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Endlich Ruhe an den Montagelinien

ZF Friedrichshafen verbannt Frontstapler und setzt auf Routenzüge
Endlich Ruhe an den Montagelinien

Die auf aktive Fahrwerksysteme spezialisierte Geschäftseinheit der ZF Friedrichshafen AG in Schweinfurt hat die Produktionslogistik auf ein Routenzug-System umgestellt und damit die Kosten für die Materialversorgung um 70 000 Euro pro Jahr gesenkt. Garant des Erfolgs war der Transportgeräte-Hersteller LKE, der seine Standard-Elemente für diesen speziellen Anwendungsfall modifizierte.

Hochleistungsfahrwerke sind das Markenzeichen des Traditionsunternehmens Sachs, das seit 2001 den Unternehmensbereich „Antriebs- und Fahrwerkkomponenten“ innerhalb des Technologiekonzerns ZF Friedrichshafen bildet. Die Produkte aus Schweinfurt bekommen von den Autobauern regelmäßig die Bestnote. Nach dem Vorbild des japanischen Autokonzerns Toyota hat das Unternehmen bereits vor zehn Jahren in allen Geschäftsbereichen das so genannte Production Excellence Program (PEP) eingeführt. Dies ist unter anderem auf Standardisierung, Mitarbeiter- und Teamorientierung, Innovationskraft und eine kontinuierliche Optimierung der Durchlaufzeiten ausgelegt. Mit der Umsetzung des globalen Produktionssystems und der schrittweisen Umstellung der Produktionsversorgung in den einzelnen Geschäftsbereichen auf moderne Routenzug-Systeme erzielt die ZF-Gruppe beachtliche Erfolge. In einigen Fällen ist dieser auch auf die Erfahrung des westfälischen Transportgeräte-Herstellers LKE Group zurückzuführen.

