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Automatisierung am Karlsruher Institut für Technologie

Automatisierung
KIT setzt bei autonomen Logistikrobotern auf Bildverarbeitung

Der Einsatz von autonomen Robotern in Lagerumgebungen soll durch das Förderprojektprojekt QBIIK des Technologieprogramms PAiCE verbessert werden. KIT-Mitarbeiter Jonathan Dziedzitz erklärt, welche Herausforderungen dabei gemeistert werden müssen.

Herr Dziedzitz, welche Probleme treten typischerweise auf, wenn autonome Roboter im Lager installiert werden?

Herabfallende Kartons, angefahrene Kollegen, mangelnde Orientierung. Um mal ein paar Beispiele zu nennen. Der Einsatz von autonomen Robotern im Lager ist in der Tat schwierig, da die Umgebungswahrnehmung und -verarbeitung oft nicht richtig funktioniert. Der visuelle Faktor wird regelmäßig unterschätzt.

Autonome Logistikroboter werden bereits in großen Lagerhäusern eingesetzt. Wie unterscheiden sich diese Modelle von der Roboterplattform, die bei Ihnen im Projekt QBIIK entwickelt wird?

Bei unserer mobilen Plattform fällt zunächst die Größe auf. Inklusive Anhänger ist der Demonstrator 6,5 m lang und verfügt über eine aktiv gesteuerte Kupplung für die Kurvenfahrt. Dank des Anhängers lassen sich viele Ladungsträger aufnehmen. Die Plattform lässt sich deswegen dort einsetzen, wo üblicherweise Routenzüge fahren.

Zusätzlich ist auf der Plattform ein Industrieroboter montiert. Welche Funktion hat der?

Üblicherweise werden deutlich kleinere Roboter auf mobilen Fahrplattformen verbaut, die das Handling von Einzelteilen übernehmen. Unser Roboter kann Kleinladungsträger mit einem Gewicht von maximal 15 kg bewegen. Das entlastet den Werker beim Heben von schweren Ladungsträgern und ermöglicht die Automatisierung von Prozessen, die bisher nur manuell durchgeführt werden konnten. Außerdem ist die Plattform groß genug für den Einsatz von leistungsstarker Hardware für die Bildverarbeitung. Bei der Objekterkennung kommen künstliche neuronale Netze zum Einsatz.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung und wie wurden sie gelöst?

Zu Beginn des Projekts wollten wir einen handelsüblichen Greifer einsetzen, aber wir fanden kein Modell, das die hohe Varianz der Kleinladungsträger zusammen mit dem Gewicht bis zu 15 kg meisterte. Zudem mussten die Teile längs und quer gegriffen werden können. Am Ende entwickelten wir einen völlig neuen Greifer. Die Kleinladungsträger können jetzt von der Seite angehoben und von oben verklemmt werden. Problematisch war auch die Integration der Elektronikkomponenten für die Steuerung des Roboters. Hierfür wurde eine Zusatzbatterie am Fahrzeug installiert, die eine Acht-Stunden-Schicht des Roboters ohne Unterbrechung durch Ladezyklen sicherstellt.

Wie steht es mit der Sicherheit?

Um den Demonstrator sicher betreiben zu können, führen wir eine Risikoanalyse durch. Dabei werden 116 Gefahrensituationen erkannt und entsprechende Maßnahmen definiert und dokumentiert. Zum Beispiel werden Kollisionen des Fahrzeugs oder des Roboters mit Mitarbeitern oder Gegenständen durch einen virtuellen Schutzzaun verhindert. Sensoren am Demonstrator erfassen die Umgebung und sorgen für den nötigen Sicherheitsabstand.

Eine unzureichende Bildverarbeitung haben Sie bereits zu Anfang als Problem identifiziert. Wie gehen Sie in Ihrem Projekt mit dem Thema um?

Die Kistenerkennung erfolgt mehrstufig. Ein künstliches neuronales Netz erkennt die zu greifende Kiste. Neben bildgebender Sensorik kommt eine Kombination aus 3D-Kamera und taktilen Näherungssensoren zum Einsatz. So wird die exakte Position der Kiste bestimmt und die Anfahrtsposition des Roboters festgelegt. Sollte es bei der Fahrplattform während des autonomen Betriebs zu Komplikationen kommen, kann das Fahrzeug einen Teleoperator um Hilfe bitten. Dieser wird über Virtual Reality in Echtzeit an den Ort des Geschehens versetzt und kann so die Situation analysieren. Das kann eine verklemmte Kiste oder ein schief stehendes Regal sein. Je nach Fehlerfall kann der Mensch dem System eine Hilfeleistung anbieten. Danach kann das Fahrzeug autonom weiterarbeiten.

Der Roboter verfügt also über eine Mensch-Maschine-Schnittstelle, über die das System Hilfe anfordern kann. Aber wie erkennt der Roboter eigentlich, dass er Unterstützung vom Menschen braucht?

Für die Situationsanalyse kommt eine neue Anomalie-Erkennung zum Einsatz. Diese bewertet auf Basis der verfügbaren Sensorsignale, zu denen Kamerabilder, 3D-Daten und Kraftsensoren gehören, die Situation und bewertet den sogenannten Bekanntheitsgrad. Ist eine Situation unbekannt, wird der Teleoperator informiert, um eine Fehlfunktion oder einen Ausfall des Systems zu verhindern. Diese Vorgehensweise hat zwei Vorteile. Erstens wird ein möglicher Systemausfall durch eine bisher unbekannte Situation verhindert und der Auslieferungsprozess kann wie geplant fortgesetzt werden. Zweitens kann das System die Daten aus der Teleoperation nutzen, um die autonome Funktion der Fahrplattform zu verbessern. Das gelernte Wissen wird über eine Cloud-Anbindung administriert und auf weitere Fahrzeuge übertragen.

Wo wird die autonome Maschine bereits eingesetzt?

Bisher wurde das System lediglich im Labor erprobt und auf verschiedenen Messen vorgestellt. Im Rahmen des Projekts soll aber die Pilotierung in einer realen Umgebung stattfinden. Nur so gewinnen wir wichtige Daten über die Dauernutzung, die Teleoperation und nicht zuletzt die Lernfähigkeit des Systems. Die Forschungsergebnisse werden auf der kommenden Fachmesse Automatica in München mit einem verkleinerten Demonstrator vorgestellt, bei dem Besucher die autonome Funktion und die Teleoperation live erleben können.

Und welche konkreten Anwendungsfälle sind zukünftig denkbar?

Innerhalb des Projektes wird der Nachschubprozess eines Supermarkts getestet. Dabei werden die beladenen Kleinladungsträger aus dem Anhänger entnommen und an handelsübliche Durchlaufregale übergeben. Denkbar ist aber auch die Handhabung von Einzelteilen. (ub)

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