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Kraft-Wärme-Kopplung: Gasturbinen in Abstellkammergröße

Kraft-Wärme-Kopplung
Gasturbinen in Abstellkammergröße

Eine dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung wird oft mit großen BHKWs verbunden. Eine Alternative für kleinere Anlagen sind Mikrogasturbinen.

Tobias Meyer
Freier Journalist bei Nürnberg

Wenn es um das Thema Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) geht, denken die meisten an dezentrale Blockheizkraftwerke, die einen Verbrennungsmotor mit einem Generator koppeln. Gasturbinen dagegen werden häufig eher in großen Kraftwerken gesehen. Aber auch diese Technik gibt es für kleinere Anlagen. Die Grundentwicklung fand in den 90-er Jahren in den USA statt, damals benötigte das Militär einen leicht portablen, effizienten und zuverlässigen Stromerzeuger. So entstanden die Einwellen-Turbinen mit einstufigem Radialverdichter sowie radialer Arbeitsturbine. Der Permanentmagnet des Generators ist ebenfalls fest auf der Welle installiert.

Der amerikanische Hersteller Capstone baut die Mikrogasturbinen im Leistungsbereich von 50 kW bis 1 MW (elektrisch) beziehungsweise 110 kW bis 1,4 MW (thermisch). In Deutschland organisiert den Vertrieb die Firma E-Quad. Die kleinen C50- und C65-Turbinen sind etwa 80 cm breit und 1,8 m lang, die nächstgrößere Variante C200 mit 200 kW elektrischer Leistung misst etwa 1,7 m × 3,8 m und ist dabei das größte alleinstehende Aggregat. Bei den Aggregaten C600, C800 und C1000 werden drei, vier oder fünf C200-Modelle kaskadierend in einem 30-Fuß-Container (etwa 9 m lang) verbaut. Als Brennstoff kommt Diesel, Heizöl und Kerosin sowie Erdgas, Flüssiggas oder Biogas zum Einsatz, aber auch Deponie- oder Klärgas ist möglich.

Mikrogasturbinen sind wartungsfreundlicher als Verbrennungsmotoren

Herkömmliche Verbrennungsmotoren kämpfen bei Biogasen mit sich bildender Schwefelsäure, die über das Schmieröl empfindliche Stellen schädigen und zu frühzeitigem Verschleiß führen kann. Durch ein spezielles Luftlager – je nach Anlagengröße laufen die Flügelräder mit bis zu 96 000 min-1 – kommt die gesamte Turbine dagegen ohne Öl und Kühlmittel aus, das Lager benötigt auch keinen Druckluftanschluss. Die simple Ein-Wellen-Konstruktion verkraftet laut Hersteller aggressive Medien besser und lasse sich zudem einfacher warten als Verbrennungsmotoren. Ein Wartungsintervall beträgt 8000 Betriebsstunden, was je nach Auslastung etwa ein bis zwei Jahren entspricht, die Lebensdauer liegt bei 80 000 Stunden.

Direktes Trocknen mit Abgas

Die Mikrogasturbinen sind, neben der Stromerzeugung, für viele thermische Anwendungsfälle einsetzbar: Neben der Erzeugung von Warm- und Heißwasser kann auch ein Dampferzeuger angebunden werden, wahlweise mit oder ohne Nachfeuerung. Ein kombinierter Absorptionskühler kann zudem klimatisieren oder Tiefkühlkälte erzeugen. Die wirtschaftlichste Einbindung sei laut E-Quad die direkte Abgasnutzung als Heißlufterzeuger. So ermöglicht das Produkt die vergleichsweise hohe Abgastemperatur von bis zu 300 °C beim Pappkarton-Hersteller A. Obenauf in Bad Harzburg, die Capstone-Turbinen direkt an einem bei 150 bis 200 °C arbeitenden Dampftrockner einzusetzen.

„Ein klassisches Blockheizkraftwerk mit Verbrennungsmotor hätte nur eine Temperatur von 80 °C liefern können, für eine richtig große Turbine haben wir dagegen nicht genug Wärmebedarf, daher ist die E-Quad-Lösung für uns ideal“, erklärt Tobias Neidhardt, Geschäftsführer von A. Obenauf. Auch die SWK Schotterwerke in Munderkingen arbeiten auf diese Weise: Die 280 °C heißen Abgase trocknen hier Kalk.

Ideale Ergänzung von bestehenden Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen

Aber auch bestehende Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen können von zusätzlichen Mikroturbinen profitieren, so etwa bei Airbus in Stade. Sechs motorische Anlagen speisen hier bereits ein werksinternes Nahwärmenetz mit niedriger Vorlauftemperatur. Die Trocknung der Lackiererei benötigt jedoch rund 110 °C im Vorlauf und über 85 °C im Rücklauf. Die nötige Temperaturanhebung für diesen Bereich realisieren zwei C65-Turbinen. Eine Brauerei im Saarland dagegen führt die thermische Energie in einen Abgasbrenner. Der dortige Sauerstoffgehalt ist ausreichend hoch, um den Verbrennungsprozess im nachgeschalteten Kessel zu ermöglichen.

Die elektrische Energie der Turbine wird über das bestehende Stromnetz der Produktion zugeführt, der Inselbetrieb ist ebenfalls möglich. Auf diesem Feld muss die Turbine allerdings etwas zurückstecken, ihr elektrischer Wirkungsgrad bei Volllast liegt – je nach Anlage – mit 26 bis 33 % etwas unter dem des klassischen Motors, bei dem auch Wirkungsgrade von über 40 % möglich sind. Der Gesamtwirkungsgrad von bis zu 83 %, also von Strom und Wärme, schlage laut des Distributors aber die Werte eines herkömmlichen Blockheizkraftwerks, besonders unter Teillast. Denn wo andere Anlagen für eine saubere Rentabilität möglichst stark genutzt werden müssen, kann die Mikroturbine auch nahezu vollständig moduliert arbeiten.

Bereits 300 Mikrogasturbinen in Deutschland in Betrieb

Im Vergleich zu herkömmlichen KWK-Anlagen sind Capstone-Systeme etwa 10 bis 15 % teurer, höhere Stückzahlen würden das aber kompensieren können. Aktuell sind etwa 300 Anlagen in Deutschland in Betrieb. Die Turbinen sind jedoch staatlich förderbar, selbsterzeugter Strom wird zudem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) unterstützt und ist somit günstiger als zugekaufter Strom. Da sich Programme und Gesetze über die letzen Jahre aber laufend geändert haben, muss eine Kosten-Nutzen-Rechnung immer aktuell und für eine konkrete Anlage aufgestellt werden. Einen ersten Überblick über mögliche Zuschüsse oder Vergünstigungen bietet die Website des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (www.bafa.de).


Vertrieb in Deutschland

E-Quad Power Systems wurde im April 2004 als Spin-off der Fachhochschule Aachen gegründet und ist Distributor und autorisierter Service-Provider für Capstone-Mikroturbinen. E-Quad übernimmt nicht nur den Verkauf, sondern startet bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und übernimmt die Anlagenprojektierung und -planung inklusive der kundenspezifischen Auslegung der Peripherie wie Schalt- und Steuerschränke mitsamt Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik, Wärmetauscher sowie Gasregelstrecken und -verdichter. Wartung und Service gehören auch zum Portfolio.

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