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Intralogistik: Kreative und automatische Lagerlösung

Intralogistik
Kreative und automatische Lagerlösung

Mit einer kreativen automatischen Lagerlösung ist es SSI Schäfer gelungen, die logistischen Prozesse im Lager des Schleifwerkzeugherstellers Klingspor zukunftsorientiert zu gestalten. Jetzt sorgen ein Navette-Shuttlelager und ein vollautomatisches Palettenhochregallager für effiziente Prozesse und kurze Lieferzeiten.

Bernd Frankemölle
Leiter Projektabwicklung Automatisierte Gesamtsysteme bei SSI Schäfer

Seit mehr als 120 Jahren gehört die Firma Klingspor in Haiger als bedeutender regionaler Arbeitgeber zu den weltweit führenden Herstellern hochwertiger Schleifwerkzeuge. Mit über 50 000 verschiedenen Artikeln versendet das Unternehmen täglich über 200 t Schleifmittel in 80 Länder. Dabei garantieren 36 global verteilte Fertigungs- und Vertriebsstandorte eine flexible Anpassung an die Bedürfnisse regionaler Märkte. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Klingspor nicht nur großen Wert auf die Entwicklung und Qualität seiner Produkte legt, sondern auch auf effiziente innerbetriebliche logistische Prozesse.

Doch der Trend zu kleineren, aber gleichzeitig häufigeren Bestellmengen trifft auch die Schleifwerkzeugbranche. Der Firma Klingspor war klar, dass ausreichend Kapazitäten, schnelle und vor allem fehlerfreie Prozesse und eine Bearbeitung von Kundenaufträgen innerhalb von 24 Stunden Grundvoraussetzungen sind, um im Wettbewerb zu bestehen. Insbesondere bei einer Unternehmensausrichtung von 5 bis 10 % Wachstum oder mehr pro Jahr. Diesen Anforderungen entsprach das Lager von Klingspor nicht mehr. So kam der Zeitpunkt, an dem man sich entschied, zu handeln. „Die vorhandenen Lagerflächen waren nicht mehr ausreichend, um dem zukünftigen Wachstum gerecht zu werden. Zudem sollten interne logistische Abläufe optimiert und vorhandene, unproduktive Arbeitszeitanteile eliminiert werden“, erklärt Henning Mankel, Leiter der Logistik und Produktionssteuerung bei Klingspor.

Um auch in Zukunft zu den weltweit führenden Herstellern von Werkzeugen zum Schleifen und Trennen zu gehören, war die Firma aus Mittelhessen bereit, neue Wege zu gehen. Dabei stand am Anfang noch gar nicht fest, dass die neue Lösung vollautomatisch gestaltet werden soll. Schließlich setzte das Unternehmen zuvor vorrangig auf manuelle Prozesse, mit einer Palettenregalanlage als Basis, kombiniert mit dem Kommissionierverfahren Pick-by-Light. Doch das sollte sich ändern – mit dem Anbau eines neuen Logistikzentrums an die bestehende Versandhalle.

Den Auftrag für die Neugestaltung des Lagers erhielt SSI Schäfer. Der Liefer- und Leistungsumfang umfasste die Generalplanung, den Stahlbau für die Regale sowie die gesamten Regal-, Förder- und Kommissionier-
anlagen. „Wir hatten vier Hersteller von Lagersystemen im Wettbewerb, wobei SSI Schäfer letztlich das beste Konzept für unsere Anforderungen und die vorhandenen Platzverhältnisse liefern konnte. Zudem konnte der Intralogistikspezialist in der Planungsphase auch durch eine schnelle, variable Anpassung der geplanten Anlage überzeugen“, so Mankel.

Ein spannender Auftrag und gleichzeitig eine Herausforderung, da die Platzverhältnisse aufgrund der Beschaffenheit des Firmengeländes sehr beschränkt waren. Dass SSI Schäfer über viele effiziente Lagersysteme verfügt, ist kein Geheimnis. Doch hier war eine besonders kreative Lösung aus innovativen Systemen gefragt, die maßgeschneidert kombiniert werden mussten. Step-by-step entwickelten die Projektpartner die Lagerlösung in enger Kooperation. Das Ergebnis: eine 3-gassige, doppeltiefe Palettenregalanlage, ein Mehrebenen-Shuttlelager für Behälter sowie eine zwischengeschaltete Kommissionier- und Verpackungszone, die für eine optimale Raumnutzung des Gebäudes sorgt. Regalbediengeräte (RBG), Navette-Shuttles und -Heber, umfangreiche Paletten- und Behälterfördertechnik, die Steuerungstechnik für die Anlage, Materialflussrechner und die Logistiksoftware SAP EWM (Extended Warehouse Management) runden die Lösung ab. Der Clou: die gesamte Anlage verteilt sich auf drei Ebenen, die alle miteinander verbunden sind.

Nicht nur das. Die vollautomatische Lösung bei Klingspor ist nach dem Anlagenkonzept der 3D-Matrix Solution konzipiert und sorgt damit für ein Höchstmaß an Effizienz, Flexibilität, Redundanz und Skalierbarkeit. Mit dem prämierten Konzept für hochdynamische Systemlösungen von SSI Schäfer wird der Lagerkubus als ein nach allen Seiten hin offenes und erweiterbares System betrachtet, welches Engpässe und Restriktionen klassischer Systemlösungen vermeidet. Dabei erfolgen alle Bewegungen der innerhalb des Lagers in X-, Y- und Z-Richtung arbeitenden Transportmittel konsequent getrennt und parallel. Das gewährleistet den permanenten Zugriff auf alle Artikel, während die Lagerung, Pufferung und Sequenzierung in einem einzigen System ermöglicht wird.

