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„Wollen unsere Marktanteile in Europa verdoppeln“

Die Haas-Manager Bob Murray und Peter Hall blicken optimistisch in die Zukunft
„Wollen unsere Marktanteile in Europa verdoppeln“

Der amerikanische Werkzeugmaschinen-Hersteller Haas bietet einfache, zuverlässige Produkte mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis an. In dieser Richtung soll das Portfolio kontinuierlich optimiert werden, sagen CEO Bob Murray und Europa-Chef Peter Hall.

Herr Murray, wie stark spürt Haas die Auswirkungen der Wirtschaftlage?

Murray: Das ist schon sehr deutlich zu spüren. Während das erste Halbjahr 2008 sehr gut lief, verzeichneten wir im September einen Rückgang der Bestellungen um etwa 15 Prozent, im Oktober sogar um rund 30 Prozent im Vergleich zu normalen Monaten. Aber die Situation ist nicht annähernd so dramatisch wie 1992 und 1993.
Hall: Wir hatten uns vorgenommen, in diesem Jahr weltweit rund 15 000 CNC-Maschinen abzusetzen. Das wird uns – aufgrund dieser Entwicklung – nicht gelingen. Wir rechnen dennoch mit über 14 000 verkauften Einheiten. Um diese Zahl einschätzen zu können, muss man bedenken, dass wir 2002 noch weniger als 5000 Maschinen im Jahr verkauften. 2006 waren es etwa 10 500. Daran sieht man, dass wir in den letzten Jahren enorm gewachsen sind.
Ist der Rückgang in den USA stärker als in anderen Märkten?
Murray: Das kann man eigentlich nicht sagen. Derzeit sind alle Märkte rückläufig.
Welche Auswirkungen hat das für Sie?
Murray: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir in Privatbesitz sind und keine Schulden haben. Dazu kommt dass unsere Fertigung sehr stark automatisiert ist. Wir arbeiten dreischichtig, zwei Schichten laufen mannlos. Wenn wir vorübergehend weniger Maschinen verkaufen, hat das für uns keine Konsequenzen. Wenn nötig, fahren wir einfach eine mannlose Schicht zurück.
Hall: Außerdem sind wir überzeugt, dass die derzeitige Situation für uns sogar ein Vorteil sein kann. Betriebe, die bisher aufwändige High-End-Maschinen gekauft haben, denken jetzt eher darüber nach, ob nicht eine viel günstigere Haas-Maschine die Aufgaben nicht ebenso gut erfüllen kann. Wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Monaten unsere Marktanteile deutlich ausbauen werden.
Wie groß sind Ihre Marktanteile in Europa und in Deutschland? Wie sollen sie sich in den kommenden Jahren entwickeln?
Hall: In Europa haben wir derzeit einen Marktanteil von zehn bis zwölf Prozent. Unser Ziel ist, das in den nächsten sieben bis acht Jahren zu verdoppeln. Wäre die Konjunktur so positiv weiter verlaufen wie in den letzten fünf Jahren, dann hätten wir dieses Ziel bereits in fünf Jahren erreicht. In Deutschland haben wir einen Marktanteil von etwa zwölf Prozent. Auch hier streben wir mindestens eine Verdoppelung an.
Welches sind nach Ihrem Heimatmarkt USA Ihre wichtigsten Absatzregionen?
Murray: In den USA verkaufen wir 40 bis 45 Prozent unserer Produktion. In den Export gehen also 55 bis 60 Prozent. Der zweitwichtigste Markt für uns ist Europa. Dort sind wir in 40 Ländern präsent und setzen rund 30 Prozent unserer Produkte ab. Deutschland macht, bezogen auf das weltweite Volumen, etwa fünf Prozent aus. Gerade in Europa sehen wir noch einiges Potenzial. Nach Europa ist China mit rund zehn Prozent Anteil unser drittwichtigster Markt, gefolgt von Indien mit etwa sieben Prozent.
Um das angestrebte Wachstum zu erreichen, planen Sie dazu auch die Erweiterung ihres Produktportfolios – beispielsweise in Richtung High-End-Maschinen?
Murray: Nein. Wir sind ein Großserienhersteller. Alle unsere Abläufe sind für die Produktion von Standardmaschinen in großen Stückzahlen optimiert. Daran werden wir nichts ändern. Mit unserem derzeitigen Programm lassen sich 80 Prozent der weltweit benötigten Teile bearbeiten. Das reicht uns. Für die spezielleren Anwendungen gibt es andere Anbieter. Obwohl beispielsweise auch große Automobilhersteller unsere Produkte einsetzen, sind die meisten unserer Kunden Job Shopper und kleinere Werkstätten. Und die wollen und brauchen einfach zu handhabende, zuverlässige und preiswerte Maschinen. Deshalb sind wir bestrebt, die Qualität unserer Produkte weiter zu optimieren und sie so zu vereinfachen, dass sie effizient herzustellen sind. Das erlaubt uns eine aggressive Preispolitik, über die wir unsere Marktposition ausbauen werden. Übrigens führt diese Philosophie auch dazu, dass die Maschinen einfach zu warten sind.
