Nur wenige Monate war es her, dass die Fraunhofer-Gesellschaft im Dezember 2018 ihr Exzellenz-Cluster „Circular Plastics Economy“ (CCPE) gründete. Und bereits auf der Leitmesse K 2019 im Oktober konnten die fünf beteiligten Fraunhofer-Institute IAP, ICT, IML, LBF und Umsicht richtungsweisende Ergebnisse vorweisen – gerade mal ein Dreivierteljahr später. Das zeigt, dass die Forschung nicht unvorbereitet war. In der Vergangenheit gab es schon viele Projekte für mehr Nachhaltigkeit und zur Schonung von Umwelt und Ressourcen. Nur haben sie nicht die nötige Aufmerksamkeit genossen. Aber dies ändert sich. Aus heutiger Sicht kann es beruhigen: Es gibt Wege für die Industriegesellschaft, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft auch für Kunststoffe aufzubauen – auch wenn das Ziel noch in der Ferne liegt. Doch es ist heute unumstritten.
„Wir wollen die Kunststoffwirtschaft neu aufstellen“, sagt Prof. Eckhard Weidner, Leiter des Fraunhofer Umsicht und des Fraunhofer-Clusters. Das CCPE, zu dem inzwischen noch das Fraunhofer IVV als Verpackungsspezialist hinzugestoßen ist, will erforschen, wie sich die gesamte Wertschöpfungskette Kunststoff in eine Circular Economy transformieren lässt – und dabei die Industrie begleiten.
10 % aller Kunststoffe gehen in Europa ins Fahrzeug
350 Mio. t Kunststoff wurden 2017 weltweit produziert, rund 65 Mio. t davon in Europa, teilt das Fraunhofer Umsicht mit. In Europa stellt die Verpackungsindustrie den größten Einsatzbereich für Kunststoffe dar (40 %), gefolgt von der Baubranche (20 %), dem Fahrzeugbau (10 %) und der Elektronikindustrie (6 %). Verpackungen liegen also vorne, doch auch technische Anwendungen nehmen immense Mengen Kunststoff auf. Dies gilt zunehmend für Automobile, in denen „plastics“ eine zentrale Rolle für den Leichtbau spielen – und damit für verringerte CO2-Emissionen.
Auf der K-Messe zeigte das Fraunhofer-Cluster erstmals Flagge und stellte umweltverträgliche Lösungen auch im Hightech-Bereich vor. So zeigte das ICT am Beispiel einer hochsteifen Sitzschale fürs Auto, dass auch Faserverbund-Bauteile nachhaltig und kreislauffähig sein können. Der Demonstrator bestand aus einem selbstverstärkten Polylactid (PLA) als Verbundwerkstoff, der im Rahmen des Projektes „Bio4self“ entwickelt wurde.
Selbstverstärkter Bio-Faserverbund
Das Material ist relativ günstig herzustellen. PLA basiert auf Milchsäuren, Abfällen aus der Landwirtschaft oder eigens angebauten Rohstoffen wie Zuckerrohr. Damit ist es ein vollständig biobasierter Thermoplast und kann sogar biologisch abgebaut werden.
Da sich das PLA selbst verstärkt, ist das Faserverbund-Bauteil sortenrein und lässt sich leicht recyceln. „Wir nutzen ein niedrigschmelzendes und für die Fasern ein hochschmelzendes, verwobenes PLA“, erklärt Projektleiter Kevin Moser das Herstellprinzip. „Beides schmelzen wir auf und lassen das hochschmelzende PLA überleben.“
Hochwertiges Carbon aus Cellulose
Um Leichtbau geht es auch beim IAP. Die Forscher aus Potsdam-Golm haben biobasierte Carbonfasern hergestellt, die auf nachwachsenden Rohstoffen wie Cellulose, Lignin oder Hemicellulose basieren. Die mechanischen Eigenschaften reichen teilweise sogar an die ihrer erdölbasierten Pendants heran. „Dafür haben wir einen speziellen Ultrahochtemperaturofen anfertigen lassen, in dem die biobasierten Carbonfasern zusätzlich für wenige Sekunden bei Temperaturen zwischen 2700 und 2900 Grad Celsius thermisch nachbehandelt werden“, erklärt Dr. Jens Erdmann, Faserspezialist am Fraunhofer IAP.
Sogar die Herstellkosten sinken deutlich. Industriepartner sind beteiligt und die Arbeiten sind weit fortgeschritten. „Ich würde mich sehr wundern, wenn die Entwicklung nicht weiterginge. Es liegt sehr viel Potenzial in ihr“, so Erdmann. „Wir forschen unter anderem mit Partnern an praktischen und ökonomischen Lösungen.“
Eine riesige Herausforderung sind Kunststoffabfälle wie etwa Verpackungsfolien. Mit der Easicomp GmbH entwickelt das Fraunhofer LBF eine Lösung, um hochwertige Werkstoffe aus kurzlebigen Kunststoffabfällen zu gewinnen. Sie sollen dann Verwendung in langlebigen Anwendungen wie in automobilen Leichtbau-Teilen finden. Im Forschungsprojekt „UpcyclePET“ arbeiten die Wissenschaftler daran, die aus gebrauchten PET-Getränkeflaschen gewonnenen Flakes so aufzuwerten, dass sie den technischen Kunststoff PA6 mit seinem deutlich höheren CO2-Fußabdruck ersetzen können.
Vom Holzabfall zum Polyamid
Die Bemühungen der Fraunhofer-Wissenschaftler um eine Transformation hin zu einer Circular Plastics Economy sind nicht auf die im CCPE organisierten Institute beschränkt. Vom Holzabfall zum Hochleistungskunststoff – so könnte das Motto eines Vorhabens des Fraunhofer IGB heißen.
Auch hier geht es um Bio-Polyamide. Die Forscher am Standort Stuttgart entwickeln sie aus Terpen 3-Caren – einem Reststoff, der in der Zellstoffherstellung anfällt. Bislang wird er meist verbrannt. In dem jüngst patentierten, katalytischen Prozess entstehen daraus Bausteine für die Bio-Kunststoffe Caramid-R und Caramid-S – einer neuen Polyamidklasse. Die Herstellung des Monomers für Caramid-S wurde kürzlich im 100-Liter-Maßstab pilotiert. (os)