Jüngstes Beispiel ist der ZF-Geschäftsbereich „Aktive Fahrwerksysteme“. Dort hatten die Verantwortlichen Mitte 2011 beschlossen, den Staplerverkehr weitestgehend aus der Produktionslinie zu eliminieren. „Wir hatten in den schmalen Gängen unserer Produktionshalle in den vergangenen Jahren mit einem immensen Verkehrsaufkommen zu kämpfen“, sagt Helmut Hösel, der in der Geschäftseinheit „Aktive Fahrwerksysteme“ für die Logistikplanung verantwortlich ist. „Wir wollten deshalb ein effektives Routenzugsystem für die Materialanlieferung implementieren. Zugmaschine und Anhänger sollten dabei für unsere Anforderungen möglichst passgenau sein.“
Dass der Aschaffenburger Staplerhersteller Linde Material Handling den Elektro-Deichselschlepper stellen sollte, war zu Beginn der Planungsphase hausintern bereits fest vorgegeben. „In der Auswahl des Lieferanten für die Anhängersysteme waren wir dagegen noch weitestgehend offen“, erzählt Hösel. Fixiert waren zu diesem Zeitpunkt lediglich die Rahmenparameter. So mussten die Routenzüge wegen der begrenzten räumlichen Verhältnisse extrem spurtreu sein und nicht mehr als zwei Anhänger umfassen. Natürlich mussten die mit den Transportgeräten eingesetzten Rahmenwagen mit den Abmessungen der ZF-spezifischen Stahlboxen von 1000 x 800 mm harmonieren. Die Be- und Entladung der Transportgeräte selbst sollte wegen des vorgegebenen Produktionslayouts von beiden Seiten möglich sein. Und zu guter Letzt musste jedes Transportgerät über zwei fest vorgegebene Rahmenwagen-Stellplätze verfügen.
Die Schweinfurter kontaktierten verschiedene Anbieter und konnten Routenzug-Anhänger im Einsatz erleben und selbst testen. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten des Herstellers LKE aus Marl in Westfalen. „Das Unternehmen zeigte sich flexibel und passte seine Rahmenwagen, die eigentlich für eine Größe von 600 x 400 mm konzipiert sind, auf unser vorgegebenes Maß an“, so Hösel. „Das hat uns überzeugt.“ Die Spezialisten aus Marl konnten aber noch weitere Pluspunkte sammeln, etwa bei der einfachen Bedienung oder der Spurtreue Systems, das in der Testphase zum Einsatz kam.
Drei bis vier Mal pro Stunde ziehen heute im Schnitt die in den Ausmaßen modifizierten Transportwagen aus der Cargo-Liner-Serie in der Produktionshalle ihre Runde. Im Dreischicht-Betrieb beläuft sich die Versorgungsfrequenz auf den sieben eingerichteten Linien somit auf 70 bis 80 Fahrten am Tag. „Im Vergleich mit der abgelösten Frontstaplerbelieferung kommen wir jetzt mit rund 170 Fahrten weniger aus“, sagt Hösel. „Unsere Kalkulation hat ergeben, dass die Kosten für die Materialversorgung um etwa 70 000 Euro pro Jahr gesunken sind.“ Das heißt im Klartext, dass sich das Milkrun-System bereits nach einem Jahr bezahlt gemacht hat.
Den Großteil der Ersparnis macht dabei die Materialanlieferung aus, die jetzt völlig anders funktioniert als beim alten System. Früher waren an den sechs Produktionslinien so genannte Materialhändler beschäftigt. Deren Auftrag war es, die Montageteile selbständig aus dem Lagerbereich zu holen. Das heutige Belieferungssystem kommt hingegen ganz ohne Materialhändler aus. Sobald der Routenzug entsprechend der von den Produktionslinien eingegangenen Materialorder voll beladen ist, setzt er sich vom Materialbahnhof aus zu den Haltestellen in Bewegung. Ein fester Fahrplantakt ist dabei nicht erforderlich. Dank eines zeitgleich eingeführten Bestelltafelsystems werden auch ohne fest vorgegebene Abfahrtszeiten alle Montagestationen zeitgerecht und mit einem entsprechenden Puffer bedient.
Dass die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter schon in den ersten Betriebstagen in Akzeptanz für das neue Routenzugsystem umschlug, liegt nach Ansicht des ZF-Logistikplaners auch an der Flexibilität der eingesetzten Transportgeräte. „Wir nehmen mit unseren drei Cargo-Linern neben den spezifischen Stahlboxen bei Bedarf auch gewöhnliche KLT-Kunststoffboxen mit“, sagt Hösel. Die KLT-Boxen lassen sich dabei sicher auf dem Dach der Cargo-Liner platzieren. Auch die zeitgerechte Anlieferung einer etwas niedriger gebauten Stahlkiste mit den ZF-Abmaßen, die nur gelegentlich benötigt wird, macht in der Logistikplanung keine Probleme. „Hier können wir über ein virtuelles Kupplungs- und Deichselsystem den Routenzugverbund durch einen zusätzlichen Plattformwagen ergänzen“, erklärt der Logistikplaner.
Anders als die Plattformwagen sind die Transportgeräte aus der Cargo-Liner-Serie ausschließlich für den Einsatz im Taxibetrieb konzipiert. Innerhalb des Produktionsbereichs bilden sie dabei eine fest miteinander verbundene Einheit. „Die Entladung erfolgt über einen Handhebel, der in der Mitte der Transportgeräte angebracht ist“, erklärt Julia Maaß, Key-Account-Managerin bei LKE. „Wird der Hebel vom Zugführer an der Haltestelle nach unten gedrückt, können die auf den Rahmenwagen platzierten Stahlboxen über die beiden stählernen Rampen direkt weiter zu der angesteuerten Entnahmestation geschoben werden.“ Wird der Handhebel in seine Ausgangsposition zurückversetzt, ergibt sich der gegenteilige Effekt: Die beiden Auffahrrampen klappen nach oben und die Rampen sind wieder fest verriegelt, wenn sich der Routenzug in Bewegung setzt.
Pro Fahrt sind immer nur zwei der drei regelmäßig eingesetzten Transportwagen unterwegs. Im zentralen Material-Supermarkt nutzen die Mitarbeiter derweil die Fahrzeit, um den Nachschub zu organisieren und beladen dazu vier Rahmenwagen neu. „Unser Konzept läuft wie am Schnürchen“, freut sich Logistikplaner Hösel. „Dabei konnten wir unsere Planung und zudem die Arbeitssicherheit deutlich verbessern. Und das frühere Problem mit den Bestandsdifferenzen gibt es auch nicht mehr.“
Karin Walter Fachjournalistin in Reutlingen- Degerschlacht

