in Schweden oder Polen dagegen bei über 30 Prozent.
In welchen Regionen in Europa läuft Ihr Geschäft besonders gut?
Besonders stark ist derzeit ein Gürtel, der von Schweden über Polen, Tschechien, Ungarn und Bulgarien bis in die Türkei reicht. Deutschland läuft gut, könnte aber noch besser sein.
Wie viele Maschinen baut Haas im Jahr?
Die Zahlen fürs Gesamtjahr 2012 liegen mir noch nicht vor, aber von Januar bis Ende Oktober waren es rund 11 500.
Spüren Sie als Folge der Eurokrise bereits dunklere Wolken am Konjunkturhimmel?
Nein, bislang überhaupt nicht. Wir hatten ein überraschend gutes Sommergeschäft. In den ersten zehn Monaten 2012 haben wir im Vergleich zum Vorjahr gut 15 Prozent mehr Maschinen verkauft. Bob Murray, unser CEO, fragte mich kürzlich: ‚Wo verkauft ihr all die Maschinen? Wir hören so viel Schlechtes über Europa und trotzdem läuft das Geschäft.‘ Ich gehe davon aus, dass wir in schwierigen Zeiten sogar noch stärker sein werden. Viele, die bislang nicht zu unseren Kunden gehörten, werden sich dann überlegen, ob sie wirklich eine Highend-Maschine brauchen.
Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Auf Europa und 2013 bezogen wäre ich zufrieden, wenn wir wieder ein Umsatzplus von 15 bis 20 Prozent erreichen. Für das Gesamtunternehmen gilt: Es war unser Ziel, eine Ein-Milliarden-Dollar-Company zu sein. Diese Marke haben wir knapp erreicht. nun wollen wir in fünf Jahren eine Zwei-Milliarden-Dollar-Company sein. Bis dahin werden wir in der Lage sein, rund 25 000 Maschinen im Jahr zu bauen.
Dazu müssten Sie Ihre Marktanteile erheblich ausbauen. Ist das realistisch?
Wir halten das durchaus für möglich. Ein Teil des Umsatzwachstums wird aber auch von höherwertigeren und deshalb teureren Maschinen wie der UMC kommen.
Mit welchen neuen Produkten wird Haas seine Kunden überraschen?
Unser Fokus liegt derzeit weniger auf neuen Produkten als vielmehr auf der stetigen Verbesserung der Qualität unserer Maschinen. Unser Anspruch war schon immer, deutlich besser zu sein als andere Anbieter in unserem Preissegment. Künftig wollen wir uns hier noch mehr abheben. Seit etwa einen Jahr registrieren wir jeden Anruf, der im Service eingeht und analysieren, wo das Problem lag. Durch die daraus abgeleiteten Verbesserungen konnten wir die Zahl der Reklamationen in dieser Zeit bereits um rund 50 Prozent reduzieren.
Heißt das, dass die Qualität von Haas-Maschinen bislang nicht den Wünschen entsprach?
Nein, gewiss nicht. Man muss das immer vor dem Hintergrund der Stückzahlen sehen, die wir produzieren und ausliefern. Wenn ein anderer Anbieter 200 Maschinen im Jahr baut und eine Fehlerquote von einem Prozent hat, dann betrifft das zwei Maschinen. Wir bauen 1300 Maschinen im Monat. Die gleiche Fehlerquote hieße bei uns also, dass bei rund 150 Maschinen im Jahr ein Problem auftritt. Das würde unseren Ruf ruinieren. Wir müssen also besser sein als unser direkter Wettbewerb. Deshalb ist es unser Ziel, einer Null-Fehler-Quote möglichst nahe zu kommen.
Produziert Haas nach wie vor ausschließlich am Stammsitz in Oxnard?
Ja. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.
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