„Lasst uns versuchen, das chemische Wissen in den Computer zu bekommen.“ So umschrieb Dr. Markus Eckert, Chef des Bereiches Urethane Systems, den neuen Ansatz auf der Messe in Düsseldorf. Jörg Hellwig, Leiter der Digitalisierungsinitiative und „Chief Digital Officer“, setzte nach: „Das Team entdeckt die Möglichkeiten des Digitalen und will nicht mehr darauf verzichten. Zum Arbeiten nur mit ‚Trial and Error‘ will keiner mehr zurück.“
Die beiden Manager ließen durchklingen, dass der Einsatz von KI für den Spezialchemie-Konzern einem Kulturwandel gleicht, der mit Diskussionen verbunden war. Noch mehr klang dies bei den mitgereisten Lanxess-Experten durch. „KI ist keine Magie“, sagte einer der Materialdesigner. „Es ist ein neues Tool, bei dem die Chemie hinterher ist. Die Zeit auf unserem Planeten wird knapper, die nötigen Formulierungen zu entwickeln – und KI hilft uns dabei.“ Ein anderer: „Wir haben eine riesige Datenbasis an Chemie-Wissen. Mit KI können wir diesen Datenschatz heben, der bisher eher den Rang von Abfall hatte.“
Digitalisierungsinitiative startete 2017 mit 50 Mitarbeitern
Das Projekt bettet sich ein in die Digitalisierungsoffensive für die gesamte Wertschöpfungskette, für die Lanxess im März 2017 ein Team von 50 Mitarbeitern etabliert hat. Unter der Leitung von CDO Jörg Hellwig soll die junge Abteilung die digitale Transformation bis hinein in Produktion, Vertrieb und Logistik vorantreiben.
Für die KI-gestützte Rezepturentwicklung arbeitet Lanxess mit dem Werkstoff-KI-Spezialisten Citrine Informatics zusammen. Citrine wurde vom Weltwirtschaftsforum als „Tech Pioneer 2017“ ausgezeichnet. „Damit wollen wir auch kundenorientierter werden“, machte Hellwig klar. „Bisher haben wir sehr produktionsbezogen entwickelt. In Zukunft nutzen wir die digitalen Möglichkeiten, um genau das zu entwickeln, was der Kunde braucht und von uns verlangt.“
Einstiegserfahrungen gibt es bereits. Der Konzern nutzt KI in einem Pilotprojekt mit Citrine Informatics, um Glasfasern zu optimieren und so die Eigenschaften von Hochleistungs-Kunststoffen weiter zu verbessern. KI soll die Entwicklungszeit für Rezepturen auf weniger als die Hälfte reduzieren.
In der ersten Phase des neuen Projekts hat Lanxess die Datenbasis für Präpolymer-basierte Rezepturen verbreitert: Prozessexperten ergänzten die Datenbank über die KI-Plattform von Citrine mit Informationen. Ein auf Chemie ausgelegter Algorithmus greift auf die bestehenden Messdaten zurück, verknüpft sie mit dem Wissen der Fachleute und errechnet weitere Werte.
KI schafft Zugang zu bisher unbekannten Rezepturen
Im nächsten Schritt prüfen die Daten- und Prozessexperten, wie verlässlich sich optimale Rezepturen mit KI vorhersagen lassen. Bisher sind Chemiker im Wesentlichen auf ihr Fachwissen und Erfahrung angewiesen, wenn sie Produkteigenschaften wie Härte, Reißfestigkeit oder Viskosität definiert realisieren wollen. „KI-gestütztes Rezepturdesign soll unser Rezepturwissen ergänzen: Um Systeme, die wir noch nicht im Sortiment haben, von denen wir durch KI aber in kürzester Zeit erfahren, ob und wie wir sie herstellen können“, sagt Bereichsleiter Markus Eckert. (os)
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