Die Anforderungen an die Fügetechnik steigen. Die von der EU forcierte Kreislaufwirtschaft verlangt, dass auch High-Tech-Produkte wie Handys sauber in ihre Ausgangsmaterialien zerlegt werden können. Dafür müssen Klebeverbindungen gelöst werden. Dies macht der am KIT entwickelte thermolabile und reversible neue Kleber möglich, teilt das Forschungszentrum mit – eine Erfindung, die Ressourcen schont. Ziel sei es nicht nur, Abfälle weiter zu reduzieren, sondern auch Produkte herzustellen, die reparierbar, weiterverwendbar und recyclingfähig sind. Zum Beispiel bei Elektrogeräten sinkt zudem die Lebensdauer. Ein Smartphone wird heute nach ein bis zwei Jahren ausgemustert. Es fachgerecht und ohne Rückstände zu recyceln, bleibt jedoch eine Herausforderung.
„Die Bauteile vieler Produkte aus dem alltäglichen Leben werden in der Regel an bestimmten Stellen verklebt“, erklärt Professor Christopher Barner-Kowollik, Leiter der Arbeitsgruppe Makromolekulare Architekturen am Institut für Technische Chemie und Polychemie (ICTP) des KIT. Das Kleben ersetzt zunehmend das Schweißen, Nieten oder Verschrauben, weil Klebstoffe das Gesamtgewicht reduzieren und zusätzliche Funktionen wie Isolierung oder Dämpfung erfüllen. Der Nachteil: Sind sie einmal ausgehärtet, lassen sich die Verbindungen höchstens unter großem Zeit- oder Energieaufwand wieder lösen. Wird ein geklebtes Produkt zu Reparaturzwecken oder für das Recycling zerlegt, endet dies oft in der Beschädigung oder Zerstörung einzelner Komponenten.
Der neue thermolabile Klebstoff, den Barner-Kowollik und sein Forschungsteam am KIT entwickelt haben, kann dieses Problem lösen, wie die Karlsruher erklären: Er ist bei Raumtemperatur stabil, lässt sich aber auf den Punkt genau, schnell und schon bei vergleichsweise geringen Temperaturen wieder abbauen. Ist der Prozess beendet, wird dies unmittelbar sichtbar, weil sich die Stelle einfärbt.
Entkleben durch gezieltes Erhitzen
Für dieses „Debonding on demand“ (DoD) sind Sollbruchstellen in das Netz langkettiger Polymermoleküle eingebaut, aus dem ein Klebstoff besteht. An diesen Stellen öffnen sich schon bei mäßigen Temperaturen unter 100 °C die chemischen Verbindungen und der Klebstoff löst sich wieder auf. Seine Zusammensetzung und die genaue für das Ablösen notwendige Temperatur können der individuellen Anwendung angepasst werden. „Diese beiden Stellschrauben bewegen wir, indem wir die Moleküle modifizieren“, sagt Barner-Kowollik.
Für den cleveren Klebstoff, den die Experten ursprünglich für die Dentaltechnik entwickelt haben, um verklebte Kronen oder Klammern schonend wieder auszubauen, haben sich mittlerweile vielfältige Anwendungsfelder geöffnet. Neben dem Elektronikbereich sind Einsätze in der Produktion denkbar, etwa um Werkstoffe vorübergehend auf einer Werkbank zu fixieren, oder auch auf Baustellen, um etwa Dübel wieder zu entfernen. Der thermolabile Klebstoff ist patentiert und soll jetzt in Kooperation mit Partnern aus verschiedenen Industriebereichen weiterentwickelt werden. (os)