Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Modellfabrik richtet sich unter dem Motto „Digitalisierung erlebbar machen“ insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen, die IoT-Lösungen einführen möchten. Die produktionsnahe Testumgebung soll dem Mittelstand den Einstieg in die digitalisierte Fertigung erleichtern.
Die Anlage besitzt eine Hauptlinie, bestehend aus robotergestützten Montage- und Beladezellen, sowie separate Arbeitsplätze für manuelle Arbeiten, CNC-Fertigung und additive Verfahren. Hinzu kommt ein Hochregallager, eine Cobot-Station und eine Vielzahl von technischen Modulen um typische Anwendungsfälle wie Drucken, Prüfen oder Pressen nachzubilden. Die einzelnen Module werden von autonomen Transportfahrzeugen angefahren. Ergänzt wird die Umgebung durch typische Industrie-4.0-Systeme zur Datenerfassung und Verarbeitung. So wird an verschiedenen Stellen in der Anlage der Energiebedarf gemessen und in Beziehung zu den Anlagen und den produzierten Produkten gesetzt. Mit unterschiedlichen Real Time Location Services lassen sich die Positionen von beweglichen Objekten im Raum ermitteln und diese in ihrer Bewegung verfolgen.
Daten werden im Datensee gespeichert
Unterschiedliche Sensorsysteme auf RFID-Basis und anderen funkbasierten Technologien ermöglichen die Erfassung von Messwerten an unterschiedlichen Stellen. Im Testbed kommen speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) von unterschiedlichen Herstellern zum Einsatz. Alle sind mit einem OPC-UA-Server ausgestattet. Über diese Schnittstellen werden die Daten aus der Steuerung kontinuierlich erfasst und in einem sogenannten Data-Lake gespeichert.
Basierend auf diesen Daten werden unterschiedliche Demonstratoren realisiert. „Daten sind in der Regel immateriell und schwer greifbar. Daher entstand bei meinen Mitarbeitern und mir die Idee, eine Anlage zu schaffen, mit der sich der Ursprung der Daten zeigen lässt und mit der wir und unsere Partner in Forschung und Entwicklung reale Maschinen- und Anlagendaten nutzen können“, erläutert Prof. Dirk Reichelt von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden die Beweggründe zum Bau der Modellfabrik.
Umsysteme ermöglichen Prototyping
Eines der Alleinstellungsmerkmale der Dresdner Modellfabrik ist die Betrachtung von Prozessinnovationen für die Digitalisierung in der Fertigung aus einem 360°-Blick. Auf technischer Ebene bedeutet dies, dass die Wissenschaftler einen durchgängigen Materialfluss vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Warenausgang mit allen dafür notwendigen Systemen abbilden können. Die einzelnen Prozessschritte werden jeweils durch geeignete Digitalisierungslösungen für einen automatischen Materialtransport, die Materialverfolgung, die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und die Vernetzung von Material, Werkzeug und Maschine unterstützt.
„Die ergänzenden Umsysteme (Sensorik, Energiemessung und Lokalisierung) erlauben ein einfaches Prototyping“, sagt Reichelt. Weiterhin sei die Anlage als wandelbare Smart Factory konzipiert und könne schnell auf unterschiedliche Szenarien angepasst werden. So wurde bereits im Aufbau großer Wert auf die Erweiterbarkeit gelegt. „Auf der organisatorischen Ebene bündeln wir in dem Testbed die Forschung der HTW Dresden auf dem Gebiet Industrie 4.0. Damit bieten wir unseren Projektpartnern die einmalige Möglichkeit, eine umfassende Expertise in allen wesentlichen Bereichen (Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik und Wirtschaftswissenschaften) anbieten zu können“, fasst Reichelt die Bandbreite der Industrie-4.0-Modellfabrik zusammen. Derzeit arbeitet die Hochschule mit T-Systems Multimedia Solutions, Pepperl+Fuchs, Robotron Datenbank-Software, Essel Deutschland, Sick, SQL Projekt, Dualis IT Solution sowie Camline Dresden zusammen.
Die Zusammenarbeit der HTW mit Unternehmen und anderen FuE-Einrichtungen erfolgt in unterschiedlichen Projekten und Formaten. Dies reicht von Workshops für die Erarbeitung von Industrie-4.0-Potenzialen in der Fertigung über die Zusammenarbeit in FuE-Projekten bis hin zur Realisierung von konkreten Demonstratoren in der Modellfabrik.
Seit mehr als drei Jahren existiert zudem eine Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS. „Gemeinsam realisieren wir in der Modellfabrik Lösungen für die draht- und batterielose Erfassung von Sensorwerten in industriellen Umgebungen“, so Reichelt. In der Zusammenarbeit mit den IT-Unternehmen T-Systems Multimedia Solutions und Robotron Datenbank-Software konnte das Team eine Reihe von neuen Demonstratoren für die vernetzte, intelligente Fertigung unter Nutzung von Cloud-Lösungen aufbauen. In Zusammenarbeit mit Pepperl+Fuchs entstanden in den letzten Monaten überdies einige Demonstratoren für typische Cyber-Physical-Production-Systems.
Vorbereitung auf den Markt
Die Modellfabrik in Dresden gehört zu den größten ihrer Art in Deutschland. Nach Projektabschluss werden die in den FuE-Projekten gewonnenen Erkenntnisse von den Unternehmen in der Regel für den Serieneinsatz weiterentwickelt. „Unsere Partner profitieren dabei von kurzen Feedbackzyklen in der Projektphase, da neue Konzepte frühzeitig mit etablierten Industriekomponenten verprobt werden können“, beschreibt Reichelt den Vorteil der Modellfabrik für die Unternehmen.