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Energie mit Rückfahrkarte

Einsparpotenziale: In der Intralogistik lässt sich viel Strom sparen
Energie mit Rückfahrkarte

Optimierte Verpackungen, neue Batterietechniken, Energierückgewinnung, weniger bewegte Massen. Für eine energieeffiziente Intralogistik gibt es jede Menge Ansätze. Alle sind gut, man muss sie nur umsetzen.

In den 90er-Jahren war es ein Flop: Das erste Serienfahrzeug mit Start-Stopp-Automatik fand in seiner fünfjährigen Bauzeit nur 2000 Abnehmer. Heute zählen die überlebenden Exemplare des VW Golf Ecomatic zu den Exoten. Und die damalige Idee, dass sich ein Motor bedarfsgerecht abschaltet, setzt sich langsam durch. Nicht nur auf der Straße, auch im Lager.

In der automatisierten Fördertechnik lassen sich zum Beispiel die Antriebe über Sensoren so genau ansteuern, dass sich beim Kommissionieren kein überflüssiges Rad mehr bewegt. Sobald die transportierte Ware einen bestimmten Abschnitt der Förderanlage verlässt, wird dies automatisch erkannt und der entsprechende Bereich bis zur Ankunft des nächsten Packstücks stillgelegt. „Moderne Steuerungstechnik schaltet alles ab, was nicht gebraucht wird“, stellt Christoph Hahn-Woernle fest. „Ältere Anlagen, die nicht über die notwendigen Sensoren verfügen, lassen sich nachrüsten“, so der Geschäftsführer der Viastore Systems GmbH in Stuttgart.
Auf der Steuerungsebene in automatisierten Anlagen lassen sich aber noch weitere Effekte hervorrufen. Regalbediengeräte (RBG) zum Beispiel haben den mit Abstand höchsten Verbrauch in der Anfahrphase. Einmal in Schwung gesetzt, sinkt der Energiebedarf auf ein Minimum. Je sanfter die Beschleunigung anläuft, desto geringer ist der gesamte Stromverbrauch. Das leuchtet zwar ein, wird in der Regel aber nur von jüngeren oder bereits modernisierten Anlagen berücksichtigt.
Hier liegt auch einer der Ansatzpunkte, mit denen die Regensburger Krusche Lagertechnik AG mit ihrer Transfaster-Technik ins Feld zieht. Diese lässt sich prinzipiell mit einem RBG vergleichen, hebt sich von diesem aber trotzdem deutlich ab. Hauptunterschied ist die Flurfreiheit des von oben angesteuerten Transfaster-Fahrzeugs. Ein Kranbauer würde von einer Katze sprechen, die auf Schienen verfährt, die auf den zu bedienenden Regalen aufliegt. Zudem ist das Teil über vier Seile mit einer vertikal verfahrbaren Hubplattform verbunden. Diese Plattform kann je nach Einsatzfall unterschiedliche Lastaufnahmemittel aufnehmen. Wie bei einem herkömmlichen RGB sind dadurch simultane Fahr- und Hubbewegungen möglich. Der Transfaster ist durch diese Konstruktion allerdings wesentlich leichter als ein RBG oder ein Stapler. „Im direkten Vergleich hat unsere Lösung nur das halbe Gewicht“, erklärt Krusche-Vorstand Mirko Doerk, der den Transfaster entwickelt hat. Weniger Masse führt automatisch zu einem geringeren Energieverbrauch. Doerk verspricht seinen Kunden Einsparungen von rund 30 %. Zudem würde das geringere Gewicht die physikalischen Kräfte und damit den Verschleiß der Anlagen reduzieren.
Kein Wunder, dass es bereits den ersten Wettbewerber gibt. Mit dem „Aviator“ will die Westfalia Holding GmbH & Co. KG ein ähnliches Produkt am Markt etablieren. Pikant dabei ist, dass der Transfaster noch bis August 2008 unter dem Dach von Westfalia vertrieben wurde und somit reichlich Konstruktions-Know-how übertragen worden sein dürften. Die juristischen Folgen ließen deshalb nicht lange auf sich warten.
Eindeutig geklärt sind hingegen die physikalischen Grundlagen: Mehr Masse erfordert beim Beschleunigen mehr Energie. So ist konzeptbedingt das schwerere RBG hier im Nachteil, kann dafür aber bei der Energierückführung punkten. Diese Technik lohnt sich bei einem RBG besonders, denn zum Erreichen der gewünschten hohen Dynamik werden diese Geräte in der Längs- und Hubachse ständig beschleunigt und verzögert. Die beim Bremsen freiwerdende Energie lässt sich primär für parallel laufende Bewegungen nutzen. Übermengen werden in das Versorgungsnetz rückgespeist.
Der Effekt ist messbar: „Bis zu 30 Prozent der eingesetzten Energie kann so zurück gewonnen werden“, meint Volker Welsch, Verkaufsleiter der PSB GmbH aus Pirmasens. Beispielsweise würde beim Bremsen eines RBG mit einer Tragkraft von 1000 kg mehr als 50 kW Energie frei. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei der Abwärtsfahrt der Hubachsen. Die Pirmasenser haben hierfür auf der letzten Fachmesse Cemat eine Lösung vorgestellt und rüstet ihre Maschinen inzwischen serienmäßig damit aus.
Noch nicht ganz so weit ist die Entwicklung effizienter Energiespeicher. Dennoch hat es auf diesem Gebiet bedeutende Fortschritte und erste Praxiserprobungen gegeben. Viel versprechend ist hier vor allem die Lithium-Ionen-Technik, mit der ein effizientes Energiemanagement möglich ist. Dabei geht es in erster Linie um den so genannten Ladefaktor. Da bei der Ladung eines Akkus ein Teil des eingeladenen Stroms in Nebenreaktionen fließt oder durch Selbstentladung verloren geht, steht für die Entladung nicht mehr die gesamte eingeladene Energie zur Verfügung. Der Ladefaktor bezeichnet das Verhältnis aus eingeladener und tatsächlich entnehmbarer Kapazität. Bei Lithium-Ionen-Batterien liegt der Ladefaktor nahe bei „Eins“, was einer hohen Energieeffizienz entspricht. Sie liegt um rund 20 % über dem Niveau herkömmlicher Bleibatterien.
