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Klebstoffsuchmaschine im Streit der Meinungen

Substratec.com bietet Hilfe bei der Vorauswahl
Klebstoffsuchmaschine – ein neues Tool im Meinungsstreit

Die Suche nach dem richtigen Klebstoff kann sehr beschwerlich sein. Manchmal weiß der Ingenieur nur, dass es etwas geben muss – doch wo? Die Suchmaschine Substratec bietet hier Abhilfe durch schnelle Sortierung, durch Auswahl und vieles mehr. In der Branche genießt sie Zuspruch, sieht sich aber auch Skepsis und heftiger Kritik ausgesetzt.

Hertha-Margarethe Kerz
Freie Fachjournalistin in Hamburg

Moderne Werkstoffe und Werkstoffkombinationen wären ohne Klebstoffe vielfach nicht einsetzbar. Häufig existieren Anforderungen, die anders nicht zu erfüllen sind. Doch leider gibt es nicht den einen Klebstoff, der allen Anforderungen gerecht wird. Und so sind Klebstoffe so vielfältig wie ihre Anwendungsanforderungen.

Um einen ersten Überblick zu erhalten, können Nutzer auf www.substratec.com nun mit der „ersten unabhängigen Klebstoffsuchmaschine“ überprüfen, welche Klebungen für ihre Anforderung infrage kommen. Das Tool verspricht Zeitgewinn durch schnelle und qualifizierte Klebstoffselektion, durch algorithmische Bewertung und Sortierung der Alternativen, durch ein Download-Angebot der aktuellsten technischen Datenblätter und vieles mehr. „Die Idee und Voraussetzung von substratec.com ist, dass der Nutzer bei jeder Verklebung Kenntnis von seinen Werkstoffen und Substraten hat. Darauf ist der Suchmechanismus aufgebaut“, erklärt Diplom-Betriebswirt Andreas Reisenzahn, Gründer und Entwickler der Suchmaschine.

Der Nutzer gibt seine Substratgruppen in die Suchmaske ein mit der Möglichkeit der Untergruppenspezifikation. Die Substratauswahl beschränkt sich dabei auf Basiswerkstoffe. „Substratec.com ist eine erste technische Hilfestellung im komplizierten Prozess der Vorauswahl von Klebstoffsystemen“, erklärt Reisenzahn. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Auswahlfilter zu spezialisieren und werden fortlaufend weitere Werkstofftypen mit ihren speziellen Ausprägungen implementieren. Die Auswahltiefe der Substrat-Alternativen ist ein dynamisches Gebilde und stetigen Veränderungen unterworfen – man denke nur an die Entwicklungen bei Composites.“

Ein Algorithmus listet die gefundenen Klebstoffe nach Substraten

Nach dem Start findet sich der Nutzer auf einer Ergebnisseite, die ihm erste mögliche Klebstoffanbieter und Klebstoffe vorschlägt. Ein spezieller Algorithmus ermittelt die höchstwahrscheinlich in Frage kommenden Klebstoffe und präsentiert sie nach Substratkompatibilität in absteigender Rangfolge.

Die Grundinformationen stammen von den Anbietern. „Wir als Hersteller haben einen umfangreichen Fragenkatalog zu unseren Klebstoffen erhalten“, erläutert Christian Kicherer, Produktmarketingmanager bei Rampf Polymer Solutions. „Unter anderem haben wir angegeben, ‚dieser Klebstoff haftet gut auf‘, oder ‚haftet weniger gut auf‘ oder ‚haftet gar nicht auf‘ den jeweiligen Substraten, wie beispielsweise Metall oder Glas.“ Je genauer die Firmen ihre Fragebögen ausfüllen, desto exakter arbeitet der Suchalgorithmus.

Ein Navigator detailliert die Ergebnisse und zeigt immer passendere Resultate. Je sorgfältiger der Nutzer bei der Eingabe arbeitet, desto sicherer das Ergebnis. „Wir haben einen speziellen Algorithmus zu den einzelnen Filterkriterien hinterlegt“, so Reisenzahn. „Sind vom User aufgeführte Suchkriterien mit den technischen Spezifikationen eines Klebstofftyps vollständig oder teilweise identisch, werden diese entsprechend berücksichtigt, bewertet und in einem Ergebnisblock mit anderen relevanten Fügetechnologien in einem Echtzeitranking zusammengeführt.“

Kein bezahltes Ranking bei den Suchergebnissen

Wichtig ist Reisenzahn dabei, auf die Unabhängigkeit der Suchergebnisse hinzuweisen. „Es gibt kein bezahltes Ranking. Es zählen einzig die Fakten der technischen Daten.“ Ab Ende 2018 kann der Anwender seine Suchkriterien nach ihrer Wichtigkeit auflisten. „Die sinnvolle Skalierbarkeit und Vergleichbarkeit der Daten ist dabei ein wesentlicher Bestandteil unserer Dienstleistung“, betont Reisenzahn.