„Die Frontstapler waren eine permanente Gefahr für die Mitarbeiter“

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Nachgefragt

Herr Hösel, bei ZF wurde die Frontstapler-Belieferung durch ein Routenzugsystem ersetzt. Was ist eigentlich aus den alten Staplern geworden? Wird die Flurförderzeug-Flotte zum Teil noch genutzt, oder wurde sie komplett abgeschafft?
In dem Bereich, in dem wir das Routenzugsystem eingeführt haben, setzen wir heute keinen Frontstapler mehr ein. Die Fahrzeuge sind aber noch nicht in allen Geschäftsbereichen aus der Produktion verschwunden. Den bis vor kurzem bei uns eingesetzten Frontstapler wollen wir noch solange in einem anderen Bereich nutzen, bis auch dort die Planungen für einen Rundverkehr abgeschlossen sind. Wir wollen die Frontstapler sukzessive aus der Produktion verbannen und künftig nur noch in speziellen Logistikbereichen einsetzen.
Was war das entscheidende Argument für die Einführung eines Routenzugsystems?
Mit dieser Technik wurde eine wesentlich zuverlässige Belieferung möglich. Und gleichzeitig wurde auch die Fertigung für alle Beteiligten ruhiger. Bei der Entscheidung für das Routensystem spielte aber auch die Arbeitssicherheit eine wichtige Rolle. In der Vergangenheit hatten wir immer wieder Beinahe-Unfälle und auch tatsächliche Unfälle. Die pausenlosen Bewegungen der Frontstapler waren eine permanente Gefahr für die Mitarbeiter, das muss man einfach klar sehen.
Inwiefern lässt sich die Materialbelieferung mit dem Routenzug besser planen?
Im Gegensatz zu früher haben wir heute unsere sechs Montagelinien besser im Blick und können sie über ein Bestellsystem permanent und verlässlich beliefern. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Routenzugführer die Montagelinien heute selbständig beliefern kann. Das funktioniert mit Bestellkarten, die an jeder Linie in vorgesehene Bestelltafeln in der Montagereihenfolge eingesteckt werden.
Sie hatten früher Probleme mit Bestandsdifferenzen. Wie kamen die zustande?
Früher hatten wir an den sechs Montagelinien jeweils einen Materialhändler installiert. Deren Aufgabe war es, die Nachschubversorgung zu organisieren. Gleichzeitig waren die Materialhändler angehalten, in der Montage mitzuarbeiten. In hektischen Situationen führte diese Doppelbelastung manchmal zu fehlerhaften Ergebnissen. Hin und wieder kam es vor, dass das entnommene Material nicht von jedem Materialhändler ordnungsgemäß in eine Liste eingetragen wurde. Dies führte im Endeffekt dazu, dass die Entnahme der Teile später beim Umbuchen nicht berücksichtigt werden konnte. So erklären sich die früher aufgetretenen Bestandsdifferenzen.
Und jetzt ist das Problem gelöst?
Durch die Neuorganisation unserer Produktionslogistik haben wir einen geregelten Ablauf eingeführt. Der Routenzugführer muss nur noch den auf der Bestellkarte angebrachten Barcode scannen. Im Hintergrund wird dadurch ein automatischer Prozess gestartet, bei dem das Material vom Lager in die entsprechende Montagelinie mit der richtigen Menge gebucht wird. Zahlendreher, Falschbuchungen und Bestandsdifferenzen konnten wir aus unseren Betriebsabläufen somit wirkungsvoll eliminieren.

Zulieferer der Premiumklasse

ZF Friedrichshafen

ZF ist ein weltweit führender Technologiekonzern in der Antriebs- und Fahrwerktechnik mit 121 Produktionsgesellschaften in 26 Ländern. Der Konzern erzielte mit rund 75 000 Mitarbeitern im Jahr 2012 einen Umsatz von 17,4 Mrd. Euro. In der Liste der Automobilzulieferer rangiert ZF weltweit unter den Top Ten. Zum Portfolio gehören Getriebe, Lenkungen, Fahrwerkkomponenten und komplette Achssysteme. Im Jahr investiert der Konzern rund 5 % des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Im letzten Jahr lagen diese Aufwendungen bei 861 Mio. Euro. Auch bei den Investitionen geht der Konzern mit großen Schritten voran. Über eine Mrd. Euro wird ZF in den nächsten Jahren in den Ausbau seiner bestehenden und in den Aufbau neuer Werke investieren.

Komplettanbieter für Handling und Logistik

LKE Group

Die LKE Group mit Sitz im westfälischen Marl zählt zu den führenden Herstellern von Transportsystemen. Zu den Eckpfeilern des Unternehmens, das seit knapp 20 Jahren im Markt aktiv ist, gehören hohe Qualität, technische Innovationen, exzellenter Service und die Fokussierung auf den Kunden. Mit ihrem umfangreichen Spektrum an anspruchsvollen Transportlösungen aus Aluminium, Edelstahl und verzinktem Stahl zählt das Unternehmen zu den wenigen Komplettanbietern von Handling- und Logistik-Produkten. Die Spezialisten sind in den fünf Geschäftsbereichen Branchenlösungen, Intralogistik, Global Mail Logistik, Aviation und Hygiene Handling unterwegs. Bei LKE sind weltweit rund 350 Mitarbeiter beschäftigt. Die Unternehmensgruppe verfügt über eine eigene Entwicklungsabteilung und einen Musterbau, der individuelle Anforderungen in kurzer Zeit in praxisgerechte Serienprodukte umsetzen kann.
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