Hall: Wir entwickeln unsere Produkte permanent weiter, erfinden sie jedoch nicht immer wieder neu. Ich vergleiche das gerne mit dem Porsche 911. Der wird seit 45 Jahren gebaut und ist in jedem Jahr ein bisschen verbessert worden. Heute gibt es keinen besseren Sportwagen. Genau das streben wir mit unseren Maschinen an. Dazu kommt: Egal für welches Produkt sich ein Kunde interessiert, bei uns kann er innerhalb kürzester Zeit im Internet einen verbindlichen Preis abrufen. Ich kenne keinen anderen Werkzeugmaschinenhersteller, der eine solche Preistransparenz bietet. Das gilt bei uns übrigens auch für die Ersatzteile.
Sehen Sie für Ihr Unternehmen größeres Wachstumspotenzial in neuen Branchen oder eher regional?
Murray: Wir sind sehr breit aufgestellt und in fast allen Branchen vertreten. Insofern werden wir eher in den Regionen zulegen, indem wir Marktanteile ausbauen.
Haas produziert bislang ausschließlich am Stammsitz Oxnard in Kalifornien. Angesichts des im Vergleich zum Euro wieder stärkeren Dollar: Sind neue Fertigungsstätten außerhalb der USA ein Thema?
Murray: Bei solchen Überlegungen spielt für uns weniger der Wechselkurs eine Rolle. Viel entscheidender sind Handelsbeschränkungen, Einfuhrzölle, Transportkosten und die Personalkosten in den jeweiligen Ländern. Genau aus diesen Gründen haben wir seit Mai diesen Jahres eine kleine Produktion in China – aber ausschließlich für den dortigen Markt. Weitere Produktionsstandorte außerhalb der Vereinigten Staaten sind derzeit nicht geplant.
Service hat für Sie große Bedeutung. Bislang beschränkt er sich aber auf die Maschinenbetreuung und die Teileversorgung. Werden Sie ihr Angebot hier ausweiten, etwa um Engineering-Dienstleistungen?
Hall: Unser Ziel ist es, die Maschinen beim Kunden möglichst ohne Unterbrechungen am Laufen zu halten, schließlich sollen sie Späne machen und für Wertschöpfung sorgen. Dafür tun wir alles. Die Techniker unserer Vertriebspartner, der Haas Factory Outlets, sind gut geschult und sie haben in ihren Servicefahrzeugen alle wichtigen Teile dabei. So können wir Probleme fast immer noch am gleichen Tag, beim ersten Serviceeinsatz lösen. Das verstehen wir unter Service. Haas selbst bietet keine Turn-key-Lösungen an und wird das auch zukünftig nicht tun. Einige unserer Vertriebspartner gehen da weiter und bieten beispielsweise auch Automatisierungslösungen an, die nicht in unserem Baukasten enthalten sind.
Murray: Auch das Thema Schulung an der Maschine hat bei uns nicht die Relevanz wie bei manchem Wettbewerber. Ganz einfach deshalb, weil unsere Maschinen so einfach zu handhaben sein sollen, dass selbst meine Kinder damit produzieren könnten. Wir schulen die Techniker unserer Factory Outlets und die übernehmen dann die Einweisung der Kunden. Wir kennen unsere Stärken und denen bleiben wir treu.
Der Vertrieb Ihrer Produkte erfolgt über Franchise-Partner, die so genannten Haas Factory Outlets oder HFOs. Welche Vorteile bietet dieses System?
Hall: Es ermöglicht uns, mit einem dichten Netz von Vertriebs- und Servicetechnikern nah bei unseren Kunden zu sein – und das mit vertretbarem Aufwand. In Deutschland haben wir derzeit acht HFOs, in Europa 36 – Ende 2009 werden das 52 sein –, weltweit über 150. Deutlich ausbauen wollen wir auch das Netz unserer Technical Education Center, der HTECs. Bislang schulten wir dort die Servicetechniker unserer Partner. Künftig sollen aber auch die Bediener, Programmierer und CNC-Techniker unserer Kunden ausgebildet werden. Wir sind weltweit in 100 Ländern aktiv und stellen immer wieder fest, dass es zu wenig qualifiziertes Personal gibt. Hier wollen wir unsere Kunden unterstützen und dafür sorgen, dass die Mitarbeiter überall auf dem gleichen Stand sind. In etwa fünf Jahren soll es in Europa 200 HTECs geben, 2008 haben wir bereits 16 eröffnet.
Europa ist nach den USA der zweitwichtigste Markt

Haas in Kürze
Haas Automation, Inc. wurde 1983 von Gene Haas gegründet. 1988 präsentierten die Kalifornier – das Stammwerk liegt in Oxnard – ihr erstes vertikales Bearbeitungszentrum. Heute stellt das Unternehmen vier Hauptproduktreihen her: vertikale und horizontale Bearbeitungszentren, CNC-Drehmaschinen und Drehtische. Haas beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter und setzt gut 900 Mio. US-Dollar um. Die Amerikaner sind spezialisiert auf Standardmaschinen mit einem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Produktionskapazitäten liegen bei über 14 000 Maschinen pro Jahr. Die wichtigsten Märkte sind die USA gefolgt von Europa, China und Indien. Im ersten Quartal will Haas seine 100 000ste CNC-Maschine ausliefern.
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