Ebenfalls auf der letzten Cemat stellte Nissan als Konzeptstudie den weltweit ersten Frontstapler mit Lithium-Ionen-Batterie vor, der bereits in diesem Jahr in Serie gehen könnte. Die Hamburger Jungheinrich AG präsentierte zeitgleich seine ebenfalls mit Lithium-Ionen-Technik versehene Studie „Concept 08“, bei der es sich um ein fahrbares Modell eines elektrischen Gabelhubwagens handelt.
Der erste Praxiseinsatz folgte schon im Herbst 2008: Die Spedition Kissel aus Stockstadt testete einen seriennahen Handgabelhubwagen mit Lithium-Ionen-Batterie zum Be- und Entladen von Lkw. Im Feldversuch lief das Modell T18 der Linde Material Handling GmbH aus Aschaffenburg, das sich lediglich durch die Batterie und dem Batterie-Management-System von herkömmlichen Modellen unterschied. Während des Einsatzes wurden auch die übrigen Vorteile der neuen Technik bestätigt und schon jetzt steht fest: Lithium-Ionen-Akkus könnten dem Elektroantrieb bei Flurförderzeugen schnell weitere Marktanteile verschaffen.
Bereits heute verfügt jeder zweite Stapler über einen Elektromotor. Nur noch rund die Hälfte aller neuen Modelle wird mit Verbrennungsmotor ausgeliefert. Und die neue Batterietechnik macht E-Stapler künftig noch effizienter: Diese sind in der Lage, bei ungefähr gleichem Gewicht und Volumen, bis zu drei mal mehr Energie zu speichern als herkömmliche Modelle. Die Lebensdauer ist zudem mindestens doppelt so lang und es fallen darüber hinaus keine aufwendigen periodischen Wartungsarbeiten an. Vor allem aber kann die Batterie in einer halben Stunde für eine komplette Schicht geladen werden.
Eine Lagersteuerung lässt sich optimieren. Ebenso kann ein RGB mit einer Energierückgewinnung nachgerüstet werden. Allerdings gibt es auch Maßnahmen, die schon vor dem ersten Spatenstich feststehen sollten. Neben der heute selbstverständlichen Dämmung lässt sich der Energiebedarf eines Lagers von vorne herein durch eine kompakte Bauweise senken. Ein Gebäude ist kompakt, wenn die Außenfläche im Verhältnis zum Rauminhalt klein ist. Mit zunehmender Kompaktheit sinkt in aller Regel der Energiebedarf, weil so der Wärmeverlust über die Außenflächen reduziert wird. Verschachtelte oder lang gezogene Baukörper mit Vor- und Rücksprüngen verbrauchen mehr Energie als einfache Gebäudeformen. Die Würfelform kommt dabei nahe an das Optimum heran.
Bei Logistikimmobilien ist dieser Grundsatz vor allem bei Tiefkühl-Lagern von Bedeutung. Trotzdem wird er nur in rund 5 % der Fälle berücksichtigt. „95 Prozent der Tiefkühl-Lager sind vergleichsweise flach und werden heute noch von Staplern bedient“, schätzt Hahn-Woernle. Dabei würde sich gerade dort die würfelähnliche Form des Hochregallagers anbieten. Abgesehen von den optimierten Außenflächen verfügt ein automatisches Hochregallager über schmalere Gänge und kleinere Tore – insgesamt also die weit besseren Voraussetzungen für eine optimierte Isolierung und geringe Kälte-Verluste.
Das größte Einsparpotenzial sieht Hahn-Woernle jedoch im Bereich der Planung. „Je genauer die eigenen Bestände und der künftige Bedarf bekannt sind, desto besser lässt sich die eigene Anlage auslasten“, so sein Credo. Auf Basis einer verlässlichen Organisation könnten Überbestände erkannt und abgebaut werden. In der Vergangenheit seien auf diese Weise bereits einige Standorterweiterungen eingespart worden. Die Pläne für diverse Anbauten schlummern derweil in den Büros der Architekten. Der Fall liegt klar: Ein Lager, das gar nicht erst gebaut wird, spart die meiste Energie.
Weiteres Potenzial sieht der Viastore-Chef in einer optimierten Verpackung. „Im Lager wird entschieden, wie effizient der Transport auf der Straße verläuft“, sagt Hahn-Woernle. Damit meint er vor allem auch die Wahl der passenden Kartongröße beim Kommissionieren. Hier seien die Verpackungs-Hersteller gefordert, die flexibel einsetzbare Kartonagen entwickeln müssten. Ziel müsse es sein, den Einsatz der Füllmaterialien drastisch einzudämmen. „Auf unseren Straßen wird zuviel Luft transportiert“, schwört Hahn-Woernle.
Diese Aussage kann Helmut Prieschenk, Geschäftsführer der Witron Logistik + Informatik GmbH, bestätigen. Nach seiner Überzeugung ließe sich ein Teil der Verpackungen allein durch eine bessere Abstimmung zwischen den Beteiligten der Lieferkette einsparen. In einem konkreten Fall geht es um die Zahl der Zwischenlagen bei einer Anlieferpalette vom Produzenten. Pro Palette wurden drei so genannte Slipsheets zur Palettenstabilsierung verwendet, um so die Depalletierung zu automatisieren. „Wir fragten beim Produzenten nach, ob man nicht auf die Slipsheets verzichten könne“, erzählt Prieschenk. Der Kunde sei jedoch überzeugt gewesen, dass der Empfänger die Zwischenlagen unbedingt braucht. „Beim Empfänger bekamen wir jedoch eine völlig andere Antwort, seitdem werden die Paletten ohne Slipsheets angeliefert“, so der Witron-Chef.
Marcus Walter Fachjournalist in Neufahrn bei Freising