Nach der Werkstoffauswahl kommt der Anwender in den Filterbereich für weitere klebtechnische Anforderungen, während und nach dem Verklebungsprozess. Dabei bezieht sich das erste Auswahlfenster auf den gesuchten Klebstoff allgemein und das zweite auf die Klebstoffverarbeitung. Die Wahlmöglichkeiten sind allerdings noch nicht sehr hoch. „Einen Anspruch auf Vollständigkeit aller existierenden technischen Parameter bei der Suchanfrage erheben wir nicht“, schränkt Reisenzahn ein. Aber „wir wachsen mit den an uns gestellten Anforderungen aus der Industrie ebenso wie durch den intensiven Austausch mit Herstellern, Lieferanten, Nutzern und werden besser und profilierter mit jedem neuen Partner.“ Dennoch möchte er herausstellen, dass mit einer derzeitigen Parameterdichte von knapp 20 Auswahlkriterien „eine Projektanforderung abgebildet werden kann“. Ein Großteil der Anwender nutze erfahrungsgemäß drei bis sechs Filterstufen.

Durch die Eingabe weiterer Klebanforderungsparameter spezifiziert der Nutzer seine Suche. Beispielsweise sind beim Einsatz von Klebstoffen oft unterschiedliche gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. „Im Auswahlbereich drei – Klebstoffperformance nach Aushärtung – wird auch die Abfrage nach ‚Zertifikaten und Zulassungen‘ angeboten“, so Reisenzahn. „Ein Bereich, der mit Zunahme unserer gelisteten Hersteller dann wesentlich stärker bedient wird. Denn gerade in der Verklebungstechnologie ist es unerlässlich, entsprechende Normen, Prüfberichte, und Freigaben zu kommunizieren.“

Ein zentrales Kriterium der Klebstoffwahl sind Untergründe. Sie haben verschiedene Ausprägungen und werden später unterschiedlich belastet. „Das Thema Untergrundevaluierung und -vorbereitung, sowohl mechanisch als auch chemisch, ist wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Verklebung“, stimmt Reisenzahn zu. „Nähere Informationen finden unsere User auf den jeweiligen technischen Datenblättern der Hersteller. Auch substratec.com wird mittelfristig auf die typischen mechanischen Vorbereitungsszenarien der einzelnen Substrattypen eingehen.“ Entsprechend sei ein Cross-Linking der Primer-Alternativen zu den jeweiligen Klebstoffprodukten geplant. Diese Datenbank befinde sich im Aufbau. Umgebungsparameter wird sie aufgrund der Vielfalt allerdings nicht abbilden können. Dies wird damit Aufgabe der fachtechnischen Projektdetailplanung sein.

Substratec macht Angaben über spezielles Know-how der Anbieter

Neben den genannten Datenblättern werden Informationen über den Hersteller, seine Klebstoffkompetenz, Anwendungsstärken und die von ihm hergestellten alternativen Klebstoffe bereitgestellt. Passt der vorgeschlagene Klebstoff, kann der Nutzer über ein Formular unverbindlich mit dem Anbieter Kontakt aufnehmen.

Aktuell steht eine Anbieterliste von gut 30 Klebstoffherstellern und -lieferanten und ihren Produkten detailliert bereit. 17 weitere werden genannt. „Wir stehen erst am Anfang, freuen uns aber, dass wir bereits heute namhafte Partner gewinnen konnten“, berichtet Reisenzahn stolz. Natürlich sei es nicht einfach, eine neue Idee – und dann noch aus der Onlinewelt – in einer eher konservativen Branche zu installieren. Die ersten Reaktionen im letzten Jahr seien auch nicht nur positiv gewesen. „Eine gewisse Zurückhaltung haben wir einkalkuliert und ist für uns aber auch Antrieb, weiter voranzuschreiten. Wir sind mit vielen Unternehmen im intensiven Austausch. Wir zählen auf eine breite Unterstützung in der Branche, damit substratec.com für alle kompetenten Marktakteure von Nutzen sein kann. Das Feedback gibt uns recht. Die Akzeptanz und Unterstützung vonseiten der Industrie ist deutlich zu spüren.“

Klebstoffsuchmaschine sorgt für Wirbel in der Branche

Tatsächlich sorgt die Suchmaschine in der Klebstoffcommunity für viel Wirbel. Während die einen die Suchmaschine als Spielerei abtun, poltern andere „Scharlatanerie, lehne ich komplett ab“, so Professor Dr. Andreas Groß vom Fraunhofer Institut Ifam.

Dr. Hartwig Lohse ist Eigentümer der Klebtechnik Dr. Hartwig Lohse e. K. Er bemängelt vor allem, dass nicht durchschaubar sei, nach welchen Kriterien die Firmen vorgeschlagen würden. Bei einer Reihe unterschiedlicher Suchen seien ihm dieselben Firmen aufgelistet worden, obwohl seiner Meinung nach andere dort gelistete Unternehmen für die gesuchte Anwendungslösung viel effektivere Klebstoffe vorhalten würden.