Bevor jedoch die Umsetzung des Lagers erfolgte, wurde im Rahmen der Planungsabsicherung eine Simulation der Anlage durch die SimPlan AG durchgeführt. In dieser sollte das Konzept seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Dabei wurden Prozesse und Parameter analysiert und optimiert. Das Simulationsmodell beinhaltete darüber hinaus eine durchgängig detaillierte Abbildung der Lager- und Fördertechnik sowie eine dynamische regelbasierte Disposition mit zahlreichen Sonderprozessen. Ferner wurden Bestands- und Platzverwaltungen für die Lagerbereiche, Steueralgorithmen für die Navette-Shuttles, Sequenzierungen sowie Abbildungen der Abläufe an den Arbeitsplätzen, Nachschubprozesse und Leerbehälterkreisläufe simuliert. Alle Projektpartner analysierten die Ergebnisse und optimierten die Prozesse lösungsorientiert.

Die neue Anlage erstreckt sich über drei Ebenen auf rund 2400 m². Dabei zeichnet sich das Lösungskonzept des Intralogistikspezialisten vor allem durch die spezielle Anordnung der Kommissionier- und Verpackungszone aus. Diese befindet sich auf der Ebene null und bildet das Verbindungsstück der beiden anderen Lagereinheiten. Ober- und unterhalb ist jeweils ein automatisches Behälterlager positioniert, das insgesamt über 36 000 Stellplätze bietet. 21 Navette-Fahrzeuge und neun Navette-Heber bedienen das Shuttlelager. Das Navette-Fahrzeug wird im Stahlbau des Automatischen Kleinteilelagers (AKL) mit Fahr- und Stützschienen in einer Fahrebene geführt. Durch zwei übereinander angeordnete, doppeltiefe Lastaufnahmemittel kann das Shuttle zwei Lagerebenen parallel und insgesamt vier Transporteinheiten mit nur einem Lastspiel bewegen. Dies minimiert die Fahrtzeiten und verdoppelt die Prozesseffizienz. Zudem sorgen die Navette-Heber für eine schnelle Bereitstellzeit der Behälter aus den Lagerbereichen zu der Kommissionierebene.

In dem dahinterliegenden Bereich befindet sich die 3-gassige, doppeltiefe Palettenregalanlage mit rund 13 400 Gesamtstellplätzen. Dort verrichten drei energieeffiziente RBG vom Typ Exyz ihren Dienst und bedienen die Stellplätze schnell und zuverlässig. Die insgesamt 26 m hohe Anlage ist über Palettenfördertechnik inklusive SPS-Steuerung mit drei Kommissionierarbeitsplätzen sowie dem Warenein- und -ausgang verbunden. In 120 Durchlaufkanälen werden am automatischen Palettenlager die AAA-Artikel bereitgestellt, kommissioniert und an das Behälterlager angebunden. Die Auftragszusammenführung von Palettenware und AKL-Ware erfolgt vollautomatisch. Dabei sind die Arbeitsbereiche räumlich in die Anlage integriert. Hierzu gehören auch vier Multi-Order-Kommissionier- und acht Verpackungsarbeitsplätze für hohe Kommissionierleistungen. Derzeit sind insgesamt 4500 unterschiedliche Artikel im Lager untergebracht. Zuverlässigkeit, Null-Fehler-Kommissionierung, kurze Auftragsdurchlaufzeit, hoher Durchsatz – und das alles trotz beschränkter Platzverhältnisse.

Die Lagerverwaltung erfolgt via SAP EMW. Dass die Implementierung der Software bei dieser komplexen Lösung keine leichte Aufgabe war, versteht sich von selbst. Das besondere an der IT: „Die durchgängige Integration von SAP EWM in das bestehenden ERP-System von Klingspor. Geschäftsprozessabläufe wie etwa die Bestellabwicklung konnten so unverändert beibehalten werden. Die nachfolgende vollautomatische Lagersteuerung erfolgt dabei transparent und wird durch speziell entwickelte Dialoge für Kommissionierung und Staplerleitsystem unterstützt“, erklärt Jens Bachmann, IT und SAP Projekt-Manager bei SSI Schäfer.

Ausgiebige Tests am Ende der Inbetriebsetzungsphase und die sehr gute Zusammenarbeit mit Klingspor sorgten für eine schnelle und reibungslose Hochlaufphase. Die Zielvorgaben wurden vollständig erfüllt. Am Ende entstand somit ein cleveres Lösungskonzept, das den logistischen Anforderungen des Schleifmittelherstellers entspricht und für die Zukunft einen optimalen Materialfluss garantiert. „SSI Schäfer hat uns im Rahmen des gesamten Projektes mit sehr kompetentem Personal begleitet. Dies betrifft die Projekt- und Bauleitung sowie die Softwarespezialisten, die uns in der Planungsphase und nach dem Go-Live zur Verfügung standen“, fasst Mankel zusammen. Damit verfügt der Schleifspezialist jetzt über ein Lager, das bestens für weiteres Firmenwachstum vorbereitet ist und den Maximen der Klingspor AG entspricht.

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