„Strom statt Wärme“

Nachgefragt

Viele neue Produkte im Bereich Intralogistik sollen helfen, Energie zu sparen. Hat die Branche das Thema erst jetzt entdeckt?
Nein, wir beschäftigen uns seit über 12 Jahren mit dem Thema. Der Anstoß kam aus dem Bereich der fahrerlosen Transportsysteme. Hier ging es primär nicht um den CO2-Ausstoß, sondern um die Funktionalität. Bei einem FTS kommt es schließlich darauf an, möglichst lange mit einer Batterieladung auszukommen.
Wo lässt sich in einem automatisierten Lager die meiste Energie sparen?
Die größten Verbraucher sind die Regalbediengeräte. Hier werden Massen von bis zu zehn Tonnen beschleunigt und wieder abgebremst. Durch die Energie-Rückspeisung können wir bis zu 30 Prozent Strom sparen.
Wie funktioniert das?
Die frei werdende Bremsenergie im Regalbediengerät wird nicht wie bisher vernichtet, sondern wieder ins Versorgungsnetz rückgespeist. Durch den Einsatz von Servomotoren in Verbindung mit Leistungselektronik wird die Energie, die beim Verzögern der Antriebsachsen entsteht, nicht mit Bremswiderständen in Wärme, sondern in Strom umgewandelt. Das Motto lautet: Strom statt Wärme. Die zurück gewonnene Energie kann dann von anderen Geräten und Maschinen genutzt werden – zum Beispiel von der Fördertechnik, die an das Lager angrenzt.
Gut für die Umwelt. Und wann amortisiert sich die Investition?
Die höheren Kosten für das Energie-Rückspeisegerät können durch einen optimierten Schaltschrankaufbau in Verbindung mit einer vereinfachten und standardisierten Projektierung aufgefangen werden. Somit ist die Energie-Einsparung ein echter Zusatznutzen.

Kosteneffizienz
Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise ist das Jahr 2009 für viele Unternehmen eine Nagelprobe. Sparen ist angesagt. Zum Beispiel im Bereich Energie. In der Intralogistik wird Energie zum Teil hemmungslos vernichtet, etwa bei den Regalbediengeräten. Hier werden Massen bis zu 10 t rund um die Uhr beschleunigt und abgebremst. Bei älteren Modellen entsteht beim Bremsen jede Menge Wärme. Mit neuen Modellen lässt sich beim Verzögern bis zu 30 % der eingesetzten Energie zurückgewinnen.
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