Insgesamt führen die Kritiker vor allem ins Feld, dass Klebstoffe enorm komplex und beratungsintensiv seien. Zu viele Faktoren wären bei der Auswahl zu berücksichtigt, als dass ein Algorithmus in der Lage sei, diese Komplexität zu durchdringen. Der Tenor: Klebstoffe sind kundenspezifisch auf bestimmte Anforderungen abgestimmt und das kann eine Suchmaschine nicht abbilden. „Dieser Hinweis ist absolut berechtigt“, bestätigt Reisenzahn. „Wir können natürlich nicht alle möglichen technischen Parameter sowie Umwelteinflüsse innerhalb eines Verklebungsprozesses abbilden. Das würde eine Bedienbarkeit unserer Findungsmechanismen unmöglich machen.“

Das System ‚Kleben & Fügen‘ sei immer kundenspezifisch und bedürfe in seiner Komplexität immer fachlicher und zum Teil auch wissenschaftlicher Unterstützung, betont Reisenzahn. Substratec.com könne jedoch genau spezifizierte technische Daten abrufen und entsprechend evaluieren. „Diese Auswahlkriterien können für Klebstoffeigenschaften vor, während und nach der Verklebung gesetzt werden. Hier gehen wir immer mehr ins Detail.“

Industrieverband Klebstoffe hält sich raus und bleibt neutral

Unter Klebstoffherstellern und -anbietern gehen die Meinungen weit auseinander. Hier gibt es Ablehnung aus oben genannten Gründen, aber auch Zustimmung. Und während einige Firmen innerhalb ihrer Geschäftsleitungen noch über einen Auftritt auf der Plattform diskutieren, haben andere namhafte Klebstoffhersteller und -anbieter gleich mit beiden Händen zugegriffen. „Für uns war das damals spannend, denn mit unserem Klebstoffportfolio sind wir noch nicht so lange am Markt präsent“, erklärt Christian Kicherer von Rampf Polymer Solutions – faktisch stellvertretend für die Pro-Fraktion. „Wir testen gerne mal neue Wege, um unsere Klebstoffanwendungen und Klebstoffe zu promoten. So sind wir auf Substratec gestoßen. Für uns ist es positiv, dass unsere Onlinesichtbarkeit erhöht wird, dass wir Texte auf die Seite setzen können, dass die Substratec-Seite recht gut besucht ist und dass wir Backlinks auf unsere eigene Seite bekommen.“

Der Industrieverband Klebstoffe e. V. – IVK verhält sich neutral: „Da einige unserer Mitgliedsunternehmen mit ihrem Klebstoffprogramm in der Suchmaschine zu finden sind und es sich hier um ein kommerzielles Angebot handelt, bitten wir um Verständnis, dass wir uns als Industrieverband wettbewerbsneutral verhalten und die Suchmaschine nicht weiter kommentieren.“

Ein umfangreiches Serviceangebot macht dem Anwender eine Entscheidung für substratec.com schmackhaft. Registriert sich der Nutzer, erweitert sich dieses Angebot noch einmal. Substratec ist für Anwender kostenlos. Auf der Plattform findet sich keine Werbung, und auch die Registrierung ist für Fachleute kostenfrei.

„An der fast dreijährigen Entwicklungszeit und hohen Entwicklungskosten können Sie erkennen, dass wir uns mit dem System Kleben intensiv auseinandergesetzt haben“, wirbt Reisenzahn für die Konzeption. „Um die Plattform inhaltlich, technisch und datenschutzrechtlich auf dem aktuellsten Stand zu halten, werden wir auch weiterhin in unsere Technologie investieren.“

Fortwährende Investitionen sind geplant

Ohne monetäre Mittel seien Maßnahmen zur Erhöhung der Reichweite, die den Partnern direkt zugute kommt, nicht umzusetzen. „Online heißt nicht kostenlos“, macht Reisenzahn klar. „Substratec.com ist eine B2B-Plattform und herstellerfinanziert. Wir treten mit Herstellern und Lieferanten in direkten Kontakt und erstellen ein individuelles Angebot. Die Kosten sind variabel, da jede neue Mitgliedschaft einfachen bis sehr komplexen Anforderungen unterliegt.“ Eine einheitliche Bepreisung lasse sich daher nicht realisieren.

Interessant ist die Kooperation mit der Plattform www.klebstoffloesungen.de von Adhesive Solutions. Das Unternehmen schult in Klebstofftechnologien und ihren Anwendungen. Es bietet Beratung in allen Klebstofffragen an, bei der Klebstoff-Auswahl, der Automatisierung von Klebeprozessen und bei der Optimierung der Prozesse – zum Beispiel durch Anpassen von Klebstoffmengen in der Verarbeitung.

In Deutschland braucht es viel Mut, gegen starke Widerstände etwas Neues auszuprobieren. Es ist abzuwarten, ob Interessenten genügend Geduld aufbringen, das Angebot zu begleiten. Im Internet existieren, neben den bekannten Laiensuchmaschinen wie Google und Co, über 2000 Spezialsuchmaschinen, von denen viele qualitativ hochwertig arbeiten. Sie alle nutzen speziell abgestimmte Algorithmen, die sich in der Anwendung beweisen müssen und laufend angepasst werden. Man darf gespannt sein, ob und wie sich die Klebstoffsuchmaschine Substratec in die Reihe erfolgreicher Spezialisten einreihen können